Völkischer Pädagoge?

In Minden gibt es Streit wegen eines Lehrers mit zahlreichen Rechts-Kontakten.

Dienstag, 23. Juni 2015
Andrea Röpke/Anton Maegerle

Wolf-Dieter Schröppe ist Waldorfschullehrer. Manchmal sucht er die Öffentlichkeit und manchmal das Verborgene. Das schien Anfang 2005 so zu sein, da wurden für den damals 43-Jährigen, seine fünf Jahre ältere Ehefrau und die fünf Kinder Plätze an einem geheimen Tagungsort reserviert. Der Weg vom niedersächsischen Wohnort führte tief hinein in den Thüringer Wald. Das entlegene Anwesen „Zum Hufhaus“ bei Ilfeld ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar. Dort tagte vom 2. bis zum 4. Dezember 2005 ganz konspirativ die Neonazi-Sekte „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“. Meistens werden bei solchen Zusammenkünften Wachen aufgestellt. Die Neonazis möchten ungestört bleiben.

Doch der  Staatsschutz der Polizei Nordhausen fertigte Listen der Teilnehmer an. Auf einer solchen wurde auch die Familie des Lehrers einer Freien Waldorfschule in Minden festgehalten. Neben dem Namen „Wolf Schröppe“ korrigierte  jemand nachträglich das Geburtsdatum. Die gesammelten Erkenntnisse der geheimen „Gemeinschaftstagung“ vom Dezember 2005 wurden einen Monat später dann an das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie zahlreiche Landesämter weitergeleitet. Auch Nordrhein-Westfalen wurde informiert.

Auf den „Belegungsplänen“ der „Artgemeinschaft“  geführt

An diesem kurzen Treffen unter Führung des inzwischen verstorbenen Neonazis Jürgen Rieger hatten neben anderen auch der Detmolder HDJ-Aktivist Gerd Ulrich sowie der Zwillingsbruder des NSU-Angeklagten Eminger und einige Aktivisten der bereits verbotenen Organisation „Blood&Honour“ teilgenommen. Die Familie Schröppe wurde auf den „Belegungsplänen“ der „Artgemeinschaft“ geführt. Seit Jahren trifft sich die Neonazi-Truppe mehrmals im Jahr in dem Gasthaus mit Bungalows und Zeltmöglichkeiten.  Für die Ehefrau des Lehrers war es anscheinend nicht das erste Mal, sie soll Behördenangaben zufolge bereits zum Sonnenwendlager 2004 nach Ilfeld gereist sein.

Ende April 2015 war zwei Schülerinnen der Freien Waldorfschule Minden aufgefallen, dass der Pädogoge seit 2008 den mit Neonazis durchsetzen Trägerverein der „Ahnenstätte Conneforde“ bei Oldenburg leitet. Dort ruhen unter anderem bekennende Altnazis wie Gudrun Herr, Wilhelm Tietjen oder Hans Hertel. Die Irminsul ersetzt auf der Ahnenstätte den Altar. Vorgänger als Chef des Vereins war der als rechtsextrem bekannte Alfred Manke.

Angeblich ahnungslos in die Nähe geraten

Schröppe scheute den Posten nicht. Ebenso publizierte er bereits im Jahr 2000 in der Ludendoffer-Zeitung „Mensch und Maß“ über die Externsteine. Der antisemitische „Bund für Gotterkenntnis – Ludendorffer“ steht Anhängern der „Ahnenstätte“ nahe. Weitere Öffentlichkeit suchte Schröppe als selbst ernannter „Moorschmied“. Gemeinsam mit einem seiner Söhne führte er vor der Kamera des NDR vor, wie bronzene Messer geschmiedet werden. Sein Firmenlogo ziert eine Triskele. Dieses germanische Symbol ist nur im eindeutigen rechtsextremen Kontext strafbar und ob eckig oder rund sehr beliebt in der Neonazi-Szene, denn sie wird als dreiarmiges Hakenkreuz gedeutet. Neonazi-Organisationen wie „Blood&Honour“, der amerikanische „Ku-Klux-Klan“ oder die „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ verwendeten es. Auch arbeitete Schröppe einige Jahre beim „Bund Deutscher Unitarier“ mit.

Doch Schröppe will von alledem nichts wissen. Seinen etwa 30 Kollegen soll der beliebte Handwerkslehrer, der die Waldorfschule auch nach außen repräsentierte, gesagt haben, ahnungslos in die Nähe von rechtsextremen Organisationen geraten zu sein. Das Kollegium glaubt ihm. In einer Erklärung heißt es: „... ist das Kollegium zu dem Schluss gekommen, dass er keinerlei rechtsextremes, rassistisches oder völkisches Gedankengut vertritt “.

Die angebliche Naivität des Lehrers wird damit gerechtfertigt, dass er erst 1992 aus Argentinien in die Bundesrepublik übergesiedelt sei. Den Befürwortern von Schröppe stehen inzwischen zahlreiche Eltern kritisch gegenüber. Sie kritisieren die mangelnde Transparenz der Schule. Unterstützung erhalten sie vom Vorstand des „Bundesverbandes Freier Waldorfschulen“ sowie der ARGE Nordrhein-Westfalen, die dazu auffordern, den betreffenden Kollegen „mit sofortiger Wirkung vom Unterricht freizustellen.“

Als Referent bei „Kärntner Kulturwoche“ angekündigt

Hinlänglich bekannt ist,  dass insbesondere Freie Schulen und Kindergärten für rechte Eltern interessant sind, da sie viel Mitspracherecht bei der außerhäuslichen Erziehung der Kinder versprechen. Die jüngeren Kinder des verstorbenen „Artgemeinschafts“-Führers besuchten eine Waldorf-Einrichtung in Hamburg-Blankenese. Ein ranghoher NPD-Vorständler sorgte 2012 für Schlagzeilen, als er sich in den Trägerverein einer Montesorri-Schule in Niederbayern wählen ließ und gemeinsam mit weiteren Sympathisanten  nur unter Schwierigkeiten wieder hinaus komplimentiert werden konnte. Bekannt geworden sind bisher aber nur wenige Fälle von Waldorflehrern, die zu rechtem Gedankengut tendieren oder in der Szene aktiv sind. Der prominenteste Fall ist der eines späteren niedersächsischen NPD-Spitzenkandidaten, der acht Jahre lang als Geschichtslehrer in einer Braunschweiger Schule gearbeitet hatte.

Tatsächlich scheint Schröppes Naivität nur eine Ausrede. Zu den Treffen der äußerst elitären und geheim tagenden „Artgemeinschaft“ wird kaum jemand durch Zufall eingeladen, dazu muss man sich schon in der Szene auskennen, beziehungsweise gekannt werden. Hinzu kommt, dass Schröppe bereits 2000 als Autor der „Nordischen Zeitung“ dieser rassistischen Sekte in Erscheinung trat. Im selben Jahr wurde der rührige Pädagoge auch als Referent zum Thema „Brief an die deutsche Jugend – Die Zukunft heißt Familie und Kinder“ bei der als rechtsextrem geltenden „Kärntner Kulturwoche“ im österreichischen Sirnitz angekündigt. Zwei Jahre später sollte Schröppe dort erneut sprechen, das Thema: „Untergang oder Anfang Europas“.

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