Volksverhetzung: Holocaust-Leugner Hennig soll für 18 Monate hinter Gitter
Vor Gericht gab sich Rigolf Hennig unwissend. Er sei kein Revisionist, Auschwitz habe ihn nie interessiert. Vielmehr habe für ihn, den bald 82-jährigen Facharzt, der Kampf um die Meinungsfreiheit im Mittelpunkt seiner politischen Aktivitäten gestanden. Die Vorwürfe der Anklage, nämlich den Holocaust in mehreren Beiträgen in der Hetzschrift „Stimme des Reiches“ geleugnet oder zumindest verharmlost und gegen Asylbewerber gehetzt zu haben, wies er gleich am ersten Prozesstag in seinem Eröffnungsstatement zurück. Der Paragraph 130 des Strafgesetzbuches „Volksverhetzung“ sei ihm wohl bekannt, versicherte der achtfache Vater weiter. Deshalb, so Hennig, sei er stets vorsichtig gewesen. Alleine: Das Amtsgericht Verden teilte diese Meinung nicht. Hennig sei der achtfachen Volksverhetzung sowie der versuchten Volksverhetzung in einem Fall schuldig. Der letzte Vorwurf sei nur nicht vollendet worden, da bei einer Durchsuchung die betroffene Ausgabe der „Stimme des Reiches“ von den Ermittlungsbehörden sichergestellt worden sei. Vor Gericht habe Hennig, der an anderer Stelle gesagt hatte, er sei am „Aufstand in Südtirol beteiligt gewesen“, die ihm zur Last gelegten Taten gestanden, befand der Vorsitzende Richter Christoph Neelsen. Auch, wenn ihm das möglicherweise nicht bewusst gewesen sei. „In den Artikeln wird behauptet, den Holocaust habe es nie gegeben“, sagte Neelsen in der Urteilsbegründung.
Uneinsichtig
Außerdem hätten die Zeugenaussagen sowie der von der Polizei beschlagnahmte E-mail-Verkehr gezeigt, Hennig habe die inhaltliche Linie der Schrift mitbestimmt. Damit trage er Mitverantwortung für die hetzerischen Beiträge anderer Autoren. In einem früheren Prozess war Ursula Haverbeck bereits für von ihr verfasste Artikel in der „Stimme des Reiches“ zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Er sei nicht nur, so wie er ausgeführt hatte, in die Organisation einbezogen gewesen. Dies sei nach Meinung des Gerichts eine Schutzbehauptung. Außerdem sei laut Gesetz schon die Verbreitung entsprechender Aussagen strafbar. Der frühere NPD-Ratsherr hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er die in einer Auflage zwischen 1.200 und 1.500 Exemplaren erscheinende „Stimme des Reiches“ verschickt und ein Konto unter seinem Namen zur Verfügung gestellt habe. Mit seinem Urteil von 18 Monaten Haft ohne Bewährung blieb das Schöffengericht vier Monate unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. In ihrem Schlussplädoyer sprach die Staatsanwältin von „zynischen“ Artikeln. Für das Sterben im Konzentrationslager Bergen-Belsen etwa habe Hennig versucht, Großbritannien die Verantwortung unterzuschieben. In einem seiner Zeitschriftenartikel habe er behauptet, „die Briten“ hätten zielgerichtet die Infrastruktur bombardiert und damit „die Versorgung des Lagers mit Lebensmitteln und Medizin unterbrochen“, obwohl sie um die menschenunwürdigen Zustände in dem KZ gewusst hätten. Vor Gericht hatte Hennig seine „Erkenntnisse“ stolz verteidigt und entsprechende Ausführungen an die Presse verteilt.
Widersprüche
Das langatmige Plädoyer von Hennigs Verteidiger Martin Kohlmann konnte nichts mehr retten. Der Ex-Landeschef der sächsischen Republikaner unterstellte der Staatsanwaltschaft „schlampige Arbeit“ und zog außerdem die Rechtmäßigkeit des „Volksverhetzungs“-Paragraphen in Zweifel. Ein Manöver, das nicht verfing und bei Gericht wenig Eindruck hinterließ. Es war vorhersehbar, dass Kohlmann, der für „Pro Chemnitz“ im Stadtrat in Chemnitz sitzt, Freispruch für seinen Mandanten fordern würde. In das noch nicht rechtskräftige Urteil flossen zu Hennigs Gunsten sein „Geständnis“ sowie sein eintragsfreier Auszug aus dem Bundeszentralregister ein. Eine „günstige Sozialprognose“ attestierte der Richter dem Verurteilten indes nicht. Dagegen sprächen die lange Zeit der Veröffentlichung – verhandelt wurde ein Zeitraum von zwei Jahren in einer Verhandlung, in der zwei Anklagen zusammengefasst wurden – sowie die Angabe Hennigs, er habe zu Beginn dieses Jahres die offizielle Schriftleitung der „Stimme des Reiches“ übernommen. Dies passe nicht mit seiner Behauptung zusammen, sich von seinen politischen Aktivitäten zurückziehen zu wollen.
„Skandal!“
Dies alles hatte der Holocaust-Leugner nicht mehr mitbekommen. Unmittelbar nach dem Schuldspruch hatte Hennig den Gerichtssaal verlassen. Zudem hatte er bereits am Anfang der Verhandlung deutlich gemacht, er erkenne das Gericht nicht an. Die Kammer sei gar nicht zuständig, das Urteil stehe wohl schon fest. Deshalb werde Hennig, der nach eigener Aussage für die NPD in kommunalen Parlamenten saß ohne Parteimitglied zu sein, die Verfahrensbeteiligten nicht mit ihrer Amtsbezeichnung, sondern bei ihrem Namen nennen. Dies sei aber nicht persönlich gemeint. Als Staatsangehörigkeit gab er „Deutsches Reich“ an. Seine Unterstützer, unter denen sich die einschlägig verurteilte Ursula Haverbeck befand, reagierten auf ihre Art: „Skandal“, war von den Zuschauerrängen zu hören.