Zweite Verhandlungsrunde im „Knockout 51“-Komplex
Nach der Verurteilung von vier Mitgliedern der Neonazi-Gruppe „Knockout 51“ im Juli 2024 müssen sich jetzt drei weitere Neonazis vor Gericht verantworten. Ihnen wird die Gründung bzw. Mitgliedschaft in einer kriminellen und terroristischen Vereinigung vorgeworfen, der langjährige „Heimat“-Funktionär Patrick Wieschke soll die Gruppierung unterstützt haben.

Es war Mitte Dezember 2023, als in Erfurt und Eisenach die Handschellen für die Neonazis Patrick Wieschke, Kevin N. und Marvin W. klickten. Sie werden verdächtigt, mit „Knockout 51“ eine kriminelle und terroristische Vereinigung gegründet beziehungsweise unterstützt zu haben. Zum Zeitpunkt der Festnahmen lief vor dem Oberlandesgericht Jena (OLG) bereits der Prozess gegen den Anführer von „Knockout 51“, Leon R., und die weiteren Köpfe Maximilian A., Eric K. und Bastian A.
Der Generalbundesanwalt (GBA) hält die Gruppierung für „eine rechtsextremistische Kampfsportgruppe, die unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer anlockt, diese bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktriniert und für Straßenkämpfe ausbildet.“ Im Zentrum der Vereinigung sollen spätestens seit März 2020 erhebliche Straftaten gestanden haben wie Körperverletzungsdelikte „gegen Angehörige aus dem politisch „linken Spektrum“ (…) aber auch gegen die Polizei und sonstige Personen, die nach der rechtsextrem und rassistisch geprägten Weltsicht der Gruppierung bekämpft werden dürfen.“
Beschwerde des Generalbundesanwalts
Die Haftstrafen aus dem ersten Prozess sind noch nicht rechtskräftig, da folgt die zweite Verhandlung im „Knockout 51“-Komplex, nachdem der GBA im September 2024 Anklage erhoben hatte. Das OLG in Jena aber sah – anders als in der Anklage - in „Knockout 51“ zwar eine kriminelle, nicht aber eine terroristische Vereinigung und eröffnete das Hauptverfahren vor dem Landgericht Gera. Nach einer Beschwerde des GBA eröffnete der Bundesgerichtshof das Hauptverfahren nun doch vor dem OLG – verhandelt wird jedoch vor einem anderen Strafsenat als ursprünglich vorgesehen.
Dort muss sich nun Kevin N. wegen der Gründung einer terroristischen und kriminellen Vereinigung und Mitgliedschaft darin verantworten. Nachdem er bereits die Gruppierung „Nationaler Aufbau Eisenach“ angeführt hatte, soll er mit drei der bereits verurteilten Neonazis Anfang 2019 an der Gründung von „Knockout 51“ beteiligt gewesen sein und anfangs deren Kampfsporttrainings in der Region Eisenach oder in der Landesgeschäftsstelle der damaligen NPD (heute „Die Heimat“) geleitet haben. Als Zeichen seiner Mitgliedschaft soll N. ein Tattoo der Zahl 51 auf seinen Körper tragen, ein Zahlencode für die auf Autokennzeichen übliche Abkürzung von Eisenach. 2020 trat er beim Neonazi-Event „Kampf der Nibelungen“ als Kämpfer an, im Jahr zuvor wurde „Knockout 51“ als offizieller Unterstützer geführt.
Training mit Schusswaffen
Nach seinem Umzug 2021 lässt N.s Präsenz in Eisenach nach, er orientiert sich eher an der „Identitären Bewegung“ (IB) und war mutmaßlich einer der Köpfe hinter der IB-Nachfolgestruktur „Kontrakultur Erfurt“. Gemeinsam mit N. soll auch Marvin W. aktiv bei „Knockout 51“ gewesen sein und muss sich deswegen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen und kriminellen Vereinigung verantworten. Neben seiner Teilnehme Kampfsporttrainings soll er bei „Knockout 51“ auch das Schießen mit Waffen trainiert haben. In Erfurt soll er an dem Versuch beteiligt gewesen sein, Besucher des Autonomen Jugendzentrums zu provozieren, um sie dann mit Messern, Äxten und Macheten zu verletzen oder sie töten.
Für besonderes Aufsehen dürfte der Angeklagte Patrick Wieschke sorgen, der sich wegen Unterstützung der kriminellen und terroristischen Vereinigung „Knockout 51“ verantworten muss. Das langjährige Führungsmitglied der inzwischen in „Die Heimat“ umbenannten NPD ist der einzige der drei Beschuldigten, der sich nicht mehr in Untersuchungshaft befindet. Nachdem er im ersten Prozess über Stunden ausgesagt und bereits vorher bei den Behörden umfangreiche Aussagen gemacht hatte, wurde er im April 2024 aus der Haft entlassen.
Patrick Wieschke wird zum „Kameradenschwein“
Sein Verhalten sorgte dafür, dass er in der Neonazi-Szene in Ungnade fiel. Zum „Tag der politischen Gefangenen“ am 18. März 2024 sollte in einer Kampagne von Neonazis ursprünglich auch Wieschke unterstützt werden. Nachdem bekannt wurde, dass er „eine umfängliche Aussage“ gemacht hatte, wurde die Unterstützungskampagne für Wieschke eingestellt. Material mit seinem Konterfei wurde zurückgezogen, in den sozialen Medien wurde er als „Kameradenschwein“ bezeichnet. Der Rechtsextremist soll „Knockout 51“ unterstützt und der Gruppe u.a. einen Raum als Waffenlager zur Verfügung gestellt haben. Außerdem soll er Treffen und Schulungsmaßnahmen der Gruppierung mit organisiert haben.
Auch nach den ersten Verhaftungen im April 2022 soll der heute 43-Jährige ein Folgetreffen organisiert haben, um „junge Aktvisiten“ so zu schulen, dass sie keine strafrechtlich relevanten Fehler machen. Der nun beginnende Prozess dürfe nicht der letzte im „Knockout 51“-Komplex sein. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken geht hervor, dass das Ermittlungsverfahren, das der GBA seit Januar 2021 führt, sich gegen insgesamt 13 Beschuldigte und weitere noch unbekannte Personen richtet. Für den aktuellen Prozess vor dem ersten Strafsenat richtet sich das OLG in Jena auf eine lange Verfahrensdauer ein und hat bislang knapp 50 Termine bis Mitte Dezember anberaumt.