Völkisches Schauspiel
In Bischofswerda in der sächsischen Oberlausitz bot die „Laienspielgruppe Friedrich Schiller“ an zwei Abenden einen „Wilhelm Tell – klassisch inszeniert“. Angereist dazu kamen Rechtsextreme aus mehreren Bundesländern.
Es sollte eine Theateraufführung der besonderen Art werden: „Wilhelm Tell – klassisch inszeniert“. Auf der idyllisch gelegenen Waldbühne von Bischofswerda führte die „Laienspielgruppe Friedrich Schiller“, deren über 80 Darsteller/innen aus dem gesamten Bundesgebiet stammen, das Drama um den legendären Schweizer Freiheitskämpfer auf.
„Möge der Schillersche Freiheitsgedanke als edles und hohes Ziel uns Deutschen in der heutigen Zeit wieder bewusst sein!“ – mit der Laien-Aufführung werde ein „wichtiger Beitrag für das Kulturschaffen in Deutschland geleistet“, heißt es wenig bescheiden in einem Begleitheft, in dem weder Gesichter der Schauspieler und Schauspielerinnen deutlich zu erkennen sind, noch Namen genannt werden. Fotos zeigen die Rücken der Darsteller oder Gruppenbilder auf der Bühne, aufgenommen aus weiter Entfernung. Ein Ansprechpartner aus Bayern wird im Spielplan benannt, der erzählte der „Sächsischen Zeitung“ im Vorfeld von seiner Idee, Schillers Klassiker hobbymäßig zu inszenieren. Er habe die „Werbetrommel im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis“ gerührt und dort Mitstreiter gefunden, wird berichtet. Die weiblichen und männlichen Schauspieler reisten aus Niedersachsen, Mecklenburg und anderen Regionen an. Sie entstammen weitestgehend aus vernetzten völkischen Familienverbänden. Kostüme wurden geschneidert, Rollen eingeübt.
Bei der „Schlesischen Jugend“ in Marlishausen geprobt
Die „Laienspielgruppe Friedrich Schiller“ hatte über Monate hinweg unter anderem in einem vom Verfassungsschutz Thüringen observierten Objekt der „Schlesischen Jugend“ in Marlishausen nahe Arnstadt geprobt. Zu den „aus allen deutschsprachigen Ländern“ stammenden Kreis von Mitwirkenden zählten Kinder ab neun Jahren bis zum 61-Jährigen. „Was alle verbindet und eint, ist die Liebe zur Kultur“, heißt es.
Rund 800 Karten wurden für die beiden Spieltage am 7. und 8. September an der sächsischen Waldbühne in Bischofswerda verkauft. Im Laufe des frühen Samstagabends füllten sich die beiden vorgesehenen Parkplätze nahe der Waldbühne. Die Gäste kamen aus Deggendorf, Güstrow, Bad Doberan, Delmenhorst, Braunschweig, Erfurt, Gotha, Calw, Villingen-Schwenningen, Uelzen, Hamburg, Bad Segeberg, Miltenberg und vielen anderen Orten. Auch einheimische Kennzeichen waren zu sehen, deren Insassen fielen meist weniger auf, als die anderen. Zum Teil wurden Zelte aufgebaut und Kleinbusse entladen. Frauen herzten sich, Männer boten einander die Hand.
NPD-Aktivisten und „Identitäre“ vor Ort
Der Ex-Bundesführer der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ), Sebastian Räbiger, reiste mit dem Lübtheener NPD-Aktivisten Torgej Klingebiel, samt Familien an. Der letzte Bundesführer der „Wiking-Jugend“, Wolfram Nahrath, kam aus Berlin. Dabei waren auch der NPD-Chef von Mecklenburg-Vorpommern Stefan Köster mit Familie, Neonazi Tino Streif und weitere Bewohner des berüchtigten Dorfes Jamel nahe Grevesmühlen. Der ehemalige NPD-Ordnungsdienstleiter Frank Klawitter, ebenfalls früher in der HDJ aktiv, fuhr mit großer Gruppe in die sächsische Oberlausitz. Seine Kinder besuchen die Lager des „Sturmvogels – Deutscher Jugendbund“. Aus deren Reihen waren einige in Bischofswerda vertreten. Auch ehemalige Mitglieder der HDJ aus Bayern begrüßten fröhlich Bekannte. Anhänger der „Identitären Bewegung“ waren ebenso vor Ort wie frühere Kandidaten der AfD aus Mecklenburg und Sachsen.
Die Erzählung um den frommen, aber freiheitsliebenden Schweizer Jäger Wilhelm Tell, mitsamt Nationalmythos und Rütlischwur, dient Neonazis und Rechten aller Couleur als Vorbild. Bernhard Schaub hatte auf der Holocaust-Leugner-Konferenz in Teheran 2006 betont: „Die Freiheitshelden Arminius und Wilhelm Tell sind nicht tot. In den besten Männern und Frauen aller Nationen leben sie weiter.“
Die Aufführung im Wald von Bischofswerda sollte über vier Stunden dauern. „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern. Wir wollen frei sein wie die Väter waren“, dieses Schiller-Zitat steht auf der Eintrittskarte für 15 Euro.