Wie weit rechts steht die AfD?

Die AfD - eine (rechts-)extremistische Partei? Eine Einschätzung aus der Perspektive der politikwissenschaftlichen Extremismustheorie.

Teil I.:

Auseinandersetzung mit den Argumenten, die (scheinbar) dagegen sprechen.

Donnerstag, 22. März 2018
Armin Pfahl-Traughber

Dass die „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine „rechte“ Partei ist, sieht sie auch selbst so. Doch sagt diese Bezeichnung nur wenig über deren genaue Positionierung aus. Häufig ist dann vom „Rechtspopulismus“ die Rede, wobei unklar bleibt, was genau mit „Populismus“ gemeint ist. Die Frage, ob es sich bei der AfD nicht auch um eine rechtsextremistische Partei handelt, wird demgegenüber kaum erörtert. Selbst Kritiker vermeiden eine Kontroverse darüber, um nicht mit einer verneinenden Antwort eine Aufwertung der Partei zu forcieren. Doch können auch gute Argumente für eine bejahende Antwort vorgetragen werden. In den folgenden Ausführungen wird die AfD als eine (rechts-) extremistische Partei, zwar eher niedrigen Intensitätsgrads, aber eben als sehr wohl extremistisch angesehen. Zur Begründung für diese Einschätzung sollen sowohl Argumente für diese Sicht vorgetragen, als auch Kritik an gegenteiligen Einwänden formuliert werden.

Eine erstes Gegenargument lautet: „Die AfD bekennt sich zum Grundgesetz und zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“ Diese Feststellung ist zwar für sich allein richtig, sagt aber nichts über die inhaltliche Glaubwürdigkeit. Denn angesichts einer gesellschaftlich breiten Akzeptanz des Grundgesetzes wäre eine offene Frontstellung gegen dieses ein taktischer Fehler. Insofern haben sich auch rechtsextremistische Parteien in der Vergangenheit offiziell sowohl zu ihm wie zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekannt. Die DVU und die Republikaner wären Beispiele dafür. Selbst die neonazistisch dominierte Partei „Die Rechte“ nahm eine entsprechende Bekundung in ihrem Programm vor. Derartige „Lippenbekenntnisse“ müssen demnach gar nichts sagen, es kommt auf die jeweilige Einstellung zu den konstitutiven Normen und Regeln für eine moderne Demokratie und eine offene Gesellschaft an.

Nicht jeder Rechtsextremist ist ein Nationalsozialist

Ein zweites Gegenargument lautet: „Die AfD beruft sich nicht auf den historischen Nationalsozialismus und distanziert sich von der NPD und der Neonazi-Szene“. Dem ist als politisches Bekenntnis in einem formalen Sinne durchaus so. Dabei gilt es aber zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Der historische Nationalsozialismus ist gesamtgesellschaftlich weitgehend diskreditiert, was eben auch für dessen offene Anhänger im heutigen Rechtsextremismus zutrifft. Insofern wäre es ein taktischer Fehler, sich in diese Richtung offen politisch zu bekennen. Als weitaus bedeutsamer kann indessen gelten: Zwar ist jeder Nationalsozialist ein Rechtsextremist, aber nicht jeder Rechtsextremist ein Nationalsozialist. Es gibt durchaus auch andere ideologische Bezüge, womit politisch „Rechte“ die Grundlagen moderner Demokratie und offener Gesellschaft ablehnen können. Dafür stehen etwa die Anhänger eines extremistischen Konservativismus.

Ein drittes Gegenargument lautet: „Die AfD-Führungskräfte kommen nicht aus bekannten rechtsextremistischen Organisationen“. Dem ist tatsächlich so, lassen sich doch mit Ausnahmen für das Spitzenpersonal der Partei keine einschlägigen politischen Vergangenheiten nachweisen. Mitunter entstammen deren Angehörige sogar demokratischen Organisationen. Indessen bedeutet eine solche frühere Angehörigkeit nicht auch noch eine entsprechende gegenwärtige politische Orientierung. Es kann sich sehr wohl ein Demokrat zu einem Extremisten wandeln wie ein Extremist zu einem Demokraten. Immerhin existieren genügend Fälle, wo frühere Bundesbeamte im Ruhestand auf einmal erstaunliche politische Nähen entwickelten. Darüber hinaus können auch als demokratische Konservative geltende Personen dubiose Verbindungen haben. Der AfD-Vorsitzende Gauland schrieb auch während seiner CDU-Zeit in „Criticon“ mit extremistischen Konservativen zusammen.

Parlamentseinzug macht keine demokratische Partei

Ein viertes Gegenargument lautet: „Die AfD ist eine demokratisch legitimierte Partei, wurde sie doch in den Bundestag- und viele Landtage gewählt.“ Dem ist tatsächlich so, nur hat das Eine nichts mit dem Anderen zu tun. Die demokratische Ausrichtung und die demokratische Legitimation eines politischen Protagonisten liegen auf unterschiedlichen Ebenen. So wurde beispielsweise auch die NSDAP sehr wohl demokratisch in den Reichstag gewählt, was sie aber nicht zu einer auch inhaltlich demokratischen Partei machte. Gleiches gilt für die NPD, konnte sie doch ab dem Jahr 2004 zweimal hintereinander in zwei Landtage einziehen, wodurch sie aber ebenfalls keine demokratische Partei wurde. Es mag sein, dass es politisch oder sozial schwerer fällt, eine Parlamentspartei als extremistisch anzusehen. Doch ist dies problemlos möglich: Die Aussagen zur inhaltlichen Ausrichtung der Partei bewegen sich auf einer anderen Ebene als die Aussagen zu ihrer politischen Legitimation.

Ein fünftes Gegenargument lautet: „Die AfD nimmt lediglich einen leer gewordenen Platz rechts von der Mitte ein und artikuliert legitime Kritik an den Folgen der Flüchtlingspolitik“. An derartigen Aussagen ist richtig, dass es sehr wohl im Meinungs- wie im Parteienspektrum einen Platz für eine demokratische Rechte geben würde. Es muss ganz klar betont werden: Eine „rechte“ Auffassung muss nicht immer extremistisch sein. Auch ist es legitim, die bestehenden Probleme, die sowohl mit der Flüchtlingspolitik wie der multikulturellen Gesellschaft verbunden sind, klar zu benennen. Doch, wenn dann über eine entsprechende Agitation eine Feindbildprojektion erfolgt, wobei die Angehörigen von bestimmten ethnisch definierten Gruppen als gefährlich oder minderwertig wahrgenommen werden, geht es nicht mehr um konstruktive Hinweise auf soziale Probleme. Derartige Emotionalisierungen und Pauschalisierungen laufen auf eine extremistische Fremdenfeindlichkeit hinaus.

Gemäßigte Führungsfiguren kooperieren mit dem äußerst rechten Flügel

Und ein sechstes Gegenargument lautet: „Die AfD wird sich im Laufe der Zeit als Partei mäßigen wie dies eben auch bei den Grünen in der Vergangenheit der Fall war“. Tatsächlich hatten im Laufe der 1980er Jahre in der Ökopartei noch einige frühere Angehörige maoistischer Kleinparteien viel zu sagen. Sie bekannten sich aber fortan zu den Grundprinzipien eines demokratischen Rechtsstaates oder verließen aus Protest gegen die Mäßigung der „Grünen“ die Partei. Bei der AfD lässt sich indessen ein genau umgekehrter Entwicklungsprozess beobachten:  Die gemäßigten Kräfte um den Parteimitbegründer Bernd Lucke verließen die AfD und bezeichneten sie fortan sogar als „NPD-light“ (Henkel). Währenddessen rückte die Partei immer weiter nach rechts. Gleichzeitig gewann der äußere rechte Flügel dabei an Bedeutung. Die als noch gemäßigt geltenden Führungsfiguren kooperieren mit eben diesem Flügel der „rechten“ Partei problemlos.

Im Teil II., der am morgigen Freitag erscheint, werden die Gründe aufgezeigt, warum die AfD als extremistische Partei angesehen werden kann. 

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