„Gesellschaft für freie Publizistik“

Völkische Kulturarbeit

Die „Gesellschaft für freie Publizistik“ gehört zu den langjährigen nationalsozialistisch-geprägten Organisationen und Netzwerken im Hintergrund. Aktuell suchen die traditionellen ideologischen VorkämpferInnen erneut den Schulterschluss zur „Neuen Rechten“.

Montag, 26. September 2022
Andrea Röpke
In dem Hotel kam die rechtsextreme „Gesellschaft für freie Publizistik“ zu ihrem Jahreskongress zusammen, Foto: isso.media
In dem Hotel kam die rechtsextreme „Gesellschaft für freie Publizistik“ zu ihrem Jahreskongress zusammen, Foto: isso.media

Jürgen Elsässer verlässt das Hotel Thalfried in Ruhla durch den Hintereingang. Kurz vor 12 Uhr, Sonntagmittag, trägt er Bücher unter dem Arm, fährt dann vom Hof. Knapp eine Stunde später startet der baden-württembergische und frühere AfD-Politiker Dubravko Mandic gemeinsam mit dem rechtsextremen, ehemaligen Münchener Stadtrat Karl Richter die Rückfahrt vom „Jahreskongress 2022 der Gesellschaft für freie Publizistik“ (GfP).

Auf die Fragen eines anwesenden NDR-Teams will Strafverteidiger Mandic nicht antworten, stattdessen kündigt er an: „Irgendwann ändern sich die Zeiten und dann werden Sie die Kamera für uns führen!“ und geht. Der langjährige NPD-Politiker Jürgen Schützinger aus Villingen-Schwenningen steht indes wartend an der Eingangstür.

NS-Relativierung durch Teilnehmer?

Arnold Höfs, notorischer Holocaust-Leugner aus Hannover, gibt sich umgänglich und sagt in die Kamera, man werde bestraft, „wenn die Wahrheit“ gesagt würde und beginnt einen Monolog. Da ist zu hören, dass die Zahlen der Opfer des Nationalsozialismus nicht stimmen könnten. Höfs reduziert den industriellen Massenmord in Auschwitz in kürzester Zeit auf eine Erzählung angeblicher „Scheiterhaufen“. Und weil nicht täglich „300 Feuer“ gebrannt hätten, dürfe er die Verbrechen in Frage stellen, so seine Schlussfolgerung. Bereits 2013 bezeichnete die einladende „Gesellschaft für freie Publizistik“ den Paragraph 130 StGB, der Holocaust-Leugnung unter Strafe stellt, als „skandalös“ und forderte dessen Abschaffung.

In der Einladung zum GfP-Jahreskongress heißt es hinsichtlich des Ukraine-Krieges: „Man könnte glauben, es sei das Jahr 1944; die Medien rühmen die Bewaffnung von Zivilisten und deren Durchhaltewillen. Es ist nun wieder chic, auf verlorenem Posten auszuharren und bis zum `Endsieg´    zu kämpfen.“ Die 1960 gegründete GfP zeichnete sich lange durch eine politische Nähe zur NPD aus. Inhaltlich geht es um die Relativierung von Holocaust und Kriegsschuld Deutschlands, um Reichsideologie und inzwischen auch um Themen wie den Rechtsruck in Europa oder die Klimakatastrophe.

Älteres Publikum

Der Vorsitzende der größten rechtsextremen Kulturorganisation, Martin Pfeiffer, hatte unter dem Motto „Deutschland im Krisenmodus – Corona-Wahnsinn – Klimahysterie – Kriegspropaganda“ erneut konspirativ nach Thüringen eingeladen. Dem Münchener Karl Richter ging es zuvor bei seinem Vortrag – laut interner Einladung um den „Abschied von der westlichen Werteordnung – Deutschland in der Epochenwende: Untergang – Neubeginn – Transformation!“

Rund 90, überwiegend ältere Gäste, reisten in diesem Jahr an. Anti-Impfungs- oder Königsberg-Aufkleber wurden zur Schau gestellt. Viele Kartons wurden hin- und hergetragen. Bücher trugen Titel wie „Die BRD-GmbH“. Luxuskarossen parkten neben Kombis. Zu den Besuchern zählte ein Antiquitätenhändler aus Bayern ebenso wie der Geschäftsführer einer Tiefbaufirma in Berlin. Ein ehemaliger Kapitän auf großer Fahrt aus Nordrhein-Westfalen behauptete, er mache nur Urlaub in dem Hotel, in dem die GfP nach eigenen Angaben alle 40 Zimmer belegte. Mehrere jüngere Teilnehmer verbargen ihr Gesicht.

Medienvertreter angegangen

Die Anhängerschaft rekrutiert sich auch aus ehemaligen Bundeswehrangehörigen, wie zum Beispiel Alfred Zips, einem Oberstleutnant a.D. Zips hält den in Bayern eingetragenen Verein keinesfalls für eine verfassungsfeindliche Gesellschaft, „dann müssten wir doch verboten sein!“ Ein Mann mit Schnauzer wollte nicht reden, sondern schlug gegen die Kamera. Die ungewollte Medienpräsenz draußen störte ihn. Anwohnern fiel die Ansammlung von Fahrzeugen aus allen Teilen der Bundesrepublik und Österreich sofort auf. „Schon wieder Rechtsradikale hier“, fragte ein spaziergehendes Pärchen im Vorübergehen und schüttelte den Kopf: „Was aus dem schönen Hotel geworden ist.“

Um die Organisation der Kongresses kümmert sich die graue Eminenz dieser Szene, Margret Nickel vom Klosterhausverlag in Lippoldsberg. Am Lippoldsberg in Nordhessen entwickelte sich das jährlich stattfindende „Dichtertreffen“ der völkischen Jugendverbände zur zentralen Zusammenkunft, um den nationalsozialistischen Schriftsteller Hans Grimm (1875-1959) zu ehren, Autor von „Volk ohne Raum“. Die Tochter, Holle Grimm, führte die bereits im Dritten Reich stattfindenden „Dichtertage“ bis in die 1990er Jahre fort. Im Klosterhaus Lippoldsberg empfing sie Gruppen wie die Wiking-Jugend, dort wurde 1987 der „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ gegründet.

Ulrich-von-Hutten-Medaille

Die 1918 geborene Verlagsbuchhändlerin Grimm war Vorsitzende der bis heute aktiven, zeitweilig rund 500 Mitglieder starken rechtsextrem ausgerichteten „Gesellschaft für freie Publizistik“. 1994 zeichnete sie die von SS- und NSDAP-Mitgliedern gegründete Gesellschaft mit der eigenen Ulrich-von-Hutten-Medaille aus. Nickel führt das Grimm-Gedenken weiter. Die Verleihung der Medaille findet laut Einladung am Sonntagvormittag statt. Geehrt werden sollte der Österreicher Fred Duswald, der zuletzt öffentlich dadurch auffiel, dass er Überlebende der NS-Konzentrationslager als „Landplage“ verunglimpft hatte. Für die GfP ist der Jubilar, Jahrgang 1934, dagegen als Autor mit „spitzer Feder“ verehrungswürdig.

Seit Jahrzehnten bemühen sich Hintergrundorganisationen wie die GfP einen Kulturkampf von rechts durch intellektuelle Vordenkerschaft aufzubauen. Mit Unterstützung unzähliger Verlage, Vertriebe oder Medien sollen die geistigen Grundlagen für eine mit dem Nationalsozialismus verwandte Politik und Kultur geschaffen werden. Dabei wird sich durchaus immer an aktuellen Ereignissen und Entwicklungen orientiert.

Elsässer wirbt für Autobiografie

Die Einladung und Teilnahme sogenannter neurechter Multiplikatoren wie Elsässer oder Mandic zeigt, dass sich die GfP trotz Überalterung weiterhin in den politischen Radikalisierungsprozess einschalten will. Immer auch gab es auch enge Verbindungen ins völkische und rechtsbündische Lager, wie die Teilnahme von Ingeborg Godenau und ihres Ehemanns Roy, einem langjährigen NPD-Politiker, zeigt. Neben dem letzten Anführer der 1994 verbotenen Wiking-Jugend, Wolfram Nahrath, und dessen Titel „Vom Reich als Mythos“ wurden Referenten wie Elmar Forster oder Bernd Schwipper angekündigt. Forsters Thema: „Ungarns Kampf für Freiheit, Souveränität und gegen den Totalitarismus der Political Correctness“, der promovierte Militärhistoriker Schwipper sollte zu „Die Aufklärung der Bedrohung aus dem Osten – Die Prävention durch die Wehrmacht 1941“ sprechen.

Jürgen Elsässer sollte an diesem Wochenende in Thüringen über „Die Kriegslügen der NATO und die Aufgaben der oppositionellen Medien“ reden. Elsässer begann seine Karriere in den 1970er Jahren als Autor linker Publikationen, heißt es in der Einladung. 2010 gründete er das extrem rechte Monatsmagazin „Compact“. Während er sich lange im Umfeld von AfD und Götz Kubitschek bewegte, scheut der Publizist den Kontakt ins traditionelle rechtsextreme Lager nicht. Vor wenigen Wochen trat er sogar mit Axel Schlimper, einem ehemaligen völkischen Protagonisten der „Europäischen Aktion“, auf. Einer der Tagungsteilnehmer in Ruhla, ein Mann aus Plön, der auch schon bei einer Tagung der holocaustleugnenden Kreise in Guthmannshausen dabei war, erzählt stolz, dass Elsässer am Samstag seine Autobiografie vorgestellt habe. Und er persönlich freue sich sehr, dass der sich vom „Linken zum Nationalkonservativen“ gewandelt habe.

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