Vater: Deutscher. Das Schicksal der norwegischen Lebensbornkinder und ihrer Mütter von 1940 bis heute
Der nationalsozialistische Rassenwahn war durchgängig destruktiv.
Wo er aber versuchte, die „arische Rasse“ nicht durch Ausgrenzung und Vernichtung Anderer, sondern durch Zucht und Germanisierung „aufzunorden“, konnte dies Konsequenzen haben, wie sie Kare Olsen in „Vater: Deutscher“ schildert. Nach der Eroberung Norwegens durch die deutsche Wehrmacht waren Hunderttausende deutscher Soldaten in einem Land stationiert, dessen Bevölkerung der nationalsozialistischen Führung als rassisch wertvoll galt. Deshalb versuchte die SS, Kinder, die deutsche Soldaten mit norwegischen Frauen gezeugt hatten, in ihren Einflussbereich zu bringen und richtete in Norwegen die erste Lebensbornstelle außerhalb des Deutschen Reiches ein. Sie hatte 200 bis 300 Mitarbeiter und nahm die schwangeren Norwegerinnen in Heime auf, wo sie entbanden und mit ihren Kindern lebten. Insgesamt hatte der Lebensborn mit 7600 der insgesamt 12 000 Fälle deutsch-norwegischer Kinder während der Besatzung zu tun. Trotz des karitativen Anscheins arbeitete der norwegische Zweig des Lebensborn ausschließlich bevölkerungspolitisch. Die Frauen wurden nach Rassemerkmalen untersucht und mussten Formulare ausfüllen, in denen nach Herkunft, Gesundheit und Fotos ihrer Eltern und Großeltern gefragt wurde. Auch Weltanschauung und Lebensführung wurden untersucht. Wenn die nordnorwegischen Samen, die zur mongolischen Rasse gezählt wurden, in der Ahnenreihe vorkamen oder die Mutter einen „absolut minderwertigen Eindruck“ machte, wurde das Kind in ein Kinderheim gegeben. Etwa 200 Kinder brachte man zur Adoption nach Deutschland, um die „Volksgemeinschaft“ rassisch zu verbessern, ohne dass die ledigen Mütter davon erfuhren. 1944 ordnete Hitlerdeutschland an, dass die in Norwegen lebenden deutschen Frauen und Kinder ins Reich gebracht werden sollten. Für Norwegerinnen, die durch die Heirat oder „Fernheirat“ mit einem Deutschen automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatten, konnte das „heim ins Reich“ bedeuten, dass sie statt ihrer Flitterwochen vom Partner an der Ostfront getrennt zu den Schwiegereltern reisten und in die schlimmste Zeit der Bombardierung und Not gerieten. Das Schiff Monte Rosa mit 700 oft schwangeren Frauen und Kindern lief beinahe auf eine Seemine, und als es in Swinemünde ankam, gab es keine Unterkunft. Die „Aktion Rückführung“ endete damit, dass die Frauen, die meist kein Deutsch konnten, sich in den Elendszug der Flüchtlinge und Vertriebenen einreihten, während sich gleichzeitig in Deutschland lebende Norweger unter ähnlichen Gefahren in ihre Heimat durchschlugen. Die SS wollte ein biologisch identisches Volk züchten. Was blieb, war das Identitätsproblem vieler norwegischer Lebensbornkinder und -mütter, die nach Kriegsende diskriminiert wurden. Erst spät erfuhren sie, wer ihr Vater war oder warum sie keinen hatten. Kare Olsen, der im Reichsarchiv Oslo diese Anfragen bearbeitete, hat eine sorgfältig gearbeitete und belegte Studie vorgelegt.