Wie weiter nach dem Urteil im NPD-Verbotsverfahren?

Die NPD wird nicht verboten. Das Bundesverfassungsgericht attestiert der rechtsextremistischen Partei eine grundsätzliche Verfassungsfeindlichkeit, die NPD habe aber nicht die Mittel, ihre Ziele umzusetzen. Damit vermieden die Karlsruher Richter ein politisches Signal – und stellen Zivilgesellschaft und Staat vor neue Herausforderungen.

Dienstag, 17. Januar 2017
Redaktion
Peter Marx und der Prozessbevollmächtigte der NPD, Peter Richter, geben sich vor der Urteilsverkündung zuverichtlich (Foto: Thomas Witzgall)
Peter Marx und der Prozessbevollmächtigte der NPD, Peter Richter, geben sich vor der Urteilsverkündung zuverichtlich (Foto: Thomas Witzgall)
Das heutige Urteil im NPD-Verbotsverfahren bestätigt die langjährige Sichtweise zivilgesellschaftlicher Organisationen und der politischen Wissenschaft. Die NPD vertritt ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept. Sie ist damit verfassungsfeindlich. Die von vielen NPD-Funktionären gebetsmühlenartig vorgetragenen Relativierungen und die Beteuerungen, die Partei stehe auf dem Boden des Grundgesetzes, waren nie für bare Münze zu nehmen. Nun gibt es hierfür den höchstrichterlichen TÜV-Stempel. Die Urteilsbegründung des Zweiten Senats unter Präsident Andreas Voßkuhle hat es in sich. „Sie [die NPD, der Verf.] will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten `Volksgemeinschaft´ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Die NPD arbeitet auch planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele hin“, heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes. Außerdem sei der NPD „eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ zu bescheinigen. Ferner weise die Partei eine „antisemitische Grundhaltung“ auf und mache die demokratische Grundordnung verächtlich, was Parallelen zum Nationalsozialismus zeige. Alleine: Der verfassungsfeindliche Charakter der NPD reicht nach Meinung des Bundesverfassungsgerichtes nicht für ein Verbot der Partei. „Ein Erreichen der verfassungswidrigen Ziele der NPD mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen demokratischen Mitteln erscheint ausgeschlossen“, stellt Karlsruhe fest. Im parlamentarischen Bereich verfüge die NPD weder über die Aussicht, bei Wahlen eigene Mehrheiten zu gewinnen, noch über die Option, sich durch die Beteiligung an Koalitionen eigene Gestaltungsspielräume zu verschaffen. Auch durch die Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung mit demokratischen Mitteln außerhalb des parlamentarischen Handelns habe „die NPD in absehbarer Zeit keine Möglichkeit ihre verfassungsfeindlichen Ziele erfolgreich zu verfolgen“. Vielmehr, so die Kammer weiter, „stehen einer nachhaltigen Beeinflussung der außerparlamentarischen politischen Willensbildung durch die NPD deren niedriger und tendenziell rückläufiger Organisationsgrad sowie ihre eingeschränkte Kampagnenfähigkeit und geringe Wirkkraft in die Gesellschaft entgegen“. Was bedeutet das Urteil? Die NPD fühlt sich fortan – zurecht – unverbietbar. In den Sozialen Medien ist der Jubel unter Szeneangehörigen groß. Die Latte sei für ein mögliches juristisches Vorgehen gegen weitere Parteien dieses Spektrums, etwa dem Dritten Weg und Der Rechten „hoch gelegt“, jubelt der Neonazi Dieter Riefling. Gleichzeitig hat es das Bundesverfassungsgericht versäumt, eine „rote Linie“ zu markieren, die für diese Organisationen, aber auch für die sich seit einiger Zeit radikalisierende AfD, deutlich macht: Bis hierhin und nicht weiter. Natürlich wird die NPD-Parteispitze ihren Erfolg propagandistisch breit ausschlachten. Profitieren wird die Partei davon wahrscheinlich aber nicht. Durch die Umstrukturierung des rechten und extrem rechten Milieus ist der Einfluss der NPD gesunken. Sie ist nicht mehr das „Gravitationszentrum“ des Rechtsextremismus. Während sie auf der Straße neue Neonazi-Parteien wie Der Dritte Weg oder Die Rechte bzw. neue Organisationsformen wie Pegida und die Identitäre Bewegung (IB) unter Druck setzen, hat ihr die AfD an der Wahlurne längst den Rang abgelaufen. Die veränderte Situation wird die zivilgesellschaftliche und staatliche Auseinandersetzung jedenfalls vor neue Herausforderungen stellen. 
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