Verschwörungsideologische „Gegenmahnwache“

Düren – Rund zehn Vertreter aus dem rechten und verschwörungsgläubigen Spektrum haben am Aschermittwoch im nordrhein-westfälischen Düren gegen eine Mahnwache für die Opfer der rassistischen Morde in Hanau demonstriert.

Donnerstag, 27. Februar 2020
Redaktion

Ursprung für die rechtsradikale Aktion war eine am Rosenmontag durch das „Dürener Bündnis gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt“ (BgR) beworbene Mahnwache, mit der man auf dem Markt an die Opfer in Hanau erinnern wollte. Angekündigt für den 26. Februar mobilisierte das rechte Spektrum ab dem frühen Dienstagabend dann überraschend für eine eigene „Mahnwache“ in der direkten Nachbarschaft zum BgR. Als Motto wurde angegeben: „Gegen die Instrumentalisierung von Gewaltverbrechen!“ In teils hämischen Tonfall hieß es zudem in einer internen, bnr.de vorliegenden Nachricht: „Die Antifa wird auch da sein. Da lohnt sich eine Gegendemo ganz besonders.“

Die extrem rechte „Mahnwache“ am 26. Februar bestand aus Menschen aus dem Umfeld der AfD, einem Mann aus dem früheren NPD-Umfeld, unterschiedlichen Personen aus dem Lager rechter Verschwörungsgläubiger, dem ehemaligen und unterdessen ins rechte Lager gewechselten Kopf der „Friedensbewegung Düren“, Werner L., sowie einem „Reichsbürger“. Einige Teilnehmer waren zuvor zeitweise auch als rechtsradikale „Gelbwesten“ aktiv gewesen.

„Alles kleine Reichstagsbrände“

Anmelder der „Mahnwache“ am Aschermittwoch war Heinrich „Heinz“ M., wegen seiner selbst gebastelten provokanten Schilder bei rechtsextremen und fremdenfeindlichen Versammlungen bundesweit auch als „Schilder-Heinz“ bekannt. M. kommt aus dem Kreis Euskirchen und war früher AfD-Mitglied, heute will er das nicht mehr sein. Die AfD-Frau und in Teilen ihrer Partei wegen ihrer Medienaktivitäten nicht unumstrittene Yennyfer I. aus Düren bot einen Livestream im Internet an. Darin lästerte sie mehrmals über die Teilnehmer der BgR-Mahnwache und über Antifaschisten.

„Schilder-Heinz“ vertrat am Aschermittwoch in Düren auf seinem Plakat die Losung: „Lübke [sic!], Halle, Hanau: Alles kleine Reichstagsbrände!“ In einer verschwörungsideologischen Rede betonte er, die Nationalsozialisten hätten seinerzeit den Reichstag selbst aus politischem Kalkül in Brand gesteckt. Indirekt warf er also in dieser Kombination unterschiedlicher Andeutungen dem demokratischen Rechtsstaat vor, selbst für die genannten Morde durch Rechtsextremisten und Rassisten verantwortlich zu sein. M. zweifelte in seiner Rede auch die offizielle Version über die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001 an. Seine Veranstaltung nannte er eine „Gegen-Mahnwache“.

„Master Splitter“ bezweifelt Täterschaft

Die Tonanlage in Düren stellte am gestrigen Aschermittwoch Sascha V. aus Jüchen (Rhein-Kreis Neuss), der als Rapper „Master Spitter“, „Reichsbürger“ und Verschwörungsideologe aktiv ist. (bnr.de berichtete) In einer kurzen Rede versuchte V. Zweifel zu wecken an der Täterschaft des Tobias R., der nach Stand der Ermittlungen die rassistischen Morde in Hanau begangen haben soll. Dabei berief sich V. lediglich auf eine in rechtsextremen Kreisen kursierende Info, wonach ein türkischer „Augenzeuge“ bestreitet, R. an einem Tatort gesehen zu haben.

Bundesweit dürfte eine solche, offiziell bei den Behörden angemeldete Aktion aus dem rechten Spektrum in direkter Gegnerschaft zu einer Mahnwache für die Opfer von Hanau bislang einzigartig gewesen sein. An der Mahnwache des BgR nahmen über 100 Menschen teil, darunter auch Bürgermeister Paul Larue (CDU). (mik)

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