„Wir sind alle Schweizer“

Das Votum der Eidgenossen gegen den Bau von Minaretten fällt bei der extremen Rechten in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen dürften sich die „pro“-Truppe, die NPD und die Republikaner einen antiislamischen Überbietungswettkampf liefern.

Dienstag, 01. Dezember 2009
Tomas Sager

Von der Schweiz lernen, heißt siegen lernen: Das könnte zum neuen Leitspruch der extremen Rechten in der Bundesrepublik werden. Ihre erfolgsentwöhnten Wortführer blicken neidisch zu den Nachbarn im Süden hinüber. Die hatten am Wochenende mit knapp 58 Prozent der Stimmen dem Bau von Minaretten eine Absage erteilten – aber mit ihrem Votum nicht nur das Minarett an sich gemeint, sondern, wie zu vermuten ist, ganz generell die Position der moslemischen Religion in einer mitteleuropäischen Gesellschaft.

Mit der bewussten Gleichsetzung von Islam und Islamisierung, einer Religion und ihrer fundamentalistischen Überspitzung operiert die Propaganda der sich als „Bürgerbewegung“ gerierenden Partei „pro NRW“. Von daher war ihr Jubel über die Entscheidung der Eidgenossen nur logisch und zu erwarten. Die Schweiz habe „der verhängnisvollen Islamisierung eine deutliche Absage erteilt“, heißt es in einer Erklärung des „pro NRW“- und „pro Köln“-Vorsitzenden Markus Beisicht. Dies sei ein „Dammbruch für ganz Europa“.

Vor allem aber hofft er auf einen „Dammbruch“, der dazu führen könnte, dass es seine Formation, die ihre Ursprünge bei den Republikanern und der Deutschen Liga für Volk und Heimat hat, bei der Landtagswahl im kommenden Mai ins Düsseldorfer Parlament spülen könnte. Die 5,4 Prozent, die „pro Köln“ bei der Kommunalwahl Ende August in Deutschlands viertgrößter Stadt erzielt hatte, stellen zwar das beste Ergebnis einer extrem rechten Formation in einer Großstadt dar – von den 58 Prozent, die die helvetischen Brüder im Geiste von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) erreichten, sind die bisherigen Ergebnisse von „pro NRW“ in Köln und seinem Umland aber doch weit entfernt.

Vor „,politisch unkorrekten’ Tabubrüchen“ nicht zurückschrecken

Die Schweizer Abstimmung habe gezeigt, „dass Kritik an Islamisierung und Überfremdung eben kein gesellschaftliches Randphänomen ist, sondern dass diese Kritik ganz im Gegenteil strukturell mehrheitsfähig in den Völkern Europas ist“, macht sich Beisicht, der seit Jahren das politische Projekt verfolgt, extrem rechten Politikinhalten verhaftet zu bleiben und zugleich als demokratisch „sauber“ erscheinen zu wollen, Mut. „Wir sind mit unseren Themen und Forderungen in der einheimischen Bevölkerung mehrheitsfähig“, meint er.

Ihren Wahlkampf für die Landtagswahl im kommenden Mai wollen Beisichts Rechtspopulisten aus NRW nun erst recht „dezidiert islamkritisch gestalten“. Dabei soll auch „mit PR-Anleihen aus der Schweiz“ gearbeitet und vor „,politisch unkorrekten’ Tabubrüchen“ nicht zurückgeschreckt werden. Gut möglich also, dass jenes Plakat der Schweizer Islamgegner, das zwischen Genf und Graubünden vielfach für Empörung sorgte, demnächst auch – etwas abgewandelt und mit „pro NRW“-Logo versehen – in Nordrhein-Westfalen präsentiert wird. Es zeigt links im Vordergrund eine schwarz verhüllte Frau, deren Augen aus einem schmalen Schlitz schauen und im Hintergrund sieben Minarette in Raketenform, die aus der Landesflagge wachsen. „Pro Köln“ hat das Motiv jetzt schon auf die Startseite seiner Internetpräsenz gestellt – versehen mit dem Hinweis: „Wir alle sind Schweizer!“

„Überfremdungs- und Islamisierungs-Bedrohung“

„Pro NRW“ ist nicht die einzigen Partei rechtsaußen, die sich von dem Schweizer Votum Rückenwind verspricht. Auf der Homepage der DVU meldet sich beispielsweise Autor „AM“ – dabei dürfte es sich um Andreas Molau handeln – zu Wort. Zunächst gibt er den Biedermann: „Als freiheitliche Partei hat die DVU nichts gegen den Islam oder Moslems.“ Doch er legt gleich nach: „Moscheeprunkbauten“ – und offenbar macht jedes Minarett in seinen Augen die Moschee zum „Prunkbau“ – seien „nichts anderes als ein steingewordener Machtanspruch“, dem „wir endlich entgegentreten“ müssten.

„Das Schweizer Abstimmungsergebnis bekräftigt die Republikaner in der Forderung nach einem Verbot des Baus von Minaretten und Großmoscheen auch in Deutschland“, stimmt der Republikaner-Vorsitzende Rolf Schlierer in den Chor ein. Gebete und die Ausübung religiöser Riten seien auch „in einfachen, der örtlichen Bautradition angepassten Gebäuden möglich“, heißt es in einer Pressemitteilung der Republikaner, die offen lässt, ob damit Hinterhof-„Moscheen“ in Stadtquartieren gemeint sind oder leer stehende Fabrikhallen in Industriegebieten.

Und die NPD? Die tat sich bisher schwer in der Frage, ob sie eher auf die antiislamische oder die antisemitische Karte setzen sollte. Parteivize Jürgen Rieger setzte auf Antisemitismus und wollte potenzielle Bündnispartner, als die er Moslems betrachtete, nicht verprellen. Doch Rieger lebt nicht mehr. Ein anderer Vize, der Münchener Stadtrat Karl Richter kündigt schon einmal an, er werde in der bayerischen Landeshauptstadt nach dem „Menetekel“ der Schweizer Volksabstimmung ab sofort noch intensiver für die „Islamisierungs- und Überfremdungs-Bedrohung“ sensibilisieren. Konkreter wird bereits der Ex-Parteivize und NPD-Fraktionschef im sächsischen Landtag, Holger Apfel. Mit einem Minarettverbot, das er „eher als symbolpolitischen Akt“ wertet, sei es nicht getan. Geprüft werden solle ein „generelles Moscheebau-Verbot“. Und damit nicht genug: „Zusätzlich müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die sozialen Brennpunkte in deutschen Großstädten durch konsequente Ausländerrückführung zu entschärfen.“ Das Minarett-Verbot: In der Logik Apfels wäre es nur der Einstieg in eine Politik, die im „Ausländer raus“ gipfelt.

„WIR oder Scharia“

Solche Äußerungen Apfels dürften Michael Schäfer, dem Vorsitzenden der NPD-Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) wohl gefallen. Er setzt voll auf das Thema Anti-Islam und warnt: „Die deutsche Rechte“, womit er wohl vorrangig die eigene Partei meint, „verschläft ihr Kompetenzthema total und überlässt es auch weiterhin pseudo-nationalen Grüppchen, die nicht eine wirkliche Veränderung in unserem Land im Auge haben, sondern nur ihren Platz am Tisch der Etablierten einfordern.“ Die Themen „Überfremdung, Volkstod und Islamisierung“ müsse man „glaubhaft miteinander kombinieren“, fordert JN-Schäfer. Sein Motto: „WIR oder Scharia!“

Solche Parolen könnten im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf des Öfteren zu hören sein. Mit „pro NRW“, den Republikanern und der NPD treten gleich drei extrem rechte Parteien an. Gut möglich, dass sie sich einen antiislamischen Überbietungswettkampf liefern werden.

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