Zerschlagene Neonazi-Strukturen
Bei der Großrazzia in mehreren nordrhein-westfälischen Städten haben die Beamten unter anderem Waffen, zahlreiche Datenträger und NS-Devotionalien sichergestellt – neben dem „Nationalen Widerstand“ in Dortmund ist auch die „Skinhead-Front Dorstfeld“ verboten.
Kurz nach 5.00 Uhr rückten am Donnerstagmorgen Polizeibeamte zuerst in den Justizvollzugsanstalten in Münster, Iserlohn und Wuppertal an. Vier dort einsitzenden Mitgliedern des „Nationalen Widerstands Dortmund“ und der „Kameradschaft Hamm“ überreichten sie die Verbotsverfügungen gegen ihre Organisationen, das damit wirksam wurde. Pünktlich um 6.00 Uhr tauchten Polizisten dann bei weiteren etwa 90 Neonazis auf, um auch ihnen die Verfügungen in die Hand zu drücken, mit denen die beiden Organisationen für aufgelöst erklärt wurden.
Vor allem Dortmund, wo die Polizei rund 60 Personen zur örtlichen Szene rechnet, und in Hamm, wo rund zwei Dutzend Neonazis zur dortigen „Nationalen und Sozialistischen Kameradschaft“ gehören sollen, ging die Polizei gegen die Mitglieder der extrem rechten Organisationen vor. Insgesamt wurden 96 Objekte durchsucht. Razzien gab es außer in Dortmund und Hamm auch in Essen, Bochum, Gelsenkirchen, Münster, Lünen, Unna, Herdecke, Schwerte und Ahlen. Mit dem „Nationalen Widerstand“ in Dortmund wurde auch die „Skinhead-Front Dorstfeld“ verboten.
1000 NPD-Plakate im „Nationalen Zentrum“
Bei den Durchsuchungen wurden die rund 600 eingesetzten Polizeibeamten – hinzu kamen bei dem Einsatz noch einmal rund 50 Mitarbeiter der jeweiligen Kommunalverwaltungen fündig. Sichergestellt wurden unter anderem Schusswaffen, darunter drei scharfe Waffen, Schlagstöcke, Reizgassprühgeräte, Quarzhandschuhe, Sturmhauben und Schutzschilde. Die Polizei beschlagnahmte auch 52 PCs, zahlreiche Datenträger und 69 Handys. Auch allerlei NS-Devotionalien nahmen die Beamten mit, darunter eine Hitler-Büste sowie Hakenkreuzfahnen. Im „Nationalen Zentrum“ der Dortmunder Neonazis lagerten nach Auskunft der Polizei auch rund 1000 NPD-Plakate. Nach Informationen des „blick nach rechts“ rückten die Ermittler auch beim NPD-Kreisvorsitzenden für Unna und Hamm, Hans Jochen Voß an, der eng mit den „Autonomen Nationalisten“ in Dortmund und Hamm zusammenarbeitet.
Offen ist noch, welche Auswirkungen das Verbot des „Nationalen Widerstands Dortmund“ für die am 1. September in der Ruhrgebietsstadt geplante, alljährliche Demonstration zum „Nationalen Antikriegstag“ hat. Empfindlich treffen dürfte die regionale Szene aber vor allem der Verlust logistischer Möglichkeiten. Das „Nationale Zentrum“ in Dortmund und eine vom Hammer „Kameradschaftsführer“ Sascha Krolzig angemietete Gaststätte in seiner Heimatstadt befinden sich seit heute im Eigentum des Landes. Beide Gebäude dienten der Szene als Treffpunkte, die Räume in Dortmund zudem als logistische Zentrale. Von der Polizei abgeschleppt wurde auch der Bulli der Dortmunder „Kameraden“, der bei vielen Demos der Szene über das Ruhrgebiet hinaus – zuletzt am vorigen Samstag in Koblenz (bnr.de berichtete) – als Lautsprecherfahrzeug diente.
Eventuelles Verbot der „Antikriegstags“-Demonstration
Illusionen, was die Wirksamkeit der Verbote anbelangt, macht sich Dortmunds Polizeipräsident Notbert Wesseler nicht: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Aktivisten weiter machen.“ Allerdings ist die Szene erst einmal empfindlich geschwächt worden. Wesseler spricht von einem „schweren Schlag in die Vereinsstrukturen, das Vermögen und die Logistik“ der Neonazis. Wesseler: „Es wird schwierig sein, diese Strukturen von jetzt auf gleich wieder aufzubauen.“ Er will in den nächsten Tagen prüfen, ob die bei der Razzia gesammelten Erkenntnisse für ein eventuelles Verbot der „Antikriegstags“-Demonstration sprechen könnten.
Ein erster Versuch der Dortmunder Neonazis, gegen das Verbot auf die Straße zu gehen, endete am Donnerstagvormittag rasch. Die Polizei löste die Veranstaltung auf.