Ärztin und Reichsbürgerin
Zwei Jahre Haft ohne Bewährung für falsche Maskenatteste
In der strafrechtlichen Aufarbeitung der ersten Pandemiejahre müssen sich aktuell immer wieder Mediziner vor Gericht verantworten, die Personen ohne Grund von der Maskenpflicht befreit hatten. Eine Ärztin aus Oberbayern wurde gestern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Für Bewährung sah der Richter keinen Spielraum mehr. Das dürfte die erste Gefängnisstrafe für falsche Atteste sein. Die Verurteilte steht der Reichsbürgerszene nahe.
Schauplatz der Verhandlung war das Amtsgericht in Garmisch-Partenkirchen. Die Pressestelle des Gerichts bestätigte auf Anfrage, dass gestern eine Ärztin zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt wurde. Hinzu kommen drei Jahre Berufsverbot. Die Anklage lautete auf Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse in 309 Fällen. Die Beschuldigte zeigte sich hier laut Gericht auch zum Teil geständig. Eingezogen wurde auch eine vierstellige Geldsumme, die sie im Rahmen der strafbaren Tätigkeiten erhalten hatte, quasi die Beute aus der Straftat.
Es dürfte auch einer der ersten Fälle im Land sein, bei dem das Gericht keinen Spielraum für Bewährung sah. Gesetzlich ist die Aussetzung von verhängten Freiheitsstrafen ohnehin nur bei einem Strafmaß von bis zu zwei Jahren möglich. Bei Freiheitsstrafen über einem Jahre müssen besondere Umstände hinzutreten, um Verurteilte vor dem Gefängnis zu bewahren. Laut Gericht zeigte die Angeklagte keinerlei Schuldeinsicht und gab sich unbelehrbar.
Im Mai war die Haftstrafe für den Passauer Gynäkologen Roland Weikl, ein Jahr und acht Monate, noch zur Bewährung ausgesetzt worden, was von den Anhängern wie ein Freispruch gefeiert wurde. Der bekannte Szene-Aktivist Bodo Schiffmann wartet noch auf seine Verhandlung. Ob er dafür nach Deutschland zurückkommt, ist fraglich. Voraussichtlich im November muss sich der Kauferinger Homöopath Rolf Kron vor Gericht verantworten, die Anklage wegen falscher Atteste in 117 Fällen wurde jüngst zugelassen.
Die Angeklagte und ihr Umfeld gehören der Reichsbürgerszene an
Laut des Telegram-Kanals von Kron handelt es sich bei der gestern Verurteilten um die Ärztin Gudrun Ströer. Die Medizinerin mit Praxis in Bad Kohlgrub geriet früh in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden. Bereits Ende Juli 2020 durchsuchte die Polizei ihre Praxis und stellte Unterlagen sicher. Gegen Spende an eine „Aktionsgemeinschaft Leben in Freiheit“ soll sie Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt haben. Auf einer auf die Razzia folgende Demonstration in Schongau beklagte sich Ströer sowohl über die Polizei als auch über die Berichterstattung. Unter dem Applaus der etwa über hundert Teilnehmer verkündete sie damals offenherzig, ihren Personalausweis schon längst abgegeben zu haben und dafür eine „Lebenderklärung“ erstellt zu haben, beides typische Verhaltensweisen für die Reichsbürgerszene. Sie wolle sich auch um eine waffenrechtliche Erlaubnis bemühen.
Hintergrund ihrer damaligen Äußerungen war wohl der Umstand, dass ihrem Ehemann, dem Chemiker Uwe Erfurth seine Waffenbesitzkarte kürzlich wegen Unzuverlässigkeit entzogen worden war. Er stritt sich mindestens seit April 2017 mit dem Polizeipräsidium Oberbayern-Süd, dem Landratsamt und Gerichtsvollziehern herum. Die Polizei kam zu dem Ergebnis, Erfurth habe sich völlig dem Reichsbürgergedanken ergeben. In der Folgezeit trat der Chemiker auch immer wieder mit Vorträgen zur Thematik auf. So sollte Erfurth, einladen von der Organisation „Die Gegenwärtigen“ Anfang Dezember 2021 in der Münchner Innenstadt über Themen wie „Sind wir Souverän oder Personal? Zur Bedeutung der jursitischen Personen“, „Welche Staatsangehörigkeit haben wir? RuStAG 2013 [sic!] oder StAG“ „Hatten wir 1990 eine `Wiedervereinigung´?“ referieren. Der Vortrag, für den ein Eintritt von 30 Euro verlangt wurde, entfiel allerdings nach unseren Informationen. Auch im Gästebuch einer der Shoaleugnerin Ursula Haverbeck gewidmeten Seite findet ein „Dr. Uwe Erfurth“, die greise Überzeugungstäterin sei zu Unrecht verurteilt worden. Laut Erfurth wollte Ströer vor Gericht nur mit „Mensch Gudrun“ angesprochen werden.
Die verschwörungsideologische Szene hatte zur Gerichtsverhandlung mobilisiert, was dazu führte, dass nicht für alle Anhänger Platz im Saal war. Laut Gericht kam es zu Unmutsbekundungen, aber keinen Zwischenfällen. Ströer kündigte Berufung an.