Tour
Verschwörungsbooster: Daniele Ganser will große Hallen füllen
Aktuell tourt der „Friedensforscher“ und zuweilen auch als Verschwörungstheoretiker oder -ideologe bezeichnete Daniele Ganser durch die Schweiz, Österreich und Deutschland. Unterdessen beschert ihm das Schlagzeilen.
Da Ganser Räume und Hallen ansteuert, die von Städten oder der öffentlichen Hand zumindest teilweise betrieben oder verwaltet werden, gibt es unterdessen Kritik an seinen Tourplänen. Solche Räume in Innsbruck bleiben ihm verwehrt. Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi (Grüne) wies laut Bericht des „Standards“ die Congress und Messe Innsbruck (CMI) GmbH an, die Veranstaltung Ende Januar nicht stattfinden zu lassen. Ganser will nun wohl auf Ausweichräume zurückgreifen.
In vielen anderen Städten darf Ganser indes auftreten respektive werden seine Auftritte weiter beworben. Im hessischen Bensheim führten wegen der großen Nachfrage eine Serie mehrere Auftritte im Vorfeld dazu, dass laut „Darmstädter Echo“ Sponsoren absprangen. Aufgrund des Gastspiels Gansers im städtischen Bürgerhaus, heute das Kultur- und Kongresszentrum, würden die Sponsoren auch künftig die Zusammenarbeit mit dem lokalen Veranstalter überdenken. Anlass für die Kritik waren Hinweise des Beratungsnetzwerkes Hessen, das sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus einsetzt. Es nannte Ganser einen „bekannte[n] Verschwörungsideologe[n]“.
Putin-Narrativ und Ukraine-Krieg
Gansers Thema ist bei den derzeit vor allem im Frühjahr, aber in Einzelfällen auch bis November anstehenden Auftritten nahezu immer gleich: „Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?“ Ganser ist Historiker, hat jedoch einen Hang zu Verschwörungserzählungen entwickelt und füllt heute auch große Säle. Als Eintritt müssen Interessierte je Termin rund 30 Euro berappen. Die Abende gleichen Pilgerevents für Menschen, die zwischen Verschwörungsglauben, „Querdenken“, Putin-Anhängerschaft und Antiamerikanismus pendeln.
Ganser hatte einst ein besseres Standing in wissenschaftlichen Kreisen und in Teilen der Friedensbewegung. Allerdings entwickelte er nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA eine andere Sicht als jene, die in solchen Kreisen als „Mainstream“ bezeichnet wird. Ganser selbst bestreitet, ein Verschwörungstheoretiker zu sein. Wie nicht wenige in jenen Kreisen will er oft lediglich Fragen stellen oder auf Widersprüche und Unklarheiten hinweisen.
Hochgradig manipulative Suggestivfragen
Ganser entwickelte Entertainer-Qualitäten und wurde zum Bestsellerautor von Büchern wie „Imperium USA: Die skrupellose Weltmacht“ oder „Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren. Eine Chronik von Kuba bis Syrien“. Im Zuge der Tournee gastiert er unter anderem in Nürnberg (Meistersingerhalle), in Dortmund (Westfalenhalle), in Hannover (Congress Centrum) und in Rostock (Stadthalle). In den Ankündigungstexten wird deutlich, dass Ganser der USA und der Nato eine Mitschuld für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gibt.
Ganser argumentativ zu entzaubern, ist Kärrnerarbeit und benötigt Fachwissen. Der Text „Die Methode Ganser“ von Michael Butter, Professor für Amerikanische Literatur- und Kulturgeschichte an der Universität Tübingen, erschien 2019 in „Republik“ („Das digitale Magazin für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur“). Über Ganser stellte Butter fest, er stelle „Suggestivfragen, reisst Zitate und Bildquellen aus dem Zusammenhang und verschweigt alles, was nicht in sein Argument passt. Seine Ausführungen lassen nur den Schluss zu, dass die US-Regierung oder ein Teil von ihr hinter den Anschlägen [des 11. September 2001 in den USA] steckt.“
Sinkendes Ansehen als Historiker
Butter machte an zwei Beispielen deutlich, wie Ganser ihm nützliche Bildquellen selektiv auswählt und andere bekannte Perspektiven „hochgradig manipulativ“ auslässt. Das andere Bildmaterial würde nämlich die von Ganser formulierten Fragen zumindest in Teilen beantworten und ergo dessen daher falschen Fragen und Andeutungen widerlegen. Michael Butter stellte 2019 schon dar, das Gansers Reputation und Ansehen als Historiker in Fachkreisen stark abnimmt, weil er zuvor schon mit Protagonisten aus dem verschwörungsideologischen Spektrum zusammenarbeitete. Butter prognostizierte, Ganser werde daher den Weg außerhalb der Fachwelt weiter beschreiten.
Im August 2022 berichtete die „Basler Zeitung“ davon, dass Butters damalige These eingetroffen war. Fachkollegen und Politiker, mit denen Ganser zuvor kooperierte, distanzierten sich nun deutlich von ihm. Und zwar, wie es in dem Bericht hieß, „weil er Verschwörungstheorien verbreitet“. Festgestellt wurde von dem Schweizer Blatt aber auch: „Je mehr sich der Historiker von seinem Fach und von wissenschaftlichen Standards abwendet, desto mehr Publikum scheint er zu finden.“
Querdenker, Impfgegner und Verschwörungsgläubige
Im Dezember veröffentlichte der „Standard“ einen Blogpost von Christian Kreil, der sich als Ethnologe auch mit Themen wie Verschwörungsmythen und Alternativmedizin beschäftigt. In „Der triggernde Influencer und Putin-Versteher“ thematisiert Kreil, dass Ganser auch für den Film respektive – wie er es nennt – die „Querdenker-Schmonzette Pandemned“ interviewt wurde. „In solchen Milieus tritt nur auf, wer den Applaus von Querdenkern, Impfgegnern sowie Verschwörungsgläubigen sucht. […] Ganser triggert diese Leute ganz bewusst. Das ist Teil des Geschäftsmodell eines Verschwörungsplauderers.“
Faktenbasierte Wissenschaft „erwarten seine Fans auch nicht. Sie erwarten von Ganser eine Bestätigung ihrer eigenen Verschwörungsplaudereien und ihres holzschnitzartigen Weltbilds“, merkte Kreil im Dezember zudem in seinem Text an. Gansers Kritiker in Medien, Wissenschaft und Politik erwarten dabei nicht selten eine Vielzahl an Beschwerdeschreiben und Kommentaren in den sozialen Medien oder in den Kommentarspalten der Online-Ausgaben von Zeitungen. Anhänger halten Ganser offenbar für eine äußerst glaubwürdige Instanz, für eine Art Helden oder Guru – ergo halten sie ihn auch für unangreifbar.