Völkische Jugendarbeit

Die Feier zum 30-jährigen Jubiläum des „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ in Sachsen fiel eher spärlich aus. Nur etwa 50 bis 60 Anhänger reisten vergangenes Wochenende nach Cossen nahe Chemnitz.

Mittwoch, 20. September 2017
Andrea Röpke

Auf dem Anwesen waren Zelte und eine Jurte errichtet, gefeiert wurde etwa hundert Meter weiter in einem Saal. Autokennzeichen hatte man verhängt und Ordner vor der Veranstaltung aufgestellt.

Vor 30 Jahren, im September 1987, wurde der „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ gegründet. Wegen persönlicher Differenzen hatten Edda Schmidt und Rudi Wittig damals die „Wiking-Jugend“ (WJ) verlassen und die neue Organisation zur Kinder- und Jugenderziehung ins Leben gerufen. Schmidt ist heute noch eine der engagiertesten Frauen innerhalb der NPD, die Familie ihrer Tochter aus Masendorf in der Lüneburger Heide ist im „Sturmvogel“ aktiv. Der Schwiegersohn von Edda Schmidt beteiligte sich bereits 2008  an einem Neonazi-Aufmarsch in Dresden. Kürzlich fand auf deren Grundstück in Masendorf bereits ein kleines Wochenendtreffen des „Sturmvogels“ statt, die Teilnehmer trugen dabei zum Teil die Grünhemden des Bundes.

Rudi Wittig, erster Bundesführer des „Sturmvogels“, weist heute eine Nähe zur extrem rechten „Identitären Bewegung“ (IB) um Daniel Fiß aus Rostock auf, ein Foto zeigt Wittig beim Stammtisch der „Identitären“ in Mecklenburg. Der aktuelle junge Bundesführer des „Sturmvogels“ stammt aus Bayern, studiert in Würzburg auf Lehramt und beteiligte sich im Juni 2016 mit Megaphon an einem IB-Aufmarsch in Wien.

Nach HDJ-Verbot im „Sturmvogel“-Lager

Trotz der internen „Schmutzkampagne“ zwischen der militanten „Wiking-Jugend“ und dem neuen Bund soll es bis zum Verbot der WJ im Jahr 1994 sporadische Kontakte gegeben haben. Auch mit der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) gab es demnach immer wieder  Zusammenkünfte. Am überbündischen Burgfest auf der Wewelsburg nahmen 2004 neben den „Sturmvögeln“ und „Freibund“-Anhängern trotz vorgeblicher Distanz zur offen NS-orientierten HDJ auch deren Vertreter teil. Nach dem Verbot der HDJ 2009 durch das Bundesinnenministerium tauchten Familien beim „Sturmvogel“ wieder auf, unter anderem brachte der ehemalige Chef des NPD-Ordnungsdienstes Frank Klawitter seine Jungen zu einem Lager in Grabow in Brandenburg.

Zu den Familien, die in den vergangenen Jahren ihre Kinder in die Lager des „Sturmvogels“ entsandten oder deren Sprösslinge zu den Anführern des Bundes gehören, zählt Familie Fröhlich aus Koppelow, die sich vor Jahren in der „Jungen Freiheit“ zu den „Neo-Artamanen“ bekannte, zudem der Holocaust-Leugner Bernhard Schaub aus der Nähe von Demmin, die NPD-nahe Familie Godenau sowie die Familie des ehemaligen Chefredakteurs der „Deutschen Militärzeitschrift“ (DMZ) aus Schleswig-Holstein.

In Uniform nach Größe geordnet stramm stehen

Die Lager des Sturmvogels“ seien „Mittel zum Zweck“ und „keine Familientreffen“ hieß es in deren Organ, dem „Sturmboten“. Auch solle der Bund expandieren und nicht nur aus Geschwisterkindern bestehen, Ziel sei es: „Starke Gruppen vor Ort“ zu schaffen. Jargon und Ideologie  der Gruppe ähneln sehr dem von WJ und HDJ. So lief die  „Mädelarbeit“ schon immer gut. Gerne wird Ernst Jünger zitiert und Kinder heißen „Pimpfe“ und veranstalten „Pimpfenlager“, es geht auf „Thingfahrten“ und der Gruß untereinander heißt: „Heil Dir“.

Der „Sturmvogel“ ist weniger soldatisch ausgerichtet, sein Schwerpunkt liegt bei Brauchtum, Wanderungen und Zeltlager sommers wie winters sowie Musik und Tanz. Bei den Lagern der Gruppe haben auch die Kleinen in Uniform nach Größe geordnet bis zu einer Stunde lang stramm zu stehen, leisten Frühsport und danach Arbeitseinsätze mit. Mädchen tragen lange Röcke und bilden eigene Gruppen.

Intern soll es jetzt auch im „Sturmvogel“ rumoren, die Organisation scheint wegen des öffentlichen Drucks zu zerfallen. Mitglieder sollen unter anderem zum „Jungadler“ abgewandert sein. Personelle Verbindungen gibt es auch zum „Freibund“. In Ostwestfalen bauen sich längst wieder Strukturen der doch verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ auf, die immer stärker werden.

Ehemalige Sturmvögel bei der Feier

In Cossen bewachte am Samstag der Eigentümer das Gelände, er beruhigte die Polizei und begrüßte neugierige Dorfbewohner. In der Vergangenheit veranstaltete er auf seinem Vierseitenhof den „Volkstanzkreis Cossen“ und Erntedankfeste. Zum Volkstanzkreis zählte auch ein Mitglied der inzwischen verbotenen „Nationalen Sozialisten Chemnitz“. Zur „Sturmvogel“-Jubiläumsfeier reisten wohl überwiegend Norddeutsche nach Sachsen. Aus Mecklenburg war Petra Müller mit Angehörigen vertreten, sie hatte  2006 den „Ring Nationaler Frauen“ der NPD mitgegründet und nahm häufig mit Familie an Treffen der rassistischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“ teil.

Als ehemalige Sturmvögel beteiligten sich ein Sohn des langjährigen Antiquariatsbetreibers Uwe Berg aus Toppenstedt sowie ein Spross des  Apothekers Wolfgang Fachmann aus Bienenbüttel an der Feier am Wochenende. Das verstorbene Familienoberhaupt der Fachmann-„Sippe“ hatte unter anderem bei den rechtsextremen „Hetendorfer Tagungswochen“ von Jürgen Rieger referiert und eine ganzseitige Traueranzeige für Rudolf Heß in einem Uelzener Anzeiger veröffentlicht. Der Verfassungsschutz Niedersachsen berichtete 1997: „In seiner im Rahmen der 6. Hetendorfer Tagungswoche 1996 verkauften Broschüre ‘Jahrgang 1929‘ preist FACHMANN den Nationalsozialismus und verharmlost die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen.“

„Deutschland vom Elsass bis ins Memelland“

Mit dabei in Cossen war auch Hilthart Pedersen, der einst für den „Sturmboten“ schrieb, als 17-Jähriger nach eigenem Bekunden eingetreten war und bis 2008 blieb.  2013 verließ Pedersen wegen seiner rechten Umtriebe die Partei Die Piraten in Schleswig-Holstein, für die er kandidieren wollte.

„Die Bedeutung von solchen Gruppen und ihren Schulungen darf nicht unterschätzt werden“, sagt der Politikwissenschaftler Gideon Botsch, der seit Jahren zu rechten Jugendbünden forscht. In einem Jahreskalender des „Sturmvogels“ von 2006 hieß es zum Beispiel: „Auf unseren Wanderungen lernen wir Deutschland kennen“, von „Schleswig-Holstein bis nach Tirol, vom Elsass bis ins Memelland“.

Kategorien
Tags