Völkische Graswurzelarbeit

NPDler haben die „Mecklenburg-Vorpommersche Strukturentwicklungs-Genossenschaft e.G.“ gegründet, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zwecke fördern soll. Auch das neurechte Projekt „Ein Prozent“ sieht Potenzial in der Förderung des ländlichen Raumes und ruft die „AG Netzwerk Landraum“ ins Leben.

Dienstag, 19. Dezember 2017
Rike Schröder

Seit dem beendeten Verbotsverfahren gegen die NPD und den verlorenen Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern scheinen sich die Parteimitglieder aus der Öffentlichkeit zurück gezogen zu haben. Auch mit den rassistischen Aufmärschen der NPD-dominierten MVgida ist es vorbei. Die organisierten rechtsextremen Strukturen haben ihren Fokus verändert. 

Bereits nach dem verpassten Wiedereinzug der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 2016 kündete der Vorsitzende der Jungen Nationaldemokraten (JN) Sebastian Richter an, dass die JN-Bundesführung die Thematik „Siedler“ aufgreifen werde und ihnen die „Graswurzelarbeit wichtiger als die Parlamentssitze“ wäre. Im selbigen Jahr posierte Richter auch auf der Titelseite des rechtsextremen Magazins „Der Aktivist“ und warf die Frage auf, „Treckersitz oder Parlamentssessel?“. Aktuell scheint man sich wohl für den Treckersitz 
entschieden zu haben. Der Siedlungsgedanke, den die JN-Bundesführung erneut aufgenommen hat, hat innerhalb der rechten Strukturen mehr Gewicht bekommen.

„Alles für eine Idee!“

Am 15. Juli 2016 wurde aus dem Umfeld der NPD die „Mecklenburg Vorpommersche-Strukturentwicklungs-Genossenschaft e.G.“ ins Leben gerufen. Zweck der Genossenschaft ist die „Schaffung, Verwaltung und Bewirtschaftung von Wohn-und Gewerberäumen, Unterstützung bei Unternehmensgründung und Erhalt von bestehenden Unternehmen“ sowie „die allgemeine Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Strukturentwicklung im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern“. Dazu kann die Genossenschaft Grundstücke und Immobilien erwerben und bewirtschaften. Ebenso kann sie in „allen Bereichen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, des Städtebaus und der Infrastruktur anfallenden Aufgaben übernehmen“. Auf der Internetseite der Genossenschaft prangt der Slogan „Alle für eine Idee!“.

Die Genossenschaftsmitglieder setzen sich vorwiegend aus NPDlern beziehungsweise JNlern sowie auch früheren Anhängern der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ zusammen. Im Vorstand befinden sich Tino Streif, Andreas Kolb und Andreas G. Der Aufsichtsrat besteht aus dem Vorsitzenden Torgai Klingebiel, seinem Stellvertreter Klaus Streif und David Petereit. Sitz der Genossenschaft ist im bundesweit bekannten Neonazi-Treff  „Thinghaus“ in Grevesmühlen, wo auch die Gründungsversammlung  stattfand.

Zu den Mitgliedern gehören auch Teile der „Dorfgemeinschaft Jamel“, wie Sven Krüger, der Inhaber des „Thinghauses“, oder Steffen M. Bekannte Neonazis aus der organisierten Szene in Mecklenburg-Vorpommern sind in der Strukturentwicklungs-Genossenschaft zu finden.

Neurechtes Projekt sucht „Pioniere"

Die NPDler aus Mecklenburg-Vorpommern sind nicht die Einzigen, die die Wichtigkeit in der nationalen Entwicklungsförderung des ländlichen Raumes sehen. Das neurechte Projekt „Ein Prozent" verkündete Ende November die Gründung der AG „Netzwerk Landraum“.  Ähnlich wie die Strukturentwicklungs-Genossenschaft wollen die den „Identitären“ nahestehenden Aktivisten Strukturen in der Provinz aufbauen und fördern. Ziel ist „die Stärkung des ländlichen Raumes“, der „maßgeblich für den Identitätsgehalt des Ganzen“ sei.

Auf der Internetseite werden Investoren und „Pioniere“ gesucht.  Die so genannten „Pioniere“ sollen in erworbene Immobilien ziehen, dort Strukturen aufbauen sowie nachhaltig festigen und sich mit den anderen Landbewohnern vernetzen. Ausgewählt wurden dafür fünf Modellregionen, in denen die Ideen umgesetzt werden sollen. Die AG dient als Organisationsstruktur, die dabei unterstützend und bewachend zur Seite  steht.

Modellregion Nordwestmecklenburg

Das Konzept ist nicht neu. Die völkisch-nationale Siedlerbewegung versucht schon seit Jahrzehnten, ihre eigene Gesellschaft auf dem Lande 
aufzubauen. Gerade in sozial- und strukturschwachen Regionen wie dem Flächenland Mecklenburg-Vorpommern fällt es den extremen Rechten nicht schwer, geeignete, leerstehende Gebäude und Bauland zu finden. Alte, verlassene Bauernhäuser, die nur auf einen neuen Investor warten, gibt es genügend.

Mit der Schaffung von Rechtsformen, wie der „Mecklenburg-Vorpommerschen-Strukturentwicklungs-Genossenschaft e.G.“, können Neonazis systematisch den ländlichen Raum besiedeln. Solche Ansätze gibt es bereits jetzt schon. In dem als Nazi-Dorf geltenden Jamel wurden in den vergangenen Jahren systematisch alle Bewohner, die den Rechten nicht passten, vergrault. Einzig die Familie Lohmeyer macht sich öffentlich stark gegen Rechts.

Die Modellregion Jamel bietet den Neonazis, was sie brauchen: Arbeit, Wohnraum und Erlebniswelt. Nun könnten weitere Enklaven folgen, in denen braunes Gedankengut dominiert. Die Gründung von rechtsextremen Genossenschaften und AGs, die die Provinz beleben wollen, ist dazu der erste Schritt.

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