Weniger Pegida, mehr Neonazis

Die Teilnehmerzahlen bei dem sechsten „Merkel muss weg“-Aufmarsch in Berlin sind massiv eingebrochen. Kaum noch „bürgerliche“, sondern eindeutig rechtsextreme Besucher erschienen.

Montag, 03. Juli 2017
Theo Schneider

Alles fiel dieses Mal deutlich kleiner aus, als sich zum mittlerweile sechsten Mal hunderte Flüchtlingsfeinde und Neonazis zum Aufmarsch unter dem Motto „Merkel muss weg“ am Vorplatz des Berliner Hauptbahnhofs versammelten. Nicht einmal 500 Rechte kamen diesmal zusammen. Zum Auftakt im März 2016 überraschte die Veranstaltung noch mit 3000 Teilnehmern (bnr.de berichtete), war aber bei den Folgeversammlungen mit kontinuierlich sinkenden Besucherzahlen konfrontiert. Der vergangene Samstag sollte nun einen neuen Tiefpunkt darstellen.

Denn nicht nur die Teilnehmerzahlen waren drastisch gesunken, auch der Lautsprecherwagen war statt eines LKWs lediglich ein kleiner PKW. Laut Mitorganisator Ignaz Bearth aus der Schweiz hatte die Polizei wegen technischer Mängel den Sattelschlepper kurz zuvor nicht zugelassen. Bei der überschaubaren Menge fiel das allerdings nicht mehr groß ins Gewicht, zumal die Hälfte der angekündigten Redner nicht einmal erschienen war.

Mehrere angekündigte Redner fehlten

Lediglich Bearth, Amy Bianca aus Österreich sowie Kay Hönicke hielten Reden. Während des Aufzuges zum Checkpoint Charlie in Berlin beschallte zudem der Neonazi Alexander Kurth („Thügida“) mit einem Dauerprogramm. Trotz ihrer Ankündigung als Redner im Vorfeld fehlten Viktor Seibel, Lilly Steup und Rechts-Rapper Patrick Killat (bekannt als „Villain051“) sogar als Teilnehmer. Organisator Enrico Stubbe von „Wir für Deutschland“ verzichtete ebenfalls auf seinen Redebeitrag.

Auch die Zusammensetzung des Aufzugs folgt weiter dem Trend. Kaum noch sich bürgerlich gebende Teilnehmer, immer weniger flüchtlingsfeindliche Initiativen aus Ostdeutschland oder Pegida-Ableger waren präsent, sondern überwiegend Neonazis, zum Teil aus Kameradschafts-Strukturen wie von der „Sektion Nordland“ oder der NPD dominierten das Bild. Viele Kleidungsstücke gaben Zeugnis von der entsprechenden Gesinnung der Teilnehmer. Knapp 20 Anhänger des „Antikapitalistischen Kollektivs“ (AKK) aus Mecklenburg-Vorpommern versuchten sogar, eine Art schwarzen Block zu bilden. Zudem waren auch diesmal mehrere Putin-Fans und Russland-Fahnen sichtbar präsent.

Hitlergrüße unter den Teilnehmern

Erneut ist die geringe Zahl Berliner Rechtsextremisten auffällig, nur noch vereinzelte Protagonisten wie Rene Uttke, ehemaliger Anmelder flüchtlingsfeindlicher Montagsdemos in Marzahn, oder Jens Irgang, Vorsitzender der NPD-Neukölln, waren zu sehen.

Insofern überraschen Schilderungen von mehreren Beobachtern auf Twitter von Hitlergrüßen unter den Teilnehmern kaum, ein Journalist soll aus dem Aufzug heraus als „Scheiß Jude“ beschimpft worden sein. Die Polizei zog mindestens einen Teilnehmer aus der rechten Demo heraus.

Rechte Protestreihe läuft sich tot

Die sinkende Resonanz hatte sich bereits im Vorfeld abgezeichnet: So war zu beobachten, „dass die Verbreitung der Veranstaltung in sozialen Netzwerken noch nie so gering war, wie vor dem aktuell bevorstehenden Aufzug“, schrieb die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR) Tage zuvor in einer Einschätzung. Sie prognostizierte schon einen Rückgang der Teilnehmerzahlen dabei.

Offensichtlich läuft sich die rechte Protestreihe langsam aber sicher tot. Wie die Organisatoren damit umgehen werden, bleibt noch offen, sind doch bereits jetzt Aufzüge für 2018 angekündigt. Allerdings nicht mehr unter dem Motto „Merkel muss weg“, sondern mit der Losung „Dexit jetzt“.

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