Vorösterliches Spektakel
Knapp über 60 Neonazis haben mit einem „Fackelmarsch“ in Stolberg (Städteregion Aachen) gegen „Deutschenfeindlichkeit“ demonstriert. Der Aufmarsch war der Auftakt zu einem „Großaufmarsch“ an Ostersamstag.
In der rechten Szene war seit Wochen für die braunen Aufmärsche mobilisiert worden. (bnr.de berichtete) Allerdings verlief jene Werbung nach der Festnahme von maßgeblichen Mitorganisatoren wie dem Mitanmelder, Axel Reitz, und dem Stammredner bei den Aufmärschen, Sven Skoda, sehr schleppend. Beide „Führungsriege-Kräfte“ (Haller) sitzen derzeit im Rahmen von Ermittlungen gegen die kriminelle Vereinigung „Aktionsbüro Mittelrhein“ (ABM) in Untersuchungshaft. Zeitweise kam es dennoch zu Sprüh-, Plakat- und Flugblattaktionen in der Region zwischen Aachen, Düren und Heinsberg anlässlich der Stolberger Aufmärsche.
Mutmaßlich bei einer solchen Plakataktion bedrohten dabei zwei vermummte Neonazis zwei Mitglieder der Piratenpartei. Kurz vor Mitternacht am 2. April waren vor dem Büro der Partei in Aachen drei Personen mit Kleisterutensilien aufgelaufen, zwei Männer des Trios vermummten sich kurz darauf mit Sturmhauben, betraten das Büro, rissen wortlos ein Plakat gegen die Aufmärsche in Stolberg ab und stahlen Flyer, mit denen die Piraten über Neonazis aufklären wollen. Die Polizei ermittelt deswegen und geht von einem rechten Angriff aus. Laut Piratenpartei trug einer der Täter Kleidung der bei Neonazis beliebten Modemarke „Thor Steinar“.
Mitglieder der Piratenpartei angegriffen
Seit 2008 finden die „Trauermärsche“ regelmäßig im April in Stolberg statt, wo in der Nacht vom 4. auf den 5. April 2008 ein zur Tatzeit 18-jähriger Migrant im Streit einen 19-jährigen Berufsschüler aus Eschweiler erstach. Organisatoren der Aufmärsche sind der frühere Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Düren sowie das Mitglied des Kreistages Düren, Ingo Haller (Niederzier), Reitz (Pulheim) und die „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL). Der Stolberger Ratsmann und Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Aachen, Willibert Kunkel, distanzierte sich von dem „Trauermarsch“ in diesem Jahr insofern, als dass er dessen Durchführung an Ostersamstag für unklug bezüglich der Außendarstellung der rechten Szene einstuft.
Am Mittwochabend formierten sich bei Einbruch der Dunkelheit nach Angaben der Polizei genau 63 Neonazis zu ihrem „Fackelmarsch“. Als Redner fungierte Ingo Haller, der die „Kameraden“ gewohnheitsgemäß mit „Heil Stolberg“ begrüßte. Am Tatort der Bluttat fungierten der „Kameradschaftsführer“ der KAL, René Laube (Vettweiß), und der für die NPD in den Siegener Stadtrat gewählte Kader der „Freien Nationalisten Siegerland“ (FNSI), Sascha Maurer. Maurer wetterte unter anderem gegen das „volksfeindliche und antideutsche System“ der Demokratie und Multikultur.
„Alles für ein nationales und soziales Europa“
Der einschlägig vorurteilte Laube fabulierte, die Deutschen seien heute „umzingelt von Moscheen, von Synagogen, von türkischen Geschäften“ und würden zum Opfer der „Multikultifetischisten“. Laube beendet seine Rede, angelehnt an den verbotenen Leitsatz der SA („Nichts für uns, alles für Deutschland“) mit der Losung: „Nix für uns, alles für ein nationales und soziales Europa.“ Laut Polizei wurde bei dem Aufmarsch eine Person aus dem Umfeld der KAL identifiziert, die tatverdächtig ist, bei einem früheren Aufmarsch ein Volksverhetzungsdelikt begangen zu haben. Die Beamten stellten die Personalien dieses Neonazis fest, an dem Aufmarsch am Mittwoch konnte er weiter teilnehmen.
Ein „Großaufmarsch“ gegen „Deutschenfeindlichkeit“ soll am Ostersamstag in Stolberg stattfinden. Haller erwartet für den Aufmarsch 450 „Kameraden“. Erstmals können die Neonazis dabei laut Polizei nicht direkt an den Tatort der Bluttat ziehen, weil die Versammlungsbehörde an dieser Stelle nunmehr die Anmeldung einer Versammlung aus dem antifaschistischen Lager Vorrang einräumte.