Völkische Treffen
Völkischer Maitanz
In gleich mehreren Bundesländern tanzten Rechtsextreme in den Mai. In der baden-württembergischen Gemeinde Hüttlingen konnten sie die regionale Stadthalle anmieten.
Zu dem „Maitanz im Süden“ luden Gudrun und Gerald aus Aalen ein. Das Besondere kündigten sie auch gleich an: „Dafür steht uns ein ganz besonders großer Tanzsaal mit 500 Quadratmetern zur Verfügung“, nämlich der Bürgersaal Hüttlingen (Kultur- und Sportzentrum Limeshalle). Für Übernachtungen stehe ein großes Gemeinschaftszelt auf einer Wiese zur Verfügung. Die Gäste erreichten Hüttlingen am Nachmittag des 30. April. Sie kamen aus Baden-Württemberg, Hessen oder Bayern. Beteiligt am Maitanz waren junge Leute vom „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“, einer Organisation die vom Verfassungsschutz in Niedersachsen als rechtsextrem eingestuft wird. Mitbegründerin des Bundes, einer Abspaltung der Wiking-Jugend, war Edda Schmidt aus Bisingen.
Schmidt gilt als Brauchtumsexpertin der NPD und betont: „In unseren Festen ist trotz der Überfremdung die Weltanschauung des nordischen Menschen erhalten geblieben. Die Brauchtumspflege ist ein Bollwerk gegen Umerziehung“.
Anhänger der Identitären vor Ort
Eine Schmidt-Enkelin, deren Ehemann und weitere Familienmitglieder aus dem Raum Winnenden nahmen in Hüttlingen teil. Auffällig ist, dass viele wie diese jungen VolkstänzerInnen nicht nur im rechtsbündischen Milieu aufwuchsen, sondern inzwischen auch in Gruppierungen wie der rechtsextremen Identitären Bewegung Schwaben aktiv sind oder bei Aktionen von „Studenten stehen auf“ auftreten.
Auch der Organisator des Maitanzes in Aalen hat Verbindungen in diese Szene, 2021 nahm er u.a. mit einem Neu-Ulmer Mitglied der „Identitären Bewegung Schwaben“ an einer „Eheleite“ in Niedersachsen teil. Zum Brauchtumsfest in Hüttlingen reiste auch eine Gruppe um den Identitären Sven E. an. Gäste aus dem fränkischen Miltenberg übernachteten im Bus vor der Limeshalle. Am 1. Mai sollte um 12 Uhr der Schlusskreis stattfinden und die Gäste danach „in kleinen Gruppen“ die Umgebung bewandern.
Maitanz in Mittelsachsen
Im Buch „Kontrakultur“ des Identitären Mario Müller wird darauf hingewiesen, dass ein traditioneller Volkstanzabend sich dadurch kennzeichnet, dass anders als beim klassischen Paartanz in Gruppen getanzt werde, „wobei die Partner bei den verschiedenen Figuren im fliegenden Wechsel durchgetauscht werden.“ Obgleich den meisten Deutschen nicht mehr vertraut, sei Volksmusik („nicht zu verwechseln mit den nervigen Schlagersängern, die Bierzelte füllen“) und die zugehörigen Tänze „ein einzigartiger Ausdruck unseres kulturellen Erbes“.
Zeitgleich zum Maitanz in Baden-Württemberg versammelten sich auf einem Vierseitenhof in Mittelsachsen nahe der mittelsächsischen Kleinstadt Lunzenau eine Vielzahl völkischer AktivistInnen aus Norddeutschland, Brandenburg und Sachsen auf dem Gelände von Martin W. Das Landesamt für Verfassungsschutz bescheinigte W. bereits 2012 eine „fortwährende Einbindung in die rechtsextremistische Szene Sachsens“.
„Nach alten Werten“ erzogen
2018 beteiligte er sich an der AfD-Großdemonstration in Chemnitz, die von Ausschreitungen gekennzeichnet war. 2017 konnte Martin W. das 30-jährige Bestehen des rechtsextremen Sturmvogel-Deutscher Jugendbund in dem kleinen Ort mitorganisieren. Damals gaben die Organisatoren den herbeigerufenen Beamten der Polizeidirektion Chemnitz an, der „Sturmvogel“ habe sich von der verfassungsfeindlichen Wiking-Jugend distanziert und verbreite kein rechtsextremistisches Gedankengut.
Kinder würden nur „nach alten Werten“ erzogen, hieß es in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann vonseiten der Landesregierung. Immerhin untersagte die Polizei, eigenen Angaben zufolge, damals einen von den Völkischen geplanten Fackelmarsch zum Jubiläum des Jugendbundes. Bereits 2009 hatte sich auch Martin Kohlmann, Kopf der „Freien Sachsen“ zu einem „Maitanz“ bei Martin W. eingefunden.
Maiball in Brandenburg
Ebenso gut besucht war der am 7. Mai im Haus des antisemitischen „Bund für Gotterkenntnis – Ludendorffer“ stattfindende Tanz im brandenburgischen Kirchmöser. Familien und junge Leute aus der bundesweiten rechtsbündischen und völkischen Szene reisten an.
Die rechtsextreme Organisationsstruktur der gottgläubigen Anhängerschaft der Mathilde von Ludendorff verfügt über mehrere Immobilien u.a. in Herboldshausen in Baden-Württemberg, ein Jugendheim am Schierensee in Schleswig-Holstein und die Erholungs- und Tagungsstätte in Kirchmöser, zur Stadt Brandenburg gehörend. Die Räumlichkeiten des „Hof Märkische Heide“ werden auch von Reiseanbieter wie booking.com oder der offiziellen Internetseite berlin.de beworben.
Nikolai Nerling vor Ort
In traditioneller Kluft erschien auch der „Volkslehrer“ Nikolai Nerling in Begleitung von Sophia Fuchs. Fuchs stammt nicht nur aus Ludendorff-Kreisen in Schleswig-Holstein, sondern war 2020 Cover-Girl beim Compact-Magazin („Das Reich wird Pop“), trat öffentlich als Interviewpartnerin auf und begleitete Jürgen Elsässer und seine Truppe zur Querdenken-Großdemonstration.
Unter die Tanzenden mischte sich auch Felix E., Propagandist einer kleinen separistischen Enklave namens Orania, die sich als weiße Buren vom multiethnischen Südafrika abspalten wollen. In der rechtsextremen Zeitschrift „NS Heute“ wird behauptet, dass „weiße Siedlungsgemeinschaften“ wie Orania in Südafrika immer mehr Zulauf bekommen würden.
In Kirchmöser schien die Anhängerschaft des Sturmvogel dominant aufzutreten. Unter ihnen Ortrun G., umstrittene Ex-Studentin der Universität Bremen, die inzwischen als Pädagogin in Niedersachsen arbeitet.