Wahlkampfzugpferd Rassismus

Im Endspurt zur Wahl am 25. Mai setzt die NPD in Thüringen erneut auf  rassistische Hetze zur Mobilisierung ihres Wählerpotenzials. Unter ihren Kandidaten befinden sich zahlreiche Straf- und Gewalttäter, die zum Teil schon Haftstrafen verbüßt haben.

Montag, 12. Mai 2014
Kai Budler

Die „Koordinierungsstelle des Jenaer Stadtprogramms und Kontaktbüro des Runden Tisches für Demokratie“ (KoKont) ist entsetzt: „Am Tag der Befreiung Nazi-Anmeldungen zu genehmigen, nennen wir eine pure Provokation.“ Provokation als Mittel des Wahlkampfs hat eine lange Geschichte in der extremen Rechten und auch die NPD weiß um den Stellenwert des vermeintlichen Tabubruchs. So auch in Greiz, wo sich die Partei am 8. Mai ausgerechnet auf dem Platz postiert, wo 1945 ein Offizier hingerichtet wurde, der sich weigerte, sinnlose Befehle der Nationalsozialisten auszuführen. Da ist es offenbar gleichgültig, dass lediglich 25 NPD-Anhänger den Weg zur Veranstaltung mit ihrem Spitzenkandidaten zur Europawahl, Udo Voigt, finden, die von einem lauten Trillerpfeifenkonzert begleitet wird.

Auch David Köckert redet auf der Kundgebung – er kandidiert für den Stadtrat und den Kreistag Greiz. Der Unternehmer stand nach Angaben des mdr-Magazins „exakt“ wegen Volksverhetzung vor Gericht, entstammt dem Kameradschaftsspektrum und soll zum Umfeld des in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood&Honour“ gehört haben. Doch die Kundgebung im Südosten Thüringens ist mitnichten die einzige Aktion auf dem Endspurt der rechtsextremen Partei zu den Wahlen am 25. Mai.

NPD braucht die Kameradschaftsszene

Im Erfurter Norden hatte der NPD Kreisverband gerade erst zwei Kundgebungen mit dem Motto „Asylflut stoppen – gemeinsam gegen Problemimporte aus aller Welt“ an einem Tag angemeldet, knapp 50 Neonazis nahmen daran teil. Noch im März waren zehn der angemeldeten 15 Infostände im Raum Erfurt ausgefallen, fünf waren nach Polizeiangaben „zeitweise vorhanden“. Nun setzt die Partei auch in der Landeshauptstadt auf Rassismus als Zugpferd im Wahlkampf und zog in Sichtweite eines Wohnblocks, für den die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft diskutiert wird. Doch die NPD leidet unter knappen Personalressourcen und braucht dafür die Kameradschaftsszene um den Neonazi Michael Fischer. Noch vor einem Jahr war der Aktivist auch von der NPD als Person non grata abgestraft worden, nun muss er die Teilnehmerlücken schließen.

Auch Vorstandsmitglieder des aufgelösten ehemaligen NPD-Konkurrenzvereins „Pro Erfurt“ finden sich in den Reihen der Kundgebung wie der ehemalige Beisitzer des Vereins Chris H. Mit NPD-Anzug und einer Ordnerbinde am Arm griff er mit einem anderen Nazigegner an, die versuchten. den Gehweg zu blockieren. Drei Personen wurden bei dem Angriff verletzt. Aufschluss über H.s Weltbild gibt auch ein Bild, das er 2012 bei Facebook postete: „Töte gleich drei Zecken auf einmal“.

Der NPD Spitzenkandidat in der Landeshauptstadt, Enrico Biczysko, stammt ebenfalls aus dem ehemaligen „Pro Erfurt“-Vorstand und versucht sich heute mit Anzug einen seriösen Anstrich zu geben. Dabei kann er unter anderem auf eine Haftstrafe wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung zurückblicken. Nach dem Willen der NPD soll der ehemalige Hooligan im Erfurter Stadtrat den früheren Thüringer Landesvorsitzenden und NPD-Bundesvorständler Frank Schwerdt unterstützen, der bereits zwei Mal im Gefängnis saß.

Strategischer Pakt mit rechtsextremer Wählergemeinschaft

Nach eigenen Angaben hat die NPD für die Kommunalwahl Kandidaten für mehr als 190 Mandate in 47 Gebietskörperschaften aufgestellt. Dafür kooperiert die Partei freimütig mit Gruppierungen aus dem gewaltbereiten Spektrum der „Freien Kameradschaften“ und „Autonomen Nationalisten“. So finden sich auf der Liste der NPD Nordhausen gleich zwei Personen aus dem Umfeld der dortigen „Aktionsgruppe“. Die war bereits Thema im Thüringer Landtag. In einer Antwort des Innenministeriums auf die Frage, mit welchen Delikten Personen aus der Aktionsgruppe strafrechtlich in Erscheinung getreten waren, folgte eine Liste mit rund 20 Vergehen, darunter gefährliche Körperverletzung, räuberische Erpressung, Verstoß gegen das Waffen- und das Kriegswaffenkontrollgesetz, Volksverhetzung und sexuelle Nötigung.

Im Eichsfeld steht René S. auf der NPD-Liste, ein langjähriger Aktivist aus dem Umfeld der damaligen „Kameradschaft Heiligenstadt“. Heute taucht der glatzköpfige Neonazi mit tätowierter schwarzer Sonne bei nahezu jedem Aufmarsch hinter dem Transparent der „Kameradschaft Northeim“ auf. Als Teil der „Freien Kräfte Eichsfeld“ war er 2012 auf einem Bild zu sehen, wie er mit anderen Neonazis eine 1. Mai-Kundgebung in Leinefelde störte. Beim Rechtsrock-Konzert „Eichsfeldtag“ dankte die NPD wenige Tage später auf der Bühne den „Freien Kräften Eichsfeld“ ausdrücklich.

Im südthüringischen Hildburghausen hat die NPD für möglichst gute Erfolge einen strategischen Pakt mit der rechtsextremen Wählergemeinschaft „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ (BZH) um den Neonazi Tommy Frenck geschlossen. Die einstigen Vorwürfe, der gelernte Koch habe Streit und eine Spaltung der Thüringer Neonazi-Szene initiiert, sind offenbar vergessen. Lange Zeit konnten Passanten in Hildburghausen sehen, wie aus Frencks Wohnung eine Reichskriegsfahne wehte oder in den Fenstern Plakate prangten, auf denen Freiheit für den Holocaust-Leugner Ernst Zündel gefordert wurde. Mit seiner NPD-Abspaltung organisierte Frenck schon 2010 einen Aufmarsch mit dem Titel „Wir wollen keine Asylantenheime!“. Mit dem strategischen Wahlverzicht der NPD stammen nun mehr als 20 Kandidaten auf den Listen zur Kommunalwahl im Raum Hildburghausen aus den Reihen des BZH.

Aufmärsche in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften

Wohin die rassistische Stimmungsmache führen kann, musste jetzt in Eisenach ein aus Kuba stammender Mann am eigenen Leib erfahren. Beim Einkaufen wird nachmittags erst sein Fahrrad beschädigt, er selbst von mehreren Neonazis rassistisch beschimpft. Anschließend ruft einer der Männer „Sieg Heil“, zeigt den Hitlergruß und schlägt dem Opfer mit der Faust ins Gesicht. Der 29-Jährige flieht, doch zwei Stunden später haben die Angreifer ihn aufgespürt und versuchen zu viert in die Wohnung seiner Lebensgefährtin einzudringen. Nur mit Glück kann die Frau die Tür schließen, einer der Täter schlägt noch die Scheibe der Eingangstür ein. Die Sonderkommission BAO Zesar des Landeskriminalamtes (LKA) ermittelt nun unter anderem wegen des Verdachtes der gefährlichen Körperverletzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. In ihrer Mitteilung heißt es einen Tag später: „Im Rahmen der Ermittlungen wird ein möglicher fremdenfeindlicher Hintergrund geprüft“.

Nicht geprüft werden muss ein solcher Hintergrund wohl bei den kommenden NPD-Kundgebungen. Gleich sechs Mal in zwei Tagen will die Partei mit ihren Sympathisanten  in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften aufmarschieren, unter anderem hat sie das Erstaufnahmelager des Landes in Eisenberg in das Visier ihrer rassistischen Politik genommen. Hatte in Greiz der später öffentlichkeitswirksam von der AfD in die NPD übergetretene Köckert noch versucht, mit einer „Bürgerinitiative gegen ein Asylheim“ den wahren Charakter der Kampagne zu verdecken, macht die NPD ganz offen rassistische Stimmung gegen Einrichtungen wie die Landeserstaufnahmestelle.

Etappe auf dem Weg zur Landtagswahl

Bei den Wahlen am 25 Mai will die NPD nach eigenen Angaben die Zahl ihrer Kommunalmandate in Thüringen verdreifachen, im Jahr 2009 waren nach dem Fall der Fünf-Prozent-Hürde 25 Mandate auf lokaler Ebene an die extreme Rechte gefallen. Doch die Kommunalwahl ist für die NPD nur eine Etappe auf dem Weg zur angestrebten Verankerung und zur Landtagswahl im Herbst dieses Jahres. War sie 2009 noch mit 4,3 Prozent knapp am Einzug gescheitert, will die NPD in diesem Jahr sieben Kandidaten in den neuen Landtag entsenden.

Doch auch hier fallen Kandidaten der Landesliste besonders durch ihr Vorstrafenregister auf. Der Spitzenkandidat und Landesvorsitzende Patrick Wieschke gibt sich zwar in der Öffentlichkeit bewusst seriös, wurde aber bereits wegen Anstiftung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, Sachbeschädigung und Körperverletzung verurteilt. Auch Thorsten Heise auf Platz 2 der Landesliste weist ein beachtliches Straftatenregister unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, Landfriedensbruchs, Nötigung und Volksverhetzung auf. 2007 wurden in seinem Haus eine Maschinenpistole, ein Maschinengewehr und eine weitere Pistole entdeckt.

Daniel Madalschek auf Listenplatz 20 scheint es ebenfalls zur gewaltbereiten Szene zu ziehen. Beim Neonazi-Aufmarsch in Plauen am 1. Mai lief er mit Franz Kotzott, der für die NPD bei der Kommunalwahl kandidiert, hinter einem Transparent der „Weisse Wölfe Terrorcrew“ (WWT) mit. Erst im vergangenen Sommer wurden in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden Wohnungen, Haftzellen und Geschäftsräume von Neonazis aus dem Umfeld der WWT durchsucht. Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe die „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ nach  Paragraph129 a vor. Sie wolle das politische System der Bundesrepublik beseitigen, heißt es, und wird verdächtigt, dazu auch terroristische Gewalttaten verüben zu wollen.

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