Völkische Ideologie im Ferienlager

Kindererziehung steht bei der antisemitischen, rassistischen „Ludendorff-Bewegung“ ganz oben auf der Agenda – regelmäßig werden für die Anhänger auch „philosophische“ Schulungen organisiert.

Montag, 28. November 2011
Gideon Thalmann

Für das erste Dezember-Wochenende lädt der rechtsextreme „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff)“ (BfG) zu Weihnachtsfeiern in Nord- und Süddeutschland. Eine dieser zweitägigen Feiern soll – in der Vergangenheit zumeist mit großem Sonnenwendfeuer – in Herboldshausen (Kreis Schwäbisch Hall) durchgeführt werden. In dem kleinen, abgelegenen Ort im Nordosten Baden-Württembergs betreibt der BfG seit Jahrzehnten das „Jugendheim Hohenlohe“.

Ganz in der Nähe, in Ingelfingen (Hohenlohekreis), wohnt die Anführerin des vom Verfassungsschutz wegen seiner antidemokratischen, rassistischen und antisemitischen Ideologie beobachteten BfG. Die Apothekerin Gudrun Klink (Jg. 1962) leitet seit anderthalb Jahren den wichtigsten Verein der Ludendorff-Bewegung. Nach einem Bericht des Norddeutschen Rundfunks über Erich und Mathilde Ludendorff versuchte Klink im Mai in einem Offenen Brief die Kritik an den völkischen Ideologen und die Berichterstattung als fehlerhaft darzustellen: „Dies ist ein typisches Beispiel, wie bei der gewollt lügenhaften Verunglimpfung eines Menschen oder einer Weltanschauung manchmal auch der Verstand aussetzt.“

„Lebenskunde“-Unterricht nach Mathilde Ludendorff

Währenddessen veranstalten die „Ludendorffer“ bundesweit Tagungen und laden zu Vorträgen. Auf dem Anwesen in Herboldshausen werden zudem regelmäßig so genannte „Ferienlager“ des „Arbeitskreises für Lebenskunde“ durchgeführt. So auch im August, als Kinder aus mehreren Bundesländern zwei Wochen im „Jugendheim“ verbrachten. Auf dem Programm standen „Geländespiele“, „Singen und Volkstanzen“. Vor Ort war auch Adelheid „Heidi“ Duppel aus dem niedersächsischen Einbeck (Kreis Northeim), Vorstandsmitglied des völkischen „Lebenskunde“-Vereins.

Im Frühjahr hatte der „Arbeitskreis“ eine DVD mit einem Vortrag von Duppel (Jg. 1953) beworben, der sich speziell an Eltern von Kleinkindern richtet. Über die „Fremdbetreuung“ des Nachwuchses referiert die „Schriftstellerin und Mutter von vier Kindern“ in dem einstündigen Film. Auch der Online-Shop des „Kopp-Verlags“ vertreibt die DVD. Produzent ist Gerwald Soyka (Jg. 1974) aus dem österreichischen Linz, der ebenfalls dem Vorstand des „Arbeitskreises“ angehört.

Der „Arbeitskreis für Lebenskunde“ organisiert regelmäßig Ferienlager, Wanderungen und „philosophische“ Schulungen in Deutschland und dem europäischen Ausland. Kindern und Heranwachsenden wird auch „Lebenskunde“-Unterricht erteilt – ganz im Sinne der Antisemitin Mathilde Ludendorff. Ein „Geschichtslager“ war in diesem Sommer gar auf dem Gelände der Jugendherberge im oberbayrischen Possenhofen geplant, wie interne Unterlagen belegen. Es wurde kurzfristig abgesagt beziehungsweise verlegt.

Gemeinnützige „Ludendorff-Gedenkstätte“

Fernab der kritischen Öffentlichkeit geben die „Ludendorffer“ ihre Ideologie so an die Jugendlichen weiter. Gestört werden sie dabei nicht. Wenn Journalisten die Veranstaltungen dokumentieren, werden sie bedroht und körperlich angegangen. Obwohl BfG und „Verlag Hohe Warte“ ab 1961 verboten waren, gelang es der Führungsriege, nach der Aufhebung des Verbots 1976 neue Strukturen aufzubauen, die bis heute Bestand haben.

Einige Vereine der „Ludendorffer“ sind gar als gemeinnützig anerkannt, werden also steuerrechtlich bevorzugt. Gönner können zudem ihre Spenden an die Organisation von der Steuer absetzen. So erhielt „Die Deutsche Volkshochschule“, die eine Zeitschrift herausgibt und als Denkfabrik der Bewegung fungiert, Ende 1996 einen solchen Bescheid vom zuständigen Finanzamt (bnr.de berichtete www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/gemeinnuetzige-voelkische). Auch das „Ferienheim Schönhagen“, das heute im holsteinischen Schierensee (Kreis Rendsburg-Eckernförde) eine Immobilie betreibt, war zeitweise steuerlich begünstigt worden.

Vor knapp einem Jahr wurde der Verein „Ludendorff-Gedenkstätte“ als gemeinnützig eingestuft. Kurz zuvor war die „Villa Ludendorff“, das ehemalige Landhaus des Ehepaars in Tutzing am Starnberger See, unter Denkmalschutz gestellt worden. Der „Gedenkstätten“-Verein will seit der Gründung 1967 den „Letzten Willen“ von Erich und Mathilde Ludendorff erfüllen und kümmert sich um das Haus, das dortige Archiv sowie das Grab auf dem Tutzinger Friedhof. Die damalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, hatte im vergangenen Jahr vor einem unreflektierten Unter-Denkmalschutz-Stellen gewarnt. Knobloch forderte vielmehr eine Auseinandersetzung mit dem Nazi-Regime sowie mit den Ludendorffs und ihren geistigen Erben. Wenig später erhielt der Trägerverein, der maßgeblich von „Ludendorffer“-Funktionären beeinflusst wird, die Gemeinnützigkeit.

Verlag Hohe Warte als Sprachrohr

Aktiv sind in der „Ludendorff-Gedenkstätte“ Kader der Bewegung aus ganz Deutschland. Vorsitzender ist Hans Binder (Jg. 1943) aus Lindau am Bodensee. Mitglieder sind zum Beispiel die Berlinerin Helge S., die regelmäßig Anmeldungen für BfG-Veranstaltungen in Brandenburg entgegennimmt, und Wilfried Duppel (Jg. 1943), Geschäftsführer des „Verlags Hohe Warte“. Im Falle einer Auflösung des seit einem Jahr als gemeinnützig geltenden Vereins soll das Vermögen laut Satzung an den BfG fallen. Wieso die Behörden nicht genauer hingeschaut haben, welchem Personenkreis sie zu steuerlichen Vergünstigungen verhelfen, bleibt ein Rätsel.

Als wichtigstes Sprachrohr der heutigen Ludendorff-Anhänger fungiert der Verlag Hohe Warte im oberbayrischen Pähl. In einem 2002 erschienenen Buch von Hans Kopp („Geschichte der Ludendorff-Bewegung“, 2. Band) heißt es unverhohlen in Bezug auf die sechs Millionen von den Nazis ermordeten Juden: „Auch wer die unhaltbare Zahl von 6 Millionen anzweifelte, wurde als Antisemit gebrandmarkt, obwohl man eigentlich erwarten müsste, dass ein Antisemit lieber mehr Tote gesehen hätte.“ Das Buch ist weiterhin erhältlich. Offenbar haben auch hier die Behörden nicht so genau hingesehen, wenngleich der Verlag im Bericht des bayrischen Verfassungsschutzes 2008 aufgeführt wird.

Diese Mischung aus völkischer Ideologie und Kindererziehung scheint besorgniserregend. In vielen Familien („Sippen“) wird das antidemokratische Gedankengut Ludendorffs weitergelebt und auch an die Jüngsten weitergegeben. Zudem werden Kinder bei entsprechenden Veranstaltungen mit dieser Weltanschauung indoktriniert. Die Völkischen können nahezu ungehindert agieren.

 

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