Sebastian Richter
Wenn der Neonazi auf Kleinanzeigen zu Eltern-Kind-Tagen einlädt
Jahrelang war Sebastian Richter Vorsitzender der „Jungen Nationalisten“, der Jugendorganisation der „Heimat“. Jetzt tritt der Neonazi wieder vermehrt auf, bildet rechte Nachwuchskräfte im Bereich Kampfsport aus – und lädt zu „unpolitischen“ Eltern-Kind-Tagen ein.
„Ob Vater-Sohn, Mutter-Tochter usw… Es tut uns allen gut, den Alltag mal hinter uns zu lassen, und als Eltern Zeit mit unserem Nachwuchs draußen in der Natur zu verbringen“ – mit diesem unverfänglich wirkenden Zeilen wird auf Kleinanzeigen aktuell für einen „Eltern-Kind-Tag“ am morgigen Sonnabend geworben.
Es gehe darum, heißt es weiter, den „Alltag mal hinter uns zu lassen“. Ergänzt wird der Outdoortag von idyllischen Fotos, die Sebastian Richter beim Sonnenuntergang im Wald zeigen, neben ihm sitzen zwei kleine Kinder, bei denen es sich vermutlich um die des völkischen Aktivisten handeln dürfte, am Feuer.
„Unpolitische“ Eltern-Kind-Tage
Erst am Ende wird eine Internetseite angegeben, unter dem Label „Wulfstied“ wirbt Richter dort seit einigen Monaten für „Krisenvorsorge, Waldleben & Selbstverteidigung“ und bietet eine Vielzahl von Veranstaltungen an. Neuerdings kann man dort im „Netzladen“ auch „Kontaktkampf“-Pullis erwerben oder auch Bilder mit Aufschriften wie „Erziehe Krieger, keine Opfer“.
Richter hat die Schlagzahl „unpolitischer“ Outdoor- und vor allem Kampfsport-Veranstaltungen in den letzten Monaten deutlich erhöht. Sie reichen von Schnupperkursen in Selbstverteidigung, über Krav-Maga-Techniken bis hin zu jenen Eltern-Kind-Tagen. Dass der Trainer aus der völkischen Neonazi-Szene stammt, dürften die meisten Teilnehmenden wohl nicht auf dem Schirm haben.
Gewaltbereite JN
In einer vor mehreren Jahren veröffentlichten internen Publikation der Heimat-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN, früher „Junge Nationaldemokraten“) heißt es, dass Richter bereits seit seinem neunten Lebensjahr Kampfsport betreibe und in „vielen JN-Gruppen aus Ausbilder für Selbstverteidigung bekannt“ sei.
In der Tat: Richter tritt auch gleichzeitig als Trainer bei mehreren JN-Veranstaltungen auf – quer durch die Republik. Fotos der konspirativ organisierten Szene-Events dienen dem Kampfsportler so als Bebilderung seines Internetauftritts. Auch bei der JN soll es offiziell nur um Selbstverteidigung gehen. Dass der Begriff in der rechtsextremen Szene sehr dehnbar ist und die dort erlangten Kenntnisse mitunter auch für Angriffe auf politische Gegner genutzt werden, dürfte kaum überraschen. So sollen zwei der jungen Täter, die den SPD-Politiker Matthias Ecke im Mai vergangenen Jahres brutal attackierten und schwer verletzten, aus dem Umfeld der „Elblandrevolte“ stammen, des sächsischen Ablegers der JN.
HDJ-Vergangenheit
Ein Blick in die Biographie Sebastian Richters zeigt dessen völkische Prägung deutlich auf. Bereits in frühen Jahren war er bei der HDJ aktiv, bevor die „Heimattreue deutsche Jugend“ 2009 verboten wurde. Das Konzept der HDJ ziele darauf ab, „Freizeitangebote für Familien und Kinder anzubieten, welche der Verbreitung antisemitischer und völkischer Ideologie dienen“, hieß es kurz zuvor in einem Antrag im Bundestag, der auf die Prüfung eines Verbots abzielte. So sollten bereits Kleinstkinder aber auch Jugendliche in Aktivitäten eingebunden und somit nach Familiengründung ein Ausscheiden aus der rechtsextremistischen Szene verhindert werden.
Richter und seine Gesinnungsgenossen setzten ihre Aktivitäten nach dem Verbot fort, jedoch ohne sich juristisch angreifbar zu machen. „Sehr unauffällig bietet ein `Norddeutscher Baumdienst´ Erlebniswochenenden und Abenteuer in `niedersächsischen Wäldern´ mit `Notvorsorge und Krisenmeisterung´ und `Führung von Gruppen´ an. Inhaber des „Norddeutschen Baumdienstes“: Sebastian Richter. „Das alles klingt sehr nach den Aktivitäten der verfassungsfeindlichen Blut- und Boden-Fans der HDJ“, schrieb Andrea Röpke nur vier Jahre nach dem Verbot. „Gleichwohl müssen wir begreifen, dass wir nach außen hin moderat und zeitgemäß agieren müssen“, sagte Richter selbst auf einer Veranstaltung der damaligen NPD.
Aktivist und Kampfsportler
Vor vielen Jahren zog Richter in die 200-Seelen-Gemeinde Groß Krams im Südwesten Mecklenburg-Vorpommerns und folgte damit etlichen NPD-Kadern wie Udo Pastörs oder Stefan Köster, die sich in der Region niederließen. Seitdem baut der umtriebige Aktivist sein Netzwerk immer weiter aus, ist gut vernetzt in der Region und mit einem weiteren Rechtsextremisten Gemeindevertreter in Groß Krams. Gleichzeitig fungiert Richter beispielsweise auf Demos des rechten Bündnisses „Ludwigslust steht auf“ als Redner oder kandidierte im vergangenen Jahr – wenn auch erfolglos – für die „Wählergruppe Heimat und Identität“ für den Kreistag.
Und so wird der umtriebige Aktivist, Unternehmer, Gemeindevertreter und Kampfsportler wohl auch in Zukunft versuchen, – wie er selbst sagt – moderat aufzutreten, um seine völkische Ideologie zunehmend auch in unpolitische Kreise zu tragen.