Neue Rechte

Zwanzigjähriges Bestehen der „Sezession“

Seit zwanzig Jahren gibt das „Institut für Staatspolitik“ die „Sezession“ heraus, welche in Deutschland für die Neue Rechte das zentrale Theorieorgan ist. Zwei Beiträge in der aktuellen Nummer gehen darauf ein, machen aber auch Defizite an „Kadern“ deutlich.

Mittwoch, 26. April 2023
Armin Pfahl-Traughber
Götz Kubitschek: Auch nach 20 Jahren eng verwoben mit dem „Institut für Staatspolitik“ und der „Sezession“
Götz Kubitschek: Auch nach 20 Jahren eng verwoben mit dem „Institut für Staatspolitik“ und der „Sezession“

Erstmals 2003, also vor zwanzig Jahren, gab das „Institut für Staatspolitik“ seine „Sezession“ heraus, welche fortan für die Neue Rechte eine bedeutende Theoriezeitschrift wurde. Dabei fallen formale und inhaltliche Ähnlichkeiten mit „Criticon“ auf, worin seit den 1970er Jahren unterschiedliche Publizisten vom rechten Rand der Unionsparteien bis zu nicht-neonazistischen Rechtsextremisten schrieben. Diese innerkonservative Bandbreite gibt es bei der „Sezession“ indessen nicht, besteht die Autorenschaft doch primär aus der Neuen Rechten zuordenbaren Publizisten.

Ähnlich wie „Criticon“ war bzw. ist bei „Sezession“ aber die formale Struktur ausgerichtet: Einem Editorial von Götz Kubitschek folgen längere Aufsätze und kurze Artikel sowie ein Rezensionsteil, wobei dem häufig ein Autorenportrait vorgeschaltet ist. Anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens druckte die „Sezession“ zwei Texte, die direkt oder indirekt eine Bilanz zu ihrem so langen Wirken ziehen wollen. In einem an die Abonnenten gerichteten Begleitschreiben wird auch angegeben, wie hoch die Auflagenzahl sein soll: 4.000. Damit hat man es nicht mit einem hohen Verbreitungsgrad zu tun.

Mit der Konservativen Revolution in Verbindung

Wo sich diese Abonnenten finden, veranschaulicht der erste Beitrag von Erik Lehnert, der als „Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Staatspolitik“ firmiert. Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern würde die „Sezession“ überproportional stark gelesen. Dort bestehe eine „widerständige Mentalität“. Mehr Angaben über deren Sozialstruktur werden aber nicht gemacht. Ansonsten erinnert Lehnert daran, dass die Gründung mit der Konservativen Revolution in geistiger Verbindung stand.

Dies machen auch die zahlreichen Beiträge immer wieder deutlich, wo etwa an Denker wie Edgar Julius Jung, Arthur Moeller van den Bruck, Carl Schmitt oder Oswald Spengler verwiesen wird. Bekanntlich standen diese Autoren auch für das „antidemokratische Denken in der Weimarer Republik“ (Kurt Sontheimer), woran sich ebenfalls in der Grundausrichtung die „Sezession“ orientiert. Gleichwohl konzentriere man sich auf den „Überbau“. „Wir brauchen keine Verelendung oder Revolution“. Entsprechend der strategischen Ausrichtung der Neuen Rechten gehe es um „Grundsätzliches“ und darum, „einen geistigen Wandel herbeizuführen“.

Breite eigene Medienpräsenz der Neuen Rechten

Diesen Ausführungen folgt ein Beitrag von Götz Kubitschek, der als „verantwortlicher Redakteur“ der „Sezession“ schreibt. „Vom Vorbehalt, oder: Schlaflos in Schnellroda“ ist der pathetisch und schwülstig wirkende Text überschrieben. Der Autor konstatiert darin, dass einschlägige Publikationen größere Verbreitung gefunden hätten. Während in den 2000er Jahren „die neurechte Publizistik“ auf eine Wochenzeitung („Junge Freiheit“) und eine Zweimonatszeitschrift („Sezession“) beschränkt gewesen sei, habe es hier eine starke Erweiterung gegeben: „Heute hingegen wird kaum jemand alles wahrnehmen können, was Verlage und Zeitschriften, Internetmagazine, Youtuber und Influencer, Vortragsformate, Podcasts und Stiftungen zu bieten haben.“

Berechtigt weist diese Aussage darauf hin, welche mediale Breite hier mittlerweile besteht. Die Anhänger der Neuen Rechten stehen nicht nur aus den erwähnten 4.000 Personen, welche die Druckausgabe der „Sezession“ abonniert haben. Die breitere Dimension des gemeinten Netzwerkes wird mitunter verkannt, nimmt man nur die eingeschränkten Bereiche der gedruckten Publizistik wahr.

Fehlende Kader der Neuen Rechten

Auch die AfD ist in diesem Kontext bei Kubitschek ein Thema, sei sie doch „durch Palastrevolution“ zu dem geworden, „was sie aus unserer Sicht sein sollte: eine Kraft, die grundsätzliche Fragen stellen“ kann. Die Abkehr von einem etwas gemäßigteren Lucke-Kurs hatte er sich selbst seinerzeit mit als Verdienst zugeschrieben. Und dann betont Kubitschek auch: „Darüber hinaus, vielleicht sogar vor allem, ist die AfD ein potenter und großzügiger Arbeitgeber, ein Auffangnetz und ein Rückhaltebecken.“ Hiermit wird erneut deren funktionelle Bedeutung aus der Blickrichtung der Neuen Rechten deutlich.

Auch wenn eine bessere Ausgangssituation für sein politisches Lager konstatiert wird, werden auch Defizite von Kubitschek benannt. Es heißt: „Kader lassen sich einsetzen und setzten sich ein – aber wir haben sie nicht.“ Die beabsichtige Nachwuchsförderung scheint somit der Neuen Rechten etwa durch „Schulungen“ nicht richtig gelungen zu sein. Diese durchaus angemessene Einschätzung macht deutlich, dass die gemeinten Akteure bei allen bestehenden Einflüssen ihren Umsturzhoffnungen noch nicht so nahe kamen.

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