Völkischer Kinder-Drill im Verborgenen?
Obwohl die „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) 2009 aufgrund ihrer Verfassungsfeindlichkeit und NS-Wesensverwandtschaft verboten wurde und es eigentlich keine Fortführung der Aktivitäten geben darf, scheinen einige Anhänger der Organisation in Ostwestfalen weiterhin aktiv.
Knapp 20 Kinder tummelten sich am vergangenen Wochenende auf dem Gelände des ehemaligen Anführers der HDJ-„Einheit Hermannsland“, Gerd Ulrich im ehemaligen HDJ-„Schulungszentrum“ in Berlebeck bei Detmold. Die meisten von ihnen waren zuvor von Eltern aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen abgeliefert worden. Bereits seit Jahren fallen unzählige Treffen des HDJ-Umfeldes in Ostwestfalen auf, zuletzt an Pfingsten und eines im Sommer wie das Informationsportal „hiergeblieben.de“ recherchierte.
Ziel der im Jahr 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ war es, eine soldatisch-geprägte nationale Jugend nach den Idealen des Dritten Reiches zu formen. Die Kinder wuchsen mit NS-Gedankengut, Affinitäten zu Waffen und Gewalt sowie SS-Verherrlichung heran. Ulrich selbst besuchte die Lager der 1994 verbotenen „Wiking-Jugend“. 2006 organisierte er das Pfingstlager der HDJ in Fromhausen nahe den Externsteinen mit. Im selben Jahr verteilten Mitglieder seiner „Einheit“ Flugblätter in Briefkästen oder sprachen Pfadfinder an einem Infostand an. Im Herbst 2006 gab es dann ein „Kletterwochenende“ bei Ulrich auf dem Anwesen. Zu dieser Zeit gehörte der Neonazi auch zum NPD-Ordnungsdienst und beteiligte sich an Aufmärschen oder dem „Pressefest“ des Deutschen Stimme-Verlags.
Kontakt zu ehemaligen HDJ-Aktivisten
Schon Mitte der 1990er Jahre hatte der MAD dafür gesorgt, dass die Generalbundesanwaltschaft (GBA) in Karlsruhe gegen Ulrichs Gruppe wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelte. Die Ermittlungen wurden eingestellt, aber Ulrich 1999 wegen Sprengstoff-Verstoßes zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Ulrich blieb im Visier der Behörden. 2003 registrierte der Verfassungsschutz Treffen bei ihm zuhause in Detmold-Berlebeck. Dann wurde die „Einheit Hermannsland" gegründet und Ulrich einer der aktivsten Kader in der HDJ.
Ulrich hält Kontakt nicht nur zu ehemaligen HDJ-Aktivisten wie Jörg Fischer aus Vechta oder Tobias Heinekamp aus Altenbeken, sondern auch zu früheren militanten Neonazis wie Holger Steinbiß. Dessen Auto wurde ebenfalls am vergangenen Wochenende in Berlebeck gesehen. Steinbiß, der in Lippstadt ein Versandantiquariat mit Schwerpunkt NS-Zeit betreibt und 2009 für die NPD zur Bundestagswahl kandidierte, zählte Mitte der 1990er Jahre zu den Anführern der Szene im Umfeld des Weitlingkiezes in Berlin. Kameraden brachten ihn damals in ihren Aussagen gegenüber den Behörden mit Waffen in Verbindung.
Ahnungslose Detmolder Polizei
Auch zum Gründer der verbotenen „Nationalistischen Front“ (NF), Meinolf Schönborn soll Steinbiß Kontakt gehabt haben. 2003 nahm er ebenso wie der Vater von Gerd Ulrich an einer Sommersonnenwende der rassistischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft" im thüringischen Ilfeld teil. Bei Ebay bot Steinbiß kürzlich folgendes an: „Panzerplatten für Schusssichere Weste – Stück 2 Euro“ – „Aus NVA/Sowjet- Beständen zum Basteln und Testen“.
Der Staatsschutz des Regierungsbezirkes Detmold bestätigte Nachfolgeaktivitäten in der Region bisher nicht. Im September 2015 hieß es gegenüber den Lokalmedien man habe „keine konkreten Hinweise, dass im Umfeld der ehemaligen HDJ mit der Sektion Hermannsland weiterhin Kinder oder Jugendliche in rechtsradikaler Weise geschult oder ausgebildet werden“. Nicht so ahnungslos zeigte sich das niedersächsische Innenministerium Mitte Dezember 2014 bei der Beantwortung einer Kleinen Anfrage im Landtag. Es verwies darauf, dass „auf dem Gelände des ehemaligen HDJ-Einheitsführers Hermannsland in der Nähe von Detmold in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren Wochenendtreffen für Kinder“ stattfanden, an denen auch Familien aus Niedersachsen teilnahmen. Auch von dem erneuten Treffen in Berlebeck könnte die Detmolder Polizei nichts mitbekommen haben.