Vierte Haftstrafe für Hitler-Verehrerin
Die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel ist erneut zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Wegen Volksverhetzung in sieben Fällen und einem Versuch soll sie zweieinhalb Jahre hinter Gitter.
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen ging am Montag der Prozess gegen die Hitler-Verehrerin beim Amtsgericht im niedersächsischen Verden über die Bühne. Rund ein Dutzend Justizwachtmeister und 40 Bereitschaftspolizisten waren im Einsatz. Da Haverbeck-Wetzel stets mit einer großen Zahl von Anhängern anreist, wurde extra ein großer Saal am Landgericht für das Verfahren ausgesucht.
Weil die Staatsanwaltschaft Verden von einer Gefängnisstrafe von über zwei Jahren ausging, fand die Verhandlung vor dem Schöffengericht statt. Als Pflichtverteidiger wählte sich die Angeklagte den Szeneanwalt Wolfram Nahrath, den letzten Vorsitzenden der „Wiking-Jugend“. Bei den vergangenen drei Verfahren hatte sich Haverbeck-Wetzel in langen Monologen, die kaum etwas mit der Sache zu tun hatten, noch selbst verteidigt, doch vor dem Schöffengericht herrscht Anwaltspflicht.
Gleich zwei Anklageschriften musste die Staatsanwältin verlesen: In fünf Ausgaben der rechtsextremen Zeitschrift „Stimme des Reiches“ aus 2014 und drei weiteren aus 2015 fanden sich volksverhetzende Inhalte. Da eine der Ausgaben wegen einer Razzia jedoch gar nicht erst an die Abonnenten verschickt werden konnte, handelte es sich in einem Fall nur um den Versuch der Volksverhetzung. Dass Haverbeck-Wetzel diese unter ihrem Namen veröffentlichten Beiträge selbst verfasst hatte, räumte sie bereits vor Prozessbeginn in zwei Briefen an das Gericht ein.
Holocaust als Propagandalüge
In Auschwitz habe es keine Gaskammern gegeben, da Auschwitz ein Arbeitslager, jedoch kein Vernichtungslager gewesen sei. Das ist die Haverbeck-Wetzel seit einigen Jahren vertretende Lüge, die sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit verbreitet. Und überhaupt: Der Holocaust sei eine Propagandalüge, erfunden von den Juden und den Alliierten. Auch in den „Stimme des Reiches“ hatte sie dieses immer wieder behauptet.
Die „Stimme des Reiches“ wird in Verden herausgegeben, im Impressum taucht die Telefonnummer und die Kontoverbindung von Rigolf Hennig auf. Das Blatt gleicht in Themenwahl, Autoren und Aufmachung der „Stimme des Gewissens“, der Mitgliederzeitschrift des 2008 verbotenen „Collegium Humanum“. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Stefan Schwartze fordert deshalb seit Jahren ein Verbot der „Stimme des Reiches“. Doch lediglich zu einer Indizierung, die in diesen Tagen ausläuft, hat es gereicht. (bnr.de berichtete)
Vor Gericht verteidigte Nahrath seine Mandantin. Zuerst wies er auf vermeintliche Formfehler des Gerichts hin, er habe die zweite Anklage gar nicht erhalten. Als dies nicht weiter half, stellte Nahrath den Antrag, das Verfahren gegen Haverbeck-Wetzel einzustellen. Die Arbeit der Staatsanwaltschaft sei „schlampig“. Als dieser Antrag abgelehnt wurde, beantragte Nahrath einmal mehr, das Verfahren einzustellen. Die Begründung dieses Antrags dauerte über eine Stunde. Geduldig ließ der Vorsitzende Richter Christoph Neelsen den rechtsextremen Anwalt referieren: Der Paragraph 130, Absatz 3, der die Verherrlichung und Leugnung von NS-Verbrechen unter Strafe stellt, sei „verfassungswidrig und damit nichtig“, es sei „ein in Gesetz gegossener Verstoß gegen das Grundgesetz“. „Wir bewegen uns hier auf Verfassungs- und Menschenrechtsniveau“, so Nahrath. Das Gericht lehnte den Antrag ebenfalls ab.
„Pfui“-Rufe aus dem Besucherbereich bei Urteilsverkündung
So blieb Haverbeck-Wetzel nach der Beweisaufnahme und dem Plädoyer der Staatsanwältin, die zwei Jahre und sechs Monate Haft forderte, nur noch das letzte Wort. Über eine halbe Stunde trug die Holocaust-Leugnerin darin ihre Thesen vor. „Wo sind also die sechs Millionen Juden vergast worden?“ fragte sie. Und antwortete sich selbst: „Eine Antwort gibt es nicht!“ In ihren Schlussworten bestritt sie erneut den Holocaust. Ob die Staatsanwaltschaft diese erneut zur Anklage bringt, ist noch nicht klar.
Nach halbstündiger Beratung konnten Richter Neelsen und seine beiden Schöffen das Urteil verkünden. Einige der Rechtsextremisten, darunter Peter P., Anhänger der „Europäischen Aktion“, wollten zur Urteilsverkündung nicht aufstehen. Nach mehrmaliger Ermahnung durch die Wachtmeister erhoben sie sich dann doch. Obwohl Neelsen bereits zur Eröffnung des Verfahrens angekündigt hatte, den Besucherbereich räumen zu lassen, falls es zu Störungen oder Zwischenrufen komme, musste der Vorsitzende Richter sein Urteil unter „Pfui“-Rufen verkünden: Mit 30 Monaten Haft entsprach das Urteil dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß. Haverbeck-Wetzel wisse genau, was sie tue, sie sei eine intelligente Frau. Mit ihrem Leugnen der NS-Verbrechen wolle sie die Nazi-Herrschaft schönreden. Nach der Urteilsverkündung stimmten die Rechtsextremisten noch das „Deutschlandlied“ in allen drei Strophen im Gerichtssaal an, ehe die Justizwachtmeister sie aus dem Saal warfen.
Während der Prozess im Oktober noch ein wahres Stelldichein der Szene um Haverbeck-Wetzel herum war, kamen zum Verdener Prozess lediglich rund 30 Sympathisanten. Prominenz dieser Szene suchte man vergebens, lediglich der Verdener Rechtsextremist Rigolf Hennig verfolgte die Verhandlung. Der Deutschland-Chef der „Europäischen Aktion“ steht wegen derselben Ausgaben der „Stimme des Reiches“ ab nächster Woche vor dem Amtsgericht in Verden. Das Verfahren wurde jedoch abgetrennt, da der Hennig-Prozess offenbar beweisaufwändiger ist.
Haverbeck-Photo mit Blumenstrauß
Interessantes gab der Prozess über die Organisationsstruktur hinter der „Stimme des Reiches“ preis. Im Oktober, so die Verdener Staatsanwältin, sei Niels Fortmann aus Nienburg (Weser) verurteilt worden, da er 2014 als Administrator der Website der „Stimme des Reiches“ tätig war. Fortmann ist ehemaliger NPD-Kandidat und Verantwortlicher der Internetseite der NPD Nienburg. Das Urteil des Amtsgerichts Nienburg ist inzwischen rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Markus Walter die „Stimme des Reiches“-Seite 2015 betreut hat. Dass der „Die Rechte“-Funktionär Walter die Webseite von Haverbeck-Wetzel betreibt, hatte die Holocaust-Leugnerin bereits im Oktober bei einem Prozess dem Staatsanwalt im bestätigt. Auch gegen Walter wird ermittelt.
Bei einer Durchsuchung in Haverbeck-Wetzels Wohnung im westfälischen Vlotho (Kreis Herford) im Februar vergangenen Jahres hatte das Landeskriminalamt Niedersachsen rund 500 Hefte der „Stimme des Reiches“ beschlagnahmt. Zuvor, das hat das Landeskriminalamt ermittelt, hatten Rigolf Hennig und Haverbeck-Wetzel die neueste Ausgabe in Versandumschläge eingetütet. Sie sollte just an die Abonnenten verschickt werden. Über 200 Abonnenten verfügte das Blatt Anfang 2015.
Nach dem Prozess am gestrigen Montag posierte Haverbeck-Wetzel noch mit einem Blumenstrauß für ein Photo, das der Rechtsextremist Matthias Schwier aus Minden aufnahm. Vor ihr hielten zwei Gesinnungsgenossen ein Banner mit der Aufschrift „Nur die Wahrheit macht euch frei!“. Dass sie in den Knast muss, glaubt Haverbeck-Wetzel nicht: Die Urteile werden keinen Bestand haben, so die Volksverhetzerin auf dem Gerichtsparkplatz.