Rezension

Von Berlusconi zu Meloni – Entwicklung hin zu einem „Italien der Patrioten“

Michael Braun, Italien-Korrespondent der taz, legt mit „Von Berlusconi zu Meloni. Italiens Weg in den Postfaschismus“ eine anschaulich geschriebene Monographie vor. Sie macht die demokratietheoretisch relevanten Gefahrenpotentiale deutlich, welche nicht nur in Italien, sondern auch in anderen europäischen Ländern kaum wahrgenommen werden.

Donnerstag, 17. Oktober 2024
Armin Pfahl-Traughber
Der Autor zeigt sich verwundert, dass aus anderen europäischen Ländern kaum Kritik an Meloni aufkommt.
Der Autor zeigt sich verwundert, dass aus anderen europäischen Ländern kaum Kritik an Meloni aufkommt.

Nachdem die „Fratelli d’Italia“ (FdI, „Brüder Italiens“) 2022 allein 26 Prozent der Stimmen bei den nationalen Wahlen erhielten, kam es in Italien zu einer „ersten extrem rechten Regierung seit Mussolini“ (Washington Post). Diese Auffassung teilt auch Michael Braun, Italien-Korrespondent der taz und Mitarbeiter bei der Friedrich Ebert-Stiftung in Rom. In seinem Buch „Von Berlusconi zu Meloni. Italiens Weg in den Postfaschismus“ heißt es über Giorgia Meloni gleich auf den ersten Seiten:

„Sie war die erste Vertreterin einer Partei, deren Wurzeln zurück bis in den Faschismus reichten, die jetzt nach der Macht in einer westeuropäischen Demokratie griff. Noch wenige Jahre zuvor hätte dieses Szenario als völlig unrealistisch gegolten“. Und der Autor ergänzt dann später noch, es hätte nicht nur kaum Empörung in Italien, sondern ebenso wenig in den europäischen Staaten gegeben. Zwar seien sowohl die FdI wie Meloni eher gemäßigt und nicht polternd aufgetreten, was aber sicherlich nicht allein diese eher passive politische Reaktion auf sie erklärt.

„Erste extrem rechte Regierung seit Mussolini“

Doch wie konnte es überhaupt zu dieser Entwicklung kommen? Dies wird von Braun als gutem Kenner der italienischen Politik anschaulich geschildert. Dabei beginnt er mit Berlusconi, der heute als früher Akteur des gegenwärtigen Rechtspopulismus gilt. Er förderte einerseits Meloni als Politikerin, andererseits schuf seine Politik einschlägige Rahmenbedingungen. Braun hat diese Entwicklung in Italien selbst wahrgenommen und regelmäßig für deutsche Medien darüber berichtet. Der Darstellung merkt man diese Erfahrungen an, anschaulich geschrieben und gut strukturiert präsentiert sie die nötigen Fakten und Hintergründe.
Dabei fällt der Blick auch auf die politische Konkurrenz, hier auf die gespaltene und krisengeschüttelte Linke, welche so als Gegengewicht im politischen Vakuum ausfiel. Die Aufmerksamkeit von Braun konzentriert sich indessen auf die „Häutungen der italienischen Rechten“, wie ein Kapitel treffend betitelt wurde. Denn mit den FdI, der „Forza Italia“ und der „Lega“ gibt es drei einschlägige rechte Parteien.  

„Postfaschismus“ – was meint das?

Deren Entwicklung seit 1994 ist in der Monographie das konkrete Thema, dann jeweils auf Melonis Regierungszeit ab 2022 fixiert. Braun legt dabei eine beschreibende Darstellung mit kritischer Perspektive vor, eine tiefergehende Ursachenanalyse nimmt er nicht vor. Das wäre aber auch nicht die Aufgabe eines journalistischen Buchs, was als solches für eine gute Einführung ins Thema steht. Der Blick konzentriert sich dabei auf die handelnden Politiker, weniger auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

So gibt es etwa keine breiteren Analysen zu den jeweiligen Motiven und der sozialen Struktur der Wähler. Braun geht es mehr um die politische Entwicklung, eben hin zu einem „Postfaschismus“. Der Begriff wird indessen nicht erklärt. „Post“ vor einem Subjekt meint eigentlich, dass etwas einmal so gewesen ist, aber dann offenbar nicht mehr ist. Nur was ist es dann? Der Begriff kann darüber hinaus auch für eine Demokratisierung stehen, das meint aber Braun mit guten Gründen nicht so. In den letzten Kapiteln geht er ausführlicher auf Melonis politische Ziele ein.

Autoritarismus hinter der Verfassungsreform

Danach solle Italien umgebaut werden, geprägt von ihrer Verfassungsreform. Diese sehe „zwar keinen Duce mehr an der Spitze …, wohl aber einen plebiszitär ermächtigten starken Mann - oder eine starke Frau - die die Regierung - ebenso wie das Parlament - völlig in der Hand hat. Dies wäre dann das von Meloni erträumte postfaschistische ‚Italien der Patrioten‘“. Aufgezeigt wird dies von Braun etwa anhand der Forderungen, die auf eine Direktwahl des Ministerpräsidenten abzielen. Was auf den ersten Blick wie mehr Demokratie erscheint, würde aber so auf eine Gefährdung der Gewaltenteilung hinauslaufen.

Derartige und andere Gefahren nehmen viele europäische Nachbarstaaten kaum wahr. Man lässt sich vielfach bei Meloni von deren Person und Pragmatismus blenden, während etwa ein gegenüber dem italienischen Faschismus von ihr praktiziertes Schweigen kein Thema sei. Berechtigt verweist der Autor auf Bedrohungen etwa durch eine entkernte Demokratie und eingeschränkte Freiheitsrechte in seiner gut lesbaren Monographie hin.

Michael Braun, Von Berlusconi zu Meloni. Italiens weg in den Postfaschismus, Bonn 2024 (J. H. W. Dietz), 200 S., 20 Euro

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