Prozessauftakt

Vier Neonazis sollen „Combat 18“ nach dem Verbot weiterbetrieben haben

Ein Quartett um die bekannten Neonazis Stanley Röske und Robin Schmiemann steht in Dortmund vor Gericht: Als Rädelsführer sollen die Männer das Verbot von „Combat 18 Deutschland“ ignoriert und einfach weitergemacht haben, als wäre nichts gewesen – inklusive Vernetzung mit anderen militant-rechtsextremen Organisationen. Die Angeklagten schweigen zu den Vorwürfen. Aus ihrer Haltung aber machen sie keinen Hehl.

Donnerstag, 26. Juni 2025
Joachim F. Tornau
Zwei der heute Angeklagten im Gespräch mit ihren bekannten Verteidigern
Zwei der heute Angeklagten im Gespräch mit ihren bekannten Verteidigern

Robin Schmiemann dreht schon vor Verhandlungsbeginn auf. Während seine Mitangeklagten noch bemüht teilnahmslos vor sich hin starren, demonstriert der 40-Jährige sein neonazistisches Selbstbewusstsein. Formt im Gerichtsaal seine Finger zur „White Power“-Geste, spricht einen antifaschistischen Pressefotografen mit Namen an, knipst ein Selfie vor der Phalanx der Fernsehkameras und Fotoapparate. Und grinst.

Der Mann, aus Dortmund stammend, aber mittlerweile in Muggensturm (Baden-Württemberg) lebend, muss sich seit Donnerstag zusammen mit drei Gesinnungsgenossen vor dem Landgericht in Dortmund verantworten. Der Vorwurf: Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot. Gemeinsam sollen die vier Angeklagten als Rädelsführer die Neonazi-Organisation „Combat 18 Deutschland“ weiterbetrieben haben, die 2020 wegen ihrer „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ und ihrer Gewaltbereitschaft vom damaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU) verboten wurde. 
 

Wie vor dem Verbot soll Stanley Röske aus Eisenach dabei den Anführer gegeben haben. „Er wird aufgrund seiner hervorgehobenen Funktion von den Mitgliedern als ‚König‘ bezeichnet“, heißt es in der Anklage der Bundesanwaltschaft. Im Keller seines Hauses habe der 49-Jährige ein „Vereinslokal“ eingerichtet, mit einer „Combat 18“-Fahne über dem Tresen. Dass die Militanz bei Röske & Co. mit bizarrer Piefigkeit einhergeht, hatte sich schon vor dem Verbot gezeigt, als die Recherchegruppe Exif die „Combat 18 Deutschland Richtlinien“ mit peniblen Regelungen zu Mitgliedsbeiträgen, Kleiderordnung und „Pflichttreffen“ publik gemacht hatte.

Fast 20 Treffen der verbotenen Gruppierung zwischen Oktober 2020 und März 2022 listet die Anklage auf, darunter sind Wanderungen (oder auch: „Leistungsmärsche“), Geburtstagsfeiern und Rechtsrockkonzerte, aber auch eine Aufnahmeprüfung für Neumitglieder und Vernetzungen mit anderen Neonazi-Organisationen wie der Eisenacher Kampfsportgruppe „Knockout 51“, die von der Bundesanwaltschaft als terroristische Vereinigung verfolgt wird, und dem extrem rechten Rockerclub „Brigade 8“. Am Rande des Trauermarschs zum Tod von Siegfried Borchardt („SS-Siggi“) am 9. Oktober 2021 in Dortmund soll es, vorbereitet von Robin Schmiemann, zudem zu einem Treffen mit William Browning gekommen sein, dem internationalen Chef von „Combat 18“. 

Blood & Honour verboten - Combat 18 lange nicht

Gegründet wurde „Combat 18“ – die Ziffern stehen für die Initialen von Adolf Hitler – in den neunziger Jahren in Großbritannien, als bewaffneter Arm des Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“. In zahlreichen Ländern gibt es Ableger. Propagiert wird ein aggressiver Rassismus und Antisemitismus, verbunden mit dem Aufruf zur Gründung kleiner, unabhängig agierender Terrorzellen gemäß der Strategie des „führerlosen Widerstands“. 

Obwohl „Blood & Honour“ in Deutschland schon im Jahr 2000 verboten wurde, durfte „Combat 18“ hierzulande noch zwei Jahrzehnte weiter machen. Noch länger unbehelligt blieben die mutmaßlich als „Blood & Honour“-Ersatz gegründeten „Brothers of Honour“: Erst in dieser Woche gingen die Behörden mit Razzien in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gegen die rockerähnlich auftretende Organisation vor. Im Zentrum der Gruppierung soll Marko Gottschalk stehen, Gründer und Frontmann der Dortmunder Rechtsrockband „Oidoxie“. Insgesamt ist in den Mitteilungen der beteiligten Landeskriminalämter von 14 Beschuldigten im Alter zwischen 35 und 57 Jahren die Rede.

Die Männer, die nun in Dortmund vor Gericht stehen und zu den Anklagevorwürfen allesamt schweigen, haben es sämtlich zu einer gewissen Prominenz in der Szene gebracht. Der unter anderem wegen Schmuggels von Munition und Verstoßes gegen das Verbot von „Blood & Honour“ vorbestrafte Stanley Röske gehörte nach der Jahrtausendwende in Kassel zum Umfeld von Stephan Ernst, dem späteren Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke. Verteidigt wird er von den Szene-Anwält*innen Heiko Urbanzyk und Nicole Schneiders. Keven L. aus Eisenach, laut Anklage Röskes „rechte Hand“ und verantwortlich für den theoretischen Teil der Aufnahmeprüfungen mit Fragen wie „Wann wurde [Rudolf] Hess ermordet?“, kandidierte 2016 in Karlsruhe für die mittlerweile aufgelöste Kleinstpartei „Die Rechte“. Der 44-Jährige wird von Alexander Dann und Kati Schreiter vertreten. 
 

Robin Schmiemann mit einschlägigem Shirt und Tattoo bei einer Demonstration in Dortmund
Robin Schmiemann mit einschlägigem Shirt und Tattoo bei einer Demonstration in Dortmund

Gregor Alexander M. aus Höchstberg in Rheinland-Pfalz betreibt einen Versandhandel für Rechtsrock und Szenekleidung und saß wegen einer brutalen Racheaktion gegen einen angeblichen „Verräter“ hinter Gittern. Als Verteidiger*innen hat der 45-Jährige Jochen Lober und Kerstin Rueber-Unkelbach engagiert, die im Frankfurter Terrorprozess gegen die mutmaßlichen Reichsbürger-Verschwörer*innen um Heinrich XIII. Prinz Reuß die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann vertreten – und das Verfahren dabei nach Kräften ins Lächerliche zu ziehen versuchen.

Briefwechsel mit Beate Zschäpe

Robin Schmiemann, der Mann mit dem demonstrativ zur Schau gestellten Selbstbewusstsein, ist ein rechtsextremer Hyperaktivist, unterwegs auf Demos und Konzerten genauso wie als brauner Tiktoker. Acht Jahre hat er im Gefängnis gesessen, weil er bei einem gescheiterten Raubüberfall einen migrantischen Mann angeschossen und lebensgefährlich verletzt hat. Auf dem Kehlkopf trägt er ein Tattoo mit zwei gekreuzten Stabhandgranaten – dem Abzeichen der berüchtigten SS-Sondereinheit Dirlewanger ebenso wie der „Arischen Bruderschaft“ von Neonazi-Führer und „Die Heimat“-Funktionär Thorsten Heise. Bekannt wurde Schmiemann aber vor allem durch den innigen Briefwechsel, den er mit der NSU-Terroristin Beate Zschäpe führte. Auch ihm stehen mit Hendrik Schnelle und Alexander Heinig einschlägig bekannte Verteidiger*innen zur Seite.

Für den Prozess sind zunächst noch zwölf Verhandlungstage bis September angesetzt. Es ist jedoch nicht das einzige Verfahren in diesem Komplex: Gegen 13 weitere Männer und zwei Frauen, die an Treffen von „Combat 18“ teilgenommen haben sollen, sind bundesweit noch Verfahren anhängig. Gegen ein Mitglied aus dem Saarland erließ das Amtsgericht Merzig bereits im vergangenen Jahr einen Strafbefehl über 3600 Euro (120 Tagessätze à 30 Euro). Die Ermittlungen gegen einen Mann aus Dortmund wurden gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
 

 

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