Verfassungsfeinde pur

Eine Studie zu Ideologie und Programmatik der NPD zeigt deren demokratie- und pluralismusfeindliche Grundpositionen auf.

Dienstag, 24. Januar 2017
Armin Pfahl-Traughber

Der Politikwissenschaftler Gideon Botsch legt mit „Wahre Demokratie und Volksgemeinschaft. Ideologie und Programmatik der NPD und ihres rechtsextremen Umfelds“ eine kleine Abhandlung zur Bedeutung und Funktion der genannten Begriffe im rechtsextremen Lager vor. Die Arbeit beeindruckt durch die akribische und quellengestützte Darstellung, welche die Kontinuität derartiger Diskurse bis zurück in die Frühgeschichte der Bundesrepublik Deutschland gut belegt.

Am 17. Januar verkündete das Bundesverfassungsgericht, dass die NPD zwar eine feindliche Einstellung gegenüber der Verfassung aufweise, aber aufgrund ihrer geringen Bedeutung in der Gesellschaft nicht verboten werde. Belege für die erst genannte Aussage liefert auch der Politikwissenschaftler Gideon Botsch, der die Forschungs- und Dokumentationsstelle Antisemitismus am Moses Mendelssohn-Zentrum in Potsdam leitet. Sein Buch „Wahre Demokratie und Volksgemeinschaft. Ideologie und Programmatik der NPD und ihres rechtsextremen Umfelds“ will die Grundpositionen der Partei „in den Kontext der ideologiegeschichtlichen Entwicklung des radikalen Nationalismus seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“ (S. 3) stellen. Dazu hat der Autor zwei frühere Analysen ein wenig um Material aus den Jahren nach 2010/2011 ergänzt und daraus mit einem anderen Text eine eigenständige Monographie erstellt. In ihr analysiert er die Neupositionierung der Partei bezogen auf deren Auffassung von „Demokratie“ und „Volksgemeinschaft“.

„Vulgärdemokratische Fundamentalopposition“

Zu Beginn steht eine historische Betrachtung, wobei nach den parteipolitischen Kontinuitäten im deutschen Rechtsextremismus von der „Deutschen Reichspartei“ (DRP) bis zur  Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) gefragt wird. Anschließend geht es um die Entwicklung im rechtsextremen Lager „zwischen ‚vulgärdemokratischer’ Fundamentalopposition und neo-nationalsozialistischer Mobilisierung“ (S. 33) bezogen auf die Auffassung zu „Demokratie“.

Hier greift Botsch bis in die Geschichte des Nachkriegsrechtsextremismus zurück. Damit kann er deutlich machen, dass „ihr spezifischer Demokratiebezug tief in der Programmgeschichte der NPD – und damit in der Ideologie des bundesdeutschen Rechtsextremismus – verwurzelt ist“ (S. 66). Die Partei präsentiere sich als Repräsentant einer „wahren Demokratie“, schmähe aber als selbst ernannte Fundamentalopposition die bestehende Demokratie. Gegen Ende des Abschnitts findet sich noch eine differenziert gehaltene, vergleichende Betrachtung zur Programmatik der AfD.

Ideengeschichtliche Kontinuitäten zum Nationalsozialismus

Dem folgt eine Analyse zur „’Volksgemeinschaft’ als weltanschauliche Grundposition der extremen Rechten in der Bundesrepublik Deutschland“ (S. 77). Auch hier geht der Autor bis auf das Jahr 1949 zurück und beschreibt die Entwicklung des Rekurses auf „Volksgemeinschaft“ in drei Etappen bis in die Gegenwart hinein. Dies habe „eine sehr früh einsetzende, sehr dichte und sehr stabile Thematisierung, Mobilisierung und programmatische Verankerung des Volksgemeinschaftsdenkens zutage gefördert, die erkennen lässt, das es hierbei um eine ‚Grundeinstellung’ oder Grundposition’ (...) der extremen Rechten in der Nachkriegszeit“ (S. 96f.) gehe. Die Rede von der „Volksgemeinschaft“ habe dabei als Gegenmodell zum Parlamentarismus wie zum Pluralismus gedient. Gleichzeitig wurde damit eine Frontstellung gegen eine „multikulturellen Gesellschaft“ zugunsten von „ethnischer Homogenität“ propagiert. Beide Begriffe, „wahre Demokratie“ und „Volksgemeinschaft“, wiesen ideengeschichtliche Kontinuitäten zum historischen Nationalsozialismus auf.

Botsch hat seine Deutungen durch akribische Quellenrecherche gut belegen können. Beide Begriffe dienen sowohl zur Diffamierung wie Umdeutung von demokratischen Wertvorstellungen. Daraus ergibt sich ihre Gefahr für demokratische Werte. Auch die Kontinuität derartiger Propaganda wird von dem Verfasser verdeutlicht. Es handelt sich um Grundpositionen der extremistischen Rechten, die ihre Demokratie- und Pluralismusfeindlichkeit anschaulich belegen. Botsch hätte in seine Analyse noch neueres Material nach 2010/2011 stärker einbeziehen können. So wirkt das Buch ein wenig wie „Aus zwei Aufsätzen mal geschwind eine Monographie“. Der Autor beruft sich bei der Arbeit mit dem Begriff „Vulgärdemokratie“ auf den Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel. Warum er in diesem Kontext nicht dessen Differenzierung von identitärer und pluralistischer Demokratie genutzt hat, bleibt ein wenig unklar. Gleichwohl mindert dieser Einwand nicht die Qualität der Schrift, die auch die Ideologie des Rechtsextremismus stärker thematisiert.

Gideon Botsch, Wahre Demokratie und Volksgemeinschaft. Ideologie und Programmatik der NPD und ihres rechtsextremen Umfelds, Wiesbaden 2017 (Springer VS), 126 S., 29,99 Euro.

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