Wettergott und Blockade beeinträchtigen Neonazi-Demonstration in Plauen

Eher kleines Transparent einer Neonazi-Kameradschaft; Foto: Thomas Witzgall
Zuerst erschienen bei ENDSTATION RECHTS.-Bayern
„Glücksgriff“ Plauen
Etwa 3,2 Kilometer war die Strecke lang, die etwa 600 Neonazis am 1. Mai zur traditionellen „Arbeiterkampfdemonstration“ des „Freien Netz Süd“ (FNS) zurücklegten. Nach den Städten Hof und Würzburg hatten die Kader des neonazistischen Kameradschaftsnetzwerkes die Demonstration ins sächsische Plauen verlegt. Die Wahl dürfte auf die Stadt gefallen sein, weil die lokalen Aktiven sich dafür aussprachen, auch „mal dran zu sein“. Erleichtert wurde dies durch die Entlassung der lokalen Führungsfigur Tony Gentsch, der seit Mai letzten Jahres nach einer Haftstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung wieder auf freiem Fuß ist. Die Wahl erwies sich für die Organisatoren auch als Glücksgriff, denn sowohl die NPD in Sachsen als auch in Thüringen verzichteten mit Blick auf die nahen Wahlen auf die martialisch und bürgerverschreckenden Demonstrationen. Wer aus der freien Szene im Umkreis von mehreren Hundert Kilometern einen aktionistischen 1. Mai verbringen wollte, musste nach Plauen.
Die Demonstration war in zwei Blöcke geteilt. Vorne im Fahnenblock durften die Teilnehmer marschieren, die sich ein rotes Kampagnenshirt gekauft hatten. Hinter dem Lautsprecherfahrzeug mit Ebersberger Kennzeichen sollten sich dann alle „bunten“ Teilnehmer einordnen, meist neue Gesichter, ohne FNS-Bezug und ohne rotes T-Shirt. Diese „Neuen“ waren es, die die Demonstration gegenüber den Vorjahren deutlich vergrößerten. Der Demonstrationszug hätte noch größer sein können, hätte nicht die tschechische Neonazi-Szene am gleichen Tag in Ústí nad Labem in Nordböhmen einen eigenen Aufmarsch durchgeführt. Statt der Tschechen nahm ein Kontingent Ungarn an dem Aufmarsch teil.
Verhagelte Zwischenkundgebung und Blockade
Weniger Glück hatten die Neonazis zunächst mit dem Wetter. Gewitter mit Starkregen und Hagel prägte die erste Zwischenkundgebung am Albertplatz. Neonazi Matthias Fischer wollte darin zunächst ein Zeichen eines germanischen Gottes sehen und hielt dann schützend den Schirm über den Redner Tony Gentsch. Eigentlich war für den Ort auch noch die Rede des Schweizer Neonazis Philippe Eglin geplant. Sie wurde auf die nächste Kundgebung verschoben, kam dann aber früher als von den Organisatoren geplant.
Trotz schlagartig wieder besserem Wetter kam der Zug nur wenige Meter voran. In der Kaiserstraße hatten Gegendemonstranten die Strecke blockiert. Die Polizei hatte den Demozug deshalb noch in der August-Bebel-Straße angehalten. Auf Seiten des FNS war man auf die Situation offenbar nicht vorbereitet, nur die Trommler traktierten noch ihre Schlaginstrumente, um dann aber auch zu verstummen. Notgedrungen zog man die Rede Eglins vor. Durch die Häuserschluchten ging es dann weiter. Fischer nannte es mit Galgenhumor die „schönere Strecke“, die man dank der Blockade gehen durfte.
Unverhohlen neonazistische Inhalte
Die Demonstration stand unter dem Motto „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“. Diese Parole wurde unterwegs rassistisch ausgefüllt. Man forderte einen „nationalen Sozialismus“ und „Alles für Volk, Rasse und Nation“. Viele Teilnehmer trugen auch wieder das Kampagnenshirt von 2013, dessen Motiv aus einem NSDAP-Plakat herauskopiert wurde. Auch einen Neonazi mit der Aufschrift „Ausschließlich Hitler“ auf dem Shirt ließ man von Seiten der Polizei gewähren.
Eglin griff in seiner Rede tief in die völkische und antisemitische Kiste. Die Bundesrepublik befände sich immer noch im Kriegszustand und hätte keine Verfassung. Sie hätte zudem nur 65 Prozent der Größe, „die Deutschland eigentlich zusteht“. Deutschland würde heute nicht mehr „mit Waffengewalt geknechtet, sondern mit der Wirtschaft.“ Eine kleine Clique würde die Welt regieren. Ihre Waffen wären „Zins und Zinseszins“, zudem sollten Deutsche auf Gebiete wie „Preußen, Schlesien, Pommern oder Südtirol“ nie verzichten. Eine Freundschaft mit Staaten wie Polen wäre nicht umsetzbar, „aber zurzeit müssten alle Europäer zusammenstehen, um die internationale Hochfinanz aus Europa zu werfen.“
Auch beklagte er die geringen Geburtenzahlen „deutscher“ – und somit rassisch passender – Kinder“. Der Bauch gehöre nicht den Frauen, sondern ihre Vagina diene der Zukunft der deutschen Kinder. Sich selber sah der Schweizer nicht als Ausländer an.
Bei der Zwischenkundgebung in der Martin-Luther-Straße kam auch Klaus Armstroff, Parteivorsitzender der Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ zu Wort. Die Kundgebung wurde optisch von der Partei dominiert, die zur Ersatzorganisation für die Kameradschaftsaktivisten des FNS geworden ist. Armstroff forderte einen „deutschen Sozialismus völkischer Prägung“. Sonst blieb der Kommunalpolitiker weitgehend blass. Es verstärkt sich der Eindruck, dass er vor allem Vorsitzender wurde, um den Sitz der Partei außerhalb der Zuständigkeit des bayerischen Innenministers anzusiedeln.
Der Finne Paavo Laitinen, der seine Rede auf Englisch hielt und die dann ins Deutsche übersetzt wurde, sprach von einem Tag der „white european labor“. Er beklagte, dass der Feiertag in Finnland zu einem Tag der linken Studenten verkommen sei, die den Tag vornehmlich zum „selbstsüchtigen Drogenkonsum“ nützen würden. Er befürchtete die „Vernichtung des weißen Menschentums“.
Ausbreitung der Partei „Der Dritte Weg“ ins Vogtland angekündigt
Tony Gentsch, der bei seiner zweiten Ansprache diesmal trocken blieb, kündigte an, die Aktivitäten der Partei „Der Dritte Weg“ im Vogtland auszubauen. Momentan werde die Region vom „Stützpunkt Hof / Vogtland“ mit betreut. Ziel sei aber, so der Neonazi mit Hammerskin-Tattoo im Nacken, ein eigener Stützpunkt im Raum Plauen. Der könnte dann wohl gut die Aktiven der Kameradschaft „Ring nationaler Jugend“ (RNJ) Vogtland aufnehmen, die sich selbst aus Angst vor einem angeblichen Verbot aufgelöst haben will. Die Banner mit dem Logo wurden aber auch noch nach der angeblichen Auflösung auf Demos gesehen und auch in Plauen wurde eines mitgeführt. Einer der maßgeblichen Aktivisten der RNJ, Rico Döhler, sprach am Ende der Demonstration auf einem abgelegenen Platz in der Max-Planck-Straße. Nach einem weiteren Redner aus Thüringen beendete man kurz vor 17 Uhr die Veranstaltung. Unterwegs wurde noch versucht, Flyer an die wenigen Bürger zu verteilen, die die sonst meist leeren Straßen säumten. Der Absatz hielt sich wohl so in Grenzen, dass Norman Kempken, einer der Hauptorganisatoren, selbst Hand anlegte und unterwegs Briefkästen befüllte, die sich dagegen ja nicht wehren konnten.
Gefreut haben dürfte die Neonazis nicht nur die steigende Teilnehmerzahl in den eigenen Reihen, sondern auch das Vorgehen der Polizei gegen ihre Gegner. Wie der MDR berichtet, hielt die Polizei die Teilnehmer und Umstehende der Blockade über Stunden fest, um die Personalien festzustellen. Auch gegen Menschen, die sich vor dem Regen in die Pauluskirche geflüchtet hatten, sei die Polizei vorgegangen, schreibt Pressefotograf Markus Roider. Bei der Räumung seien Menschen durch die Polizei von der Treppe gestoßen worden.
SPD-Fraktionschef Martin Dulig kritisierte ebenso wie die Grünen den Einsatz der Polizei gegen die Neonazi-Gegner als unverhältnismäßig und forderten Aufklärung.
Gerade Kirchen seien immer noch ein geschützter Ort, so Dulig, der auch eine Entschuldigung der Verantwortlichen für den Polizeieinsatz gegenüber der Kirchengemeinde verlangte.
Kategorien