Weichenstellungen
Vor dem Bamberger Programmparteitag will die NPD Geschlossenheit zeigen – gemäß dem „Kampf um den organisierten Willen“ möglichst breite Teile der extremen Rechten, unter Einschluss der DVU, in ihren Reihen bündeln.
So ruhig ging es im Vorfeld eines NPD-Bundesparteitags lange nicht mehr vonstatten. Ganz anders als vor einem Jahr, als sich monatelang die unterschiedlichen Flügel und Spitzenkräfte der Partei beharkt hatten. Ein Programmparteitag soll es werden, wenn sich am Freitag und Samstag die Delegierten der NPD unter dem Motto „Arbeit – Familie – Vaterland“ in Bamberg treffen. Konfliktträchtige Wahlen, die zuletzt im Mai 2009 den Parteitag in Berlin bestimmt hatten, stehen diesmal nicht auf der Tagesordnung.
Und doch sind wichtige Weichenstellungen zu treffen. Dabei geht es weniger um das neue Parteiprogramm, das beschlossen werden soll und dessen Entwurf keine Überraschungen enthält. Statt dessen geht es wieder einmal um das, was die NPD als „Kampf um den organisierten Willen“ bezeichnet: um den Versuch der NPD, möglichst breite Teile der extremen Rechten in ihren Reihen zu bündeln. Als Gast in Bamberg angekündigt ist der DVU-Vorsitzende Matthias Faust. Voigt und er wollen vor Beginn des Parteitags in einer Pressekonferenz ihr Projekt einer Fusion beider Parteien vorstellen.
Faust muss um sein Amt fürchten
Dabei sind die ganz praktischen Zweifel an der Realisierbarkeit einer Fusion weniger auf Seiten der NPD zu finden. Faust hat es mit einer internen Opposition rund um den niedersächsischen Landesvorsitzendem Hans-Gerd Wiechmann – und unterstützt durch den „parteifreien“ Neonazi Christian Worch – zu tun, die partout jeden Gedanken an eine Fusion zum jetzigen Zeitpunkt ablehnt.
Und jene Opposition wächst. Erst heute wurde bekannt, dass der DVU-Landesverband Nordrhein-Westfalen den Ausschluss des Bundesvorsitzenden betreibt. Aber selbst wenn Faust Mitglied und im Amt bliebe, bräuchte er laut Satzung einen Beschluss eines Bundesparteitags und die Mehrheit in einer Urabstimmung aller DVU-Mitglieder, um zu einer Fusion gelangen zu können. Einen Parteitag einzuberufen, dürfte aktuell für ihn aber ein höchst heikles Unterfangen sein, müsste er doch sogar spätestens dann um sein Amt fürchten.
NPD würde durch die Fusion kaum etwas gewinnen
Etwas überraschend ist es schon, dass Voigt gerade jetzt das Fusionsprojekt auf den Tisch bringt. Seit dem Berliner Parteitag, als Faust schon einmal bei der NPD zu Gast war, hat sich einiges getan: die Pleite der DVU bei der Europawahl im vorigen Sommer verbunden mit einem weiteren Verfall der Partei, die Aufkündigung des „Deutschland-Paktes“, der die Wahlteilnahmen beider Parteien regelte, durch die NPD, das Gegeneinander bei der Landtagswahl in Brandenburg und der bewusste Versuch der DVU, durch einen von vornherein aussichts- und hoffnungslosen Antritt bei der Bundestagswahl der NPD zu schaden. Schroffste Kommentare beiderseits verdarben das Klima.
Zugleich würde die NPD kaum etwas gewinnen durch eine Fusion: Die Mitgliederzahl der DVU befindet sich im steten Sinkflug; finanziell hat die von der Hand in den Mund lebende Partei kaum etwas anderes als Schulden beizusteuern; das für die NPD brauchbare Funktionärspotenzial in den Reihen der „Volksunion“ hält sich in engen Grenzen. Bliebe letztlich die Symbolik, etwas für die „Einheit“ der bundesdeutschen Rechten getan zu haben.
Hilf- und Perspektivlosigkeit des NS-Flügels
Erweisen muss sich in Bamberg, ob jene weitere Radikalisierung, die in der Folge des Berliner Parteitags eintrat, nur eine kurze Zwischenetappe in der Geschichte der NPD war. Nach Voigts Wiederwahl und nach dem Ausscheiden des vormaligen stellvertretenden Vorsitzenden Holger Apfel vor einem Jahr war diese stärker neonazistische Orientierung vor allem durch den neu gewählten Parteivize Jürgen Rieger befördert worden.
Nach Riegers Tod und nach den Niederlagen bei der Bundestagswahl, aber auch bei der Landtagswahl in Brandenburg folgte aber eine Phase der vorsichtigen Wiederannäherung zwischen Voigt und Apfel. Der offen neonationalsozialistische Flügel war – abgesehen von Thorsten Heise, der über die „Speichellecker“ in Dresden herzog – verstummt. „Nicht wir haben uns auf die bürgerliche Mitte hin zu bewegen, sondern diese wird sich uns annähern, wenn die Umstände ihr keine andere Wahl mehr lässt und wir aus eigener Kraft stark genug sein werden“, hatte Heise damals in einem Interview gesagt und damit die ganze Hilf- und Perspektivlosigkeit des NS-Flügels offenbart. Die Kräfteverhältnisse innerhalb der NPD scheinen sich wieder in Richtung der sich als „politikfähig“ verstehenden Kräfte rund um den sächsischen Fraktionschef Apfel verschoben zu haben.
„Die soziale Heimatpartei“
Dabei existiert die gemeinsame Front von Apfel und seinem Schweriner Amtskollegen Udo Pastörs, in der es schon vor einem Jahr erste Risse gab, heute nicht mehr. Apfel beispielsweise wirkte Anfang des Jahres in jener Strategiekommission mit, die der Partei unter anderem empfahl, sich mehr an „Gegenwartsfragen“ zu orientieren und sich künftig im Untertitel des Parteinamens nicht mehr als „Die Nationalen“, sondern als „Die soziale Heimatpartei“ zu bezeichnen. Pastörs war bei dem Treffen nicht zugegen, weil er offenbar gar nicht erst eingeladen worden war.
Er und seine nordostdeutschen Kameraden scheinen wenig davon zu halten, dass die NPD den neuen Untertitel, den die österreichische FPÖ erfolgreich ins politische Geschäft einführte und den neben REP, DVU und „pro NRW“ die sächsische NPD später für sich in Anspruch nahm, nun auch in ihrer Satzung festschreiben will. Den unter anderem vom Bundesvorstand eingebrachten entsprechenden Vorschlag konterte der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern mit einem eigenen Antrag: Nicht „Die soziale Heimatpartei“ soll die NPD sein. Statt dessen soll sie den Namen „Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) – für Familie, Volk und Heimat“ tragen.
Auch bei der Beratung des Programmentwurfs, den Uwe Meenen als Leiter der Programmkommission verantwortet, zeigt sich eine unterschiedliche Herangehensweise zwischen den einst gegen Voigt verbündeten Landesverbänden. Pastörs Verband legt einen eigenen Entwurf vor – wenngleich er in weiten Passagen deckungsgleich ist mit dem Vorstandsentwurf. Die Sachsen haben sich nicht die Mühe gemacht, einen eigenen Text zu schreiben, bringen aber immerhin knapp 110 Änderungsanträge ein.
Strittiges Verhältnis zu den „Autonomen Nationalisten“
Bleiben einige Standardthemen, mit denen sich die Delegierten seit Jahren regelmäßig zu beschäftigen haben. Die chronische Finanzmisere – verursacht durch falsche Rechenschaftsberichte und entsprechende Rückforderungen der Bundestagsverwaltung – gehört dazu. Darüber hinaus hat ein Kreisverband aus dem Saarland einen Antrag vorgelegt, der sich an die parteiinterne Kemna-Untersuchungskommission richtet, die sich mit den betrügerischen Finanztransaktionen des ehemaligen Schatzmeisters beschäftigt. Sie wird aufgefordert, „über den aktuellen Stand der Untersuchung zu berichten und mitzuteilen, wann mit der Vorlage eines Abschlußberichts zu rechnen ist“.
Zu den Streitpunkten der beiden Parteitage im vorigen und im vorletzten Jahr gehörte auch das Verhältnis der Partei zu den „Autonomen Nationalisten“. Zumindest indirekt ist dies auch in diesem Jahr Thema. Der Parteivorstand will die Kontrolle darüber behalten, wann und wo, wogegen oder wofür die NPD auf die Straße geht. Und nicht nur das: Auch die Kontrolle über Demonstrationsanmeldungen jedes ihrer Mitglieder will sie behalten.
Journalisten als „Haufen Geschmeiß“ bezeichnet
„Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge aller Organisationsstufen der NPD und einzelner Mitglieder der NPD bedürfen vor der notwendigen Anmeldung bei der zuständigen Behörde der Genehmigung des Parteivorstandes“, soll künftig in der Satzung festgeschrieben sein. Fehlt die Genehmigung, droht der Ausschluss oder im Fall von renitenten Parteigliederungen die Verhängung des organisatorischen Notstands.
Offen ist, wieweit Medien frei über den Parteitag berichten können. Per Mail ließ die NPD eine Reihe von Fachjournalisten schon einmal wissen, ihre Akkreditierung werde abgelehnt. Und der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern hat bereits einen Geschäftsordnungsantrag vorgelegt, demzufolge der Parteitag komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden soll: „Vertreter von Presse und Medien sind für die gesamte Dauer des Bundesparteitages nicht zuzulassen.“ Einen ähnlichen Antrag hatte David Petereit, stellvertretender Landesvorsitzender im Nordosten, vor einem Jahr in Berlin bereits vorgelegt und dabei Journalisten unter dem Gejohle der Delegierten als einen „Haufen Geschmeiß“ bezeichnet.