Seit ihrer Gründung 1992 galt die Organisation „Combat 18“ als bewaffneter Arm des Neonazi-Netzwerks „Blood&Honour“. Trotz des Verbots in Deutschland im Jahr 2000 scheinen beide Gruppierungen unter anderem in Thüringen ihre Aktivitäten wieder fortzusetzen.
Freitag,
26. Mai 2017
Redaktion
Logos des in Deutschland verbotenen "Blood&Honour"-Netzwerkes und dessen bewaffneten Arms "Combat 18".
von Kai Budler – übernommen mit freundlicher Genehmigung des "blick nach rechts"
Im November 2016 durchsuchte die Polizei Wohnungen von vier Neonazis in Suhl und Zella-Mehlis im Süden Thüringens. Der Vorwurf: Mit der Gruppierung „Blood&Honour Südthüringen“ sollen sie gegen das Vereinigungsverbot nach Paragraf 86 StGB verstoßen haben (bnr.de berichtete). Die Beamten beschlagnahmten Computer, Speichermedien und Dokumente, die Ermittlungen dauern noch an.
In der Vergangenheit gab es immer wieder Hinweise, dass Neonazis die Arbeit des in Deutschland verbotenen Netzwerks fortsetzen. Dies gilt auch für Thüringen, wie jetzt aktuelle Antworten der Landesregierung auf Anfragen zu „Combat 18“ (C18) und „Blood&Honour“ (B&H) zeigen. Das Innenministerium nennt zwei Rechtsrock-Bands und einen braunen Liedermacher, die bei Veranstaltungen auftraten, die von ausländischen Sektionen der B&H-Bewegung organisiert wurden. Dazu zählt die Formation „Killuminati“, an der Neonazis aus Thüringen, Baden-Württemberg und Sachsen beteiligt sind. Bereits ihre erste CD „Jetzt sind wir da“ wurde von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert. Die Texte wirkten „verrohend und zu Gewalt anreizend“, die Jugendgefährdung sei „insbesondere wegen der Verharmlosung der Ideologie des Nationalsozialismus erheblich“, heißt es in der Begründung. Neben der Gruppierung „Kommando S3“ ist dem thüringischen Innenministerium zufolge auch der Neonazi-Liedermacher Tobias W. alias „Tobias aus Thüringen“ bei Veranstaltungen im Ausland aufgetreten. Seit 2013 spielte er unter anderem bei B&H-Konzerten in England, den Niederlanden, Schweden und Ungarn auf.
Thüringer Neonazi-Bands mit B&H-Bezug
Auch ehemalige und aktive B&H-Mitglieder sind in Thüringer Rechtsrock-Bands aktiv. In der Antwort des Innenministeriums werden die Formationen „Unbeliebte Jungs“ und „Treueorden“ genannt. In beiden Bands sind Angeklagte im „Ballstädt-Prozess“, der im November 2015 vor dem Landgericht Erfurt eröffnet wurde (bnr.de berichtete) aktiv.* Bei der Combo „Unbeliebte Jungs“ musiziert Ricky N., der bereits 2006 verdächtigt wurde, B&H fortzuführen. Mit auf der Bühne stehen ebenfalls die Beschuldigten David S. und Marcus R., der im Gerichtssaal auf dem Hinterkopf seine Tätowierung „Combat 18“ zur Schau stellt. Auch Rocco B. zählt zu den Angeklagten und ist Gitarrist bei der Formation „Treueorden“. Die Combo stand unter anderem im Oktober 2016 im schweizerischen Unterwasser vor mehreren tausend Neonazis auf der Bühne. Das Rechtsrock-Konzert wurde von der Züricher B&H-Sektion gemeinsam mit Thüringer Rechten organisiert, die Eintrittsgelder flossen auf das Konto eines Thüringer Neonazis.
Als dritte Thüringer Neonazi-Band mit Bezug zu B&H nennt das Innenministerium „Kommando S3“, die in mehreren europäischen Ländern bei B&H-Konzerten aufgetreten sind. Zwar ist bislang unbekannt, wer sich dahinter verbirgt, doch schon der Name legt eine Nähe zum Umfeld des „Gelben Hauses“ in Ballstädt und seinem Umfeld der „Kameradschaft Jonastal“ nahe. „S3“ war der Deckname eines Bauvorhabens, bei dem 1944 im Jonastal das letzte unterirdische „Führerhauptquartier“ errichtet werden sollte. Für den Bau wurden 30.000 KZ-Häftlinge eingesetzt, ein Drittel davon starb an Misshandlungen und Entkräftung. Diese menschenverachtende Namensgebung erinnert an die Band „Sonderkommando Dirlewanger“ (SKD) mit ihren Wurzeln im B&H-Netzwerk des Neonazis Thomas W., dem Hauptangeklagten im Ballstädt-Prozess.
C18-Gruppierung seit 2013 aktiv
W. produziert im „Gelben Haus“ inzwischen die Musik anderer Rechtsrock-Bands, so von der Combo „Unbeliebte Jungs“. Die Neonazi-Immobilie ist auch Treffpunkt der rockerähnlich auftretenden Gruppierung „Turonen/Garde 20“. An dieser sind Angeklagte aus dem Ballstädt-Verfahren mit Verbindungen zu „Blood&Honour“ beteiligt.
Hotspot der Rechtsrock-Konzerte in Thüringen, bei denen sich Anhaltspunkte für einen B&H-Hintergrund finden beziehungsweise deren Veranstalter früher dem Netzwerk zurechnet wurden, scheint die „Erlebnisscheune“ in Kirchheim im Ilmkreis zu sein. Zwischen Dezember 2014 und Juni 2016 fanden hier allein fünf Konzerte aus dieser Kategorie statt. Auch der bewaffnete Arm von B&H, „Combat 18“, ist in Thüringen trotz des Verbots aktiv. Neonazis aus dem Freistaat gehören zu einer C18-Gruppierung, die Mitglieder aus sieben Bundesländern hat. Nach Angaben der Bundesregierung ist sie bereits seit 2013 aktiv.
* Im Ballstädt-Prozess hat das Landgericht Erfurt am 24. Mai zehn Angeklagte zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und zwei Monaten bis drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ein Angeklagter erhielt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, vier Beschuldigte wurden freigesprochen.
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