Völkische Pädagogin
Lehramtsstudentin wird vorgeworfen, in die rechtsextreme Szene verstrickt zu sein. Ist das als angehende Grundschullehrerin ihre Privatsache?
Brunhilde F.* stürmte vor wenigen Tagen in die AStA-Etage der Universität Bremen und forderte, die anonymen Outing-Plakate zu ihrer Person sofort zu entfernen. So schildern es Angehörige der studentischen Vertretung. Die sahen dafür „keine Veranlassung“, boten der aufgebrachten Lehramtsstudentin aber an, sie könne ja eine Gegendarstellung darunter kleben. Der Fall der rechten Kommilitonin beschäftigt die Studierenden an der Universität Bremen seit über einer Woche. Es begann damit, dass DIN A4-Zettel morgens an den Türen der Büros in der Etage der Studierendenvertretung AStA klebten, auf den Tischen im Fachbereich der Informatik lagen und an zahlreichen Wänden hingen: „Völkisch – Nationalistisch – Rechtsradikal“ stand darauf, darunter ein Foto von Brunhilde F.
Die Frau, ursprünglich aus Baden-Württemberg stammend, ist an der Uni Bremen nicht nur Studentin für das Grundschullehramt, sondern war auch als Tutorin für Mathematik tätig. Bislang galt die 39-Jährige aus der Nähe von Cuxhaven als unauffällig, sie fiel höchstens durch ihr altmodisches Äußeres auf.
Auf das Angebot der Bremer AStA-Vertreter ging F. nicht ein, sie habe ihr Handy gezückt und angekündigt, „nun alles aufzunehmen“. Nach dem Hinweis auf das Hausrecht ließ sie davon ab. Im Gehen habe sie noch gesagt, „nichts mit dieser Ideologie“ zu tun zu haben. Distanziert aber hat sie sich von ihrem politischen Background nicht. Auch mit Journalisten der „TAZ Nord“ wollte Brunhilde F. nicht über die Vorwürfe reden. Mehrmalige Gesprächsangebote lehnte sie ab.
Frauen im „politischen Einsatz“
Die Enddreißigerin wird damit konfrontiert, Teil der rechtsextremen Szene zu sein. Es stellt sich die Frage: Ist es als angehende Lehrerin ihre Privatangelegenheit? Vorwürfe wie die gegen F. sind längst keine Einzelfälle mehr, denn vor allem rechtsorientierte Frauen wenden sich entsprechend dem politischen Rollenverständnis besonders häufig pädagogischen und sozialen Berufen zu. Mit der Parole „Erziehung ist eine nationale Lebensaufgabe“ forderte die Zeitung der NPD, die „Deutsche Stimme“, bereits vor Jahren Frauen und Mütter regelrecht dazu auf, wenn nicht als Hausfrau, dann als Erzieherin oder Lehrerin zu arbeiten.
F.s Mutter, Edda Schmidt, ist eine der bekanntesten Frauen der Neonazi-Szene. Schmidt gründete die NPD-Unterorganisation „Ring Nationaler Frauen“ 2006 mit. Sie ist vernetzt bis ins militante Spektrum, musste als Zeugin im NSU-Prozess in München aussagen. Sie gilt als Expertin für Rasse-Ideologie, Brauchtum und völkische Feiern. Frauen stehen in ihren Augen als Mütter mit mehreren Kindern im „politischen Einsatz“, weil sie „für den Fortbestand unseres Volkes sorgen“. Edda Schmidt verkündete vor Jahren stolz, dass alle ihre Kinder und Enkel „im nationalen Lager“ seien. Bereits F.s Großeltern blieben bis zu ihrem Tod Anhänger des Nationalsozialismus. Der Großvater, Sepp Biber, war Angehöriger der SS-Division „Hitlerjugend“, radikalisierte nach dem Krieg Jugendliche in der militanten „Wiking-Jugend“, die 1994 verboten wurde. An der Beisetzung Bibers nahmen 2016 in Salzgitter zahlreiche bekannte Neonazis teil, von denen viele danach mit der Familie gemeinsam noch im „Ratskeller“ zusammentrafen.
Beim Mai-Tanz 2016 in Edendorf dabei
In den 1990er Jahren musizierte Brunhilde mit ihrer Mutter bei der rassistischen „Artgemeinschaft“, schrieb die Fachautorin Franziska Hundseder. 1995 notierten Polizeibehörden, dass Mutter und Tochter an einem Liederabend der „Europaburschenschaft Arminia zu Zürich“ in Heidelberg teilnahmen, wo SS- und NS-Material angeboten wurde. Drei Jahre später waren sie beim Bundeswahlkongress der NPD. Brunhilde und ihre ältere Schwester besuchten die Lager der Jugendorganisation „Sturmvogel“. Diesen Bund hatte ihre Mutter mitgegründet, nachdem es internen Ärger in der „Wiking-Jugend“ gab.
Und heute? Als sich Ende April 2016 rund 200 Anhänger aus völkisch-nationalistischen Gruppen in Edendorf bei Uelzen in einer abgelegenen Scheune zum alljährlichen Mai-Tanz trafen, nahm auch F. daran teil – wie die anderen in Dirndl und mit Zopffrisur. Gemeinsam tanzten dort junge Anhänger der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, ein AfD-Politiker aus Lüneburg oder der Landesvorsitzende der NPD in Mecklenburg-Vorpommern.
Für Irina Kyburz aus dem Vorstand des AStA der Uni Bremen klingen die Vorwürfe gegen F. „gruselig“. Es sei „mehr als relevant“, wenn eine Kommilitonin und zeitweilige Tutorin so ein Weltbild habe, sagte sie gegenüber „TAZ Nord“. So etwas dürfe nicht hinter verschlossenen Türen bleiben, fordert Kyburz. „Solch eine politische Einstellung ist keine Privatsache, eben weil sie als Lehrerin vor Kinder trete.“ Auch einige Mitglieder der Studierendenvertretung zeigten sich „schockiert“. Deren Ansicht nach steht die Vorstellung, womöglich eine „völkisch-nationale Weltvorstellung“ mit in den Unterricht einzubeziehen, „im Widerspruch zum Verständnis einer offenen, toleranten Lehrer/innenrolle“.
* Namen geändert