Rechtsterrorismus

Vor 40 Jahren: Polizeibekannter Neonazi erschießt mehrere Menschen

Ein polizeibekannter Neonazi ermordete im Juni 1982 im fränkischen Nürnberg aus rassistischen Motiven drei Personen und verletzte mehrere schwer.

Freitag, 24. Juni 2022
Anton Maegerle
„Ich schieße nur auf Türken“ ruft der polizeibekannte Neonazi und erschießt mehrere Menschen mit dunkler Hautfarbe.
„Ich schieße nur auf Türken“ ruft der polizeibekannte Neonazi und erschießt mehrere Menschen mit dunkler Hautfarbe.

Kurz vor Mitternacht des 24. Juni 1982 erschoss der von aggressivem Rassismus geleitete 26-jährige Neonazi Helmut Oxner mit einem großkalibrigen Smith & Wesson-Revolver in der vorwiegend von afroamerikanischen US-Soldaten besuchten Nürnberger Disko „Twenty Five“ die US-Amerikaner William Schenck (24) und Rufus Surles (27). Die aus Korea stammende 28-jährige Ae Young Y., Freundin von Surles, und der türkische Kellner Ali K. wurden lebensgefährlich verletzt. Nach der Tat holte Oxner aus einer Umhängetasche eine alte Wehrmachtspistole Typ 08 und eine Walther PPK und rannte aus dem Kellerlokal Richtung Fußgängerzone.

Unter den Rufen „Es lebe der Nationalsozialismus“ sowie „Ich schieße nur auf Türken“ zielte Oxner auf weitere Personen mit dunkler Hautfarbe. Der 21-jährige Ägypter Mohamed Ehab wurde tödlich getroffen, der 30-jährige Libyer Sultan A. schwer verletzt. Nach einem Schusswechsel mit der Polizei, bei dem er getroffen wurde, tötete Oxner sich selbst. Zuvor hatte er noch „Ihr Bullen bekommt mich nicht“ gebrüllt.

„Jetzt NSDAP“-Sticker

Die Polizei fand in seiner Umhängetasche 200 Schuss Munition und 64 Aufkleber mit Hakenkreuz und den Aufschriften „Jetzt NSDAP“, „Kampf den Judenparteien KPD, SPD, CDU, CSU, FDP“ und „Wir sind wieder da“. Urheber der Aufkleber war die in Lincoln/USA ansässige NSDAP/AO von Gary Lauck. Dieser hatte 1979 unter der Zusicherung freien Geleits als Zeuge im Prozess gegen die Neonazi-Größe Michael Kühnen ausgesagt.

Nach den Mehrfachmorden verkündete der Nürnberger Polizeipräsident Helmut Kraus, dass Oxner „ein junger Mann, bei dem keine Bereitschaft zur Gewalt erkennbar war“, gewesen sei. Eine Aussage wider besseres Wissen. Denn: Zuvor waren am 3. Februar 1981 bei einer Hausdurchsuchung im Einfamilienhaus von Oxners Eltern in Nürnberg-Röthenbach drei Waffen des Neonazis, eine davon nicht ordnungsgemäß angemeldet, gefunden worden. Unter den Waffen war auch der Smith & Wesson-Revolver, den Oxner behalten durfte - war er doch als Sportschütze aktiv und seit September 1977 Mitglied des Schützenvereins „SV Rangierbahnhof“.

Feindesliste gefunden

Beschlagnahmt wurden neben NS-Propagandamaterial wie dem „Völkischen Beobachter“ und dem „Stürmer“ auch eine Adressliste mit 54 Personen, die „terrorisiert“ werden sollten und zum Teil auch wurden. Dabei sollen am Telefon Sprüche wie „Deine Gaskammer ist schon offen“ und „Morgen geht es Dir wie dem Shlomo Levin in Erlangen“ gefallen sein. Opfer des Telefonterrors war u.a. der Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde und Nürnberger SPD-Stadtrat Arno Hamburger.

Ein Ermittlungsverfahren wegen neonazistischer Schmierereien sowie Bedrohung und Beleidigung jüdischer und ausländischer Mitbürger wurde eingeleitet. Oxner kam am 4. Februar 1981 in Untersuchungshaft. Nach kurzer U-Haft kam dieser wegen einer Erkrankung vorzeitig frei. Kurz vor seinen Terrortaten stand Oxner mit einem Mittäter wegen Volksverhetzung, Beleidigung, Bedrohung und anderer Vergehen vor dem Nürnberger Amtsgericht. Oxners Verfahren wurde jedoch ausgesetzt, weil er sein Geständnis widerrief. Im Herbst sollte das Verfahren mit neuen Zeugen aufgerollt werden. Sein geständiger Mitangeklagter Rudolf R. wurde zu 15 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.

Von NPD-Treffen ausgeschlossen

Kennengelernt hatten sich beide auf Veranstaltungen der NPD und der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN). Die JN-Treffen fanden im Hinterzimmer des Lokals „Bäckerhof", direkt gegenüber dem Polizeipräsidium gelegen, statt. Durch seinen Arbeitskollegen Stefan K. war Oxner zu politischen Veranstaltungen der NPD und später zu Stammtischtreffen der JN gekommen. Wegen antisemitischer Äußerungen wurden Oxner und seine Freunde Edgar W. und Rudolf R. am 29. Januar 1981 von den Stammtischtreffen der JN ausgeschlossen.

Bereits vor dem ausgesetzten Verfahren gegen Oxner war eine Anzeige wegen illegalen Waffenbesitzes abgetrennt worden. Da der Neonazi jedoch geltend gemacht hatte, dass er die Waffe im zarten Kindesalter von neun Jahren gefunden haben will, stellte der Jugendrichter in Übereinstimmung mit dem Staatsanwalt das Verfahren im August 1981 ein.

Rechtsterroristische Gruppe vor Gericht

Oxner war den Verfassungsschutzbehörden seit 1980 als Neonazi bekannt. Er war im Zusammenhang mit dem Mordfall Shlomo Levin und Frida Poeschke in Erlangen vom 19. Dezember 1980 überprüft und bei ihm eine Hausdurchsuchung vorgenommen worden. Ebenso hatte die Polizei gegen Oxner ermittelt, da er Papierkörbe und öffentliche Gebäude mit Hakenkreuzen und Nazi-Parolen beschmiert hatte. 1981 musste er vor dem Gericht erscheinen, weil er beim Verteilen von NPD-Flugblättern einen Passanten beschimpft hatte. Der Strafantrag wurde später zurückgezogen.

Die Terrortat von Oxner ereignete sich zu einem Zeitpunkt, zu dem in Stuttgart-Stammheim vor dem Oberlandesgericht gegen die rechtsterroristischen „Deutschen Aktionsgruppen“ des Neonazis Manfred Roeder verhandelt wurde. Diese verübten im Zeitraum vom 21. Februar 1980 bis zum 22. August 1980 fünf Sprengstoffanschläge und zwei Brandanschläge. Den Höhepunkt der Anschlagsserie bildete ein Anschlag mit Molotow-Cocktails in der Nacht zum 22. August 1980 auf ein Übergangsheim in Hamburg. Dabei starben zwei vietnamesische Flüchtlinge: der 22-jährige Ngoc Nguyen und der 18-jährige Anh Lan Do.

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