„Wutbürger“ und Hools im Westen

Rund 800 Teilnehmer sind zu dem – vorzeitig abgebrochenen – Pegida-Aufzug am Samstag in Wuppertal erschienen, darunter Rechtspopulisten, Neonazis und rechte Hooligans.

Montag, 16. März 2015
Rainer Roeser

Nach nicht einmal einer Dreiviertelstunde war auch schon Schluss mit Lutz Bachmanns erster Visite im Westen der Republik. Vorzeitig beendeten seine „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ am Samstag ihre Veranstaltung im nordrhein-westfälischen Wuppertal. (bnr.de berichtete) Vorausgegangen waren, wie die Polizei berichtete, Gewalttätigkeiten innerhalb der Auftaktkundgebung von Pegida. Den eigentlich vorgesehenen Demozug von Bachmann & Co. untersagte die Polizei daraufhin, was wiederum die Versammlungsleitung dazu veranlasste, die Veranstaltung komplett für beendet zu erklären.

Dabei hatten die selbst ernannten Retter des Abendlandes große Hoffnungen in ihre Wuppertaler Aktion gesetzt. Bundesweit riefen sie zur „Mobilmachung“ auf. Ihre bislang größte Veranstaltung in Westdeutschland sollte es werden. Hilfreich sein sollte bei der Mobilisierung, dass man eines der Feindbilder quasi direkt vor der Nase hatte: Radikale Salafisten hatten in Wuppertal für diesen Tag eine Demo mit einigen der bekanntesten Hasspredigern der Szene für angebliche „Gefangene“ aus den eigenen Reihen angemeldet. Doch auch das zog offenbar nicht: Statt der erwarteten 2000 erschienen nur maximal 800 Pegida-Anhänger.

Hoffnung auf direkte Konfrontation mit Salafisten

Und die, die gekommen waren, stellten überwiegend eher nicht das „wutbürgerliche“ Publikum dar, das Bachmann im heimischen Dresden um sich versammelt. Es bot sich vielmehr das Bild, das man von früheren Pegida-Veranstaltungen in NRW kennt – mit NPDlern, Mitgliedern von Christian Worchs Neonazi-Partei „Die Rechte“ und von „pro NRW“, Republikanern und rechten Hooligans. Vor allem die Hools, die etwa ein Drittel der Teilnehmer stellten und von denen manche erkennbar unter Alkoholeinfluss standen, hatte vor allem die Hoffnung auf eine direkte Konfrontation mit Salafisten angelockt.
 
„Ich begrüße Euch, meine Fußballfreunde!“, hieß Marco Carta-Probach, der Chef der nordrhein-westfälischen Pegida-Filiale, sie von der Bühne herab besonders willkommen und stimmte den Schlachtruf an, den man von Neonazi-Veranstaltungen zur Genüge kennt und in den Hools, „Wutbürger“ und die braune Fraktion im Publikum prompt einfielen: „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“ Bachmann bediente seine Klientel mit populistischen Phrasen.  „Unterdrückt, verraten und verkauft“ würden die Deutschen, wusste er zu berichten. „Sind wir hier noch die Hausherren oder sind wir mittlerweile Gäste und fremd im eigenen Land?“ Schnellstens umdenken müssten die Politiker: „Sonst ist es bald vorbei mit dem süßen Leben im vollgefurzten Beamtensessel.“

Mit einem Auftritt, der mal an einen Sektenprediger, mal an einen Jahrmarktschreier erinnerte, versuchte auch Michael Stürzenberger, Vorsitzender der rechtspopulistischen Kleinpartei „Die Freiheit“, die Stimmung weiter anzuheizen. Doch längst nicht alle hörten ihm noch zu. Hools und Neonazis suchten stattdessen die Auseinandersetzung mit Gegendemonstranten und der Polizei. Feuerwerkskörper und Flaschen flogen. „Wir demonstrieren friedlich!“, rief Carta-Probach. Doch es war längst nicht mehr eine Zustandsbeschreibung, sondern eher ein Appell: „Ich verweise auf das Vermummungsverbot. Das gilt auch für die HoGeSa!“ Appelle freilich haben bei dieser Klientel nur eine begrenzte Wirkung, wie sich zeigen sollte.

„Viele westdeutsche Großstädte hoffnungslos verloren“

Nach dem vorzeitigen Ende der Veranstaltung arbeitet sich Pegida nun vor allem an der Polizei ab und beklagt „staatliche Repressionen und Polizeiwillkür“. NPDler, „Die Rechte“ und Hools haben aber noch weitere Schuldige für die Wuppertaler Pleite ausgemacht: Pegida und insbesondere deren nordrhein-westfälischen Chef. „Pegida-Organisator M. Probach hatte nicht den Mumm das Demorecht durchzusetzen“, schimpfte der NPD-Landesvorsitzende Claus Cremer via Facebook. „Daumen runter an die Pegida-Versammlungsleitung: Ihr habt keine Eier!“, wetterten Wuppertaler Neonazis von „Die Rechte“. Und deren Dortmunder „Kameraden“ befanden, Pegida sei „offenbar mit der Situation überfordert“ gewesen und habe mit der Beendigung der Veranstaltung „kapituliert“.

100 bis 150 Neonazis und rechten Hooligans gelang es nach dem offiziellen Ende der Pegida-Veranstaltung, durch die Polizeisperren zu schlüpfen und eine eigene, kurze „Spontandemo“ auf die Beine zu stellten. „Die Rechte“ feiert den Kleinauflauf: „Pegida kapituliert, der nationale Widerstand marschiert!“ Und Pegida selbst? Am Sonntag veröffentlichten die Abendlandretter einen Beitrag auf ihrer Facebook-Seite, der die Hoffnungen auf eine weitere Westexpansion dämpft: „Man muss akzeptieren lernen, dass viele westdeutsche Großstädte hoffnungslos verloren sind. Verloren an Herzlosigkeit und den rückständigen Islam. Wo soll der Kampfgeist für die eigene Kultur, die Heimat auch herkommen, bei Menschen, die teilweise in dritter Generation von Sozialleistungen des Staates leben, also abgestumpft und abhängig vom Staat sind, wie Junkies von der Nadel?“

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