AfD-nahe Vereinsgründung
Vielfalt am Rande: Alternative für Deutsche mit Migrationshintergrund?
Am Sonntag hat sich im hessischen Gießen der AfD-nahe Verein „Mit Migrationshintergrund für Deutschland“ gegründet. Nachdem das Vorhaben zunächst für Aufsehen gesorgt hatte, ist es seit dem Wochenende eher still um den Verein geworden.

Maßgeblich beteiligt an den Vorbereitungen war der hessische Landeschef Robert Lambrou. Er ist nach eigenen Angaben Sohn eines Griechen und einer Deutschen. In seiner Einladung hatte er darauf hingewiesen, dass Deutschland „kein klassisches Einwanderungsland […,] aber schon seit Jahren ein begehrtes Ziel für Einwanderer“ sei. Menschen mit Migrationshintergrund stünden nicht „grundsätzlich politisch links“, vielmehr wünschten sie sich „eine authentische freiheitlich-konservative Politik.“ Die AfD könne nur „Volkspartei“ sein, wenn man diese Menschen einbinde.
Menschen mit Migrationshintergrund müssten sich aber, wenn sie dem Verein beitreten wollten, „zur Deutschen Leitkultur bekenn[en] und sich für den Fortbestand der Nation als kultureller Einheit einsetz[en]“, schrieb Lambrou weiter in seiner Einladung. Solche Zuwanderer seien „bei uns willkommen.“ Lambrou erinnerte auch daran, dass die AfD-Bundestagsfraktion „prozentual gesehen mehr Abgeordnete mit Migrationshintergrund als Union und FDP“ habe.
Gegen die „etablierten“ Migranten?
Tatsächlich handelt es sich bei einer solchen Argumentation um einen provokativen Taschenspielertrick. Unter anderem zählt die AfD offenbar den im heutigen Tschechien geborenen Petr Bystron dazu. Eugen Schmidt ist als Russlanddeutscher formal Deutscher, stammt aber aus Kasachstan. Markus Frohnmaier ist im rumänischen Craiova geboren. Allen drei Abgeordneten gehören indes zum klassisch weißen, völkischen Teil der Partei. Gegenüber anderen Migrantengruppen und Menschen mit dunkler Hautfarbe bevorzugen sie eine radikale Rhetorik.
Die Pläne für den neuen Verein erinnern an die „Juden in der AfD“ (JAfD). Die JAfD wird auf knapp über 20 Personen geschätzt, die Bundespartei selbst hat derzeit offenbar rund 30.000 Mitglieder. Ein Mitbegründer der Gruppe aus dem Rhein-Erft-Kreis war Anhänger des rechtsextremen „Flügels“, relativierte auf Facebook den Holocaust. Kritiker der JAfD bemängelten, dass die personell irrelevante Gruppe der Partei lediglich dazu diene, Antisemitismusvorwürfe zu entkräften. Gleichzeitig fungieren die JAfD als Kritiker am „etablierten“ Judentums, insbesondere dann, wenn dessen Vertreter die AfD kritisieren.
Zwischen Spaltung und „biologischem Volksbegriff“
In einem Bericht der „Hessenschau“-Online des Hessischen Rundfunks hatte Jürgen Frömmrich, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Landtag, Kritik an dem sich gründen wollenden Verein geübt. Er vermutete einen Versuch der AfD, „sich ein bürgerliches Image zu geben“. Das „Geschäftsmodell der AfD ist aber die Spaltung unserer Gesellschaft, der Kampf gegen Vielfalt und das Schüren von Hass und Hetze", ergänzte Frömmrich gegenüber dem HR-Portal.
Anders regierte die neonazistische Splitterpartei „Der Dritte Weg“, die der AfD vorwarf, sie wolle „mitnichten allein die Interessen des deutschen Volkes vertreten“. Die AfD gehe „überhaupt gar nicht erst von einem biologischen Volksbegriff“ aus. Man beziehe „sämtliche Volksfremde“ mit ein und betreibe somit die Öffnung des „historisch gewachsenen, genetisch geschlossenen Volksverbandes“.
Das Private ist politisch
Der neue Verein soll zwar der AfD sehr nahe stehen, formal jedoch keine reguläre Unterorganisation darstellen. Dies hatte Lambrou zuvor in einer Facebook-Gruppe unter Parteifreunden mitgeteilt. Auf die Frage einer hessischen Funktionärin, was die Vereinigung mit der Partei zu tun habe, antwortete Lambrou, es handele sich um einen „private[n] Verein“. Er habe „offiziell“ nichts mit der AfD zu tun. Deshalb verschicke er Einladungen auch von seinem „privaten E-Mail-Account“.
Über die eigentliche Gründung wurde bisher wenig bekannt. Laut dem AfD-Politiker Carlo Clemens sei Robert Lambrou zum Vorsitzenden gewählt worden, rund 40 Personen hätten an der Gründungsveranstaltung teilgenommen. Alexander Tassis postete auf seinem Facebook-Profil, er sei in Gießen einstimmig zum Stellvertretenden Schatzmeister in den Vorstand gewählt worden. Zudem würde sich der Vorstand bis auf eine Ausnahme aus Personen mit Migrationshintergrund zusammensetzen. Tassis hat griechische Wurzeln und gehörte zeitweise als Schriftführer dem Vorstand der AfD-nahen „Patriotischen Plattform“ (PP) an. Die PP stand ähnlich weit rechtsaußen wie der „Flügel“ und löste sich vor Jahren aus Sorge vor einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz selbst auf.