US-Neonazis auf Talfahrt

Die einst mitgliederstarke amerikanische Gruppierung „National Alliance“ weist zehn Jahre nach dem Tod ihres Gründers William Pierce einen nur noch kümmerlichen Mitgliederstand auf.

Freitag, 07. September 2012
Anton Maegerle

Einem kürzlich erschienenen Bericht der Bürgerrechtsgruppe Southern Poverty Law Center (SPLC; Sitz: Montgomery/Alabama) zufolge tummeln sich in den Reihen der NA nur noch an die 75 Neonazis, darunter zahlreiche Kriminelle. Beim Tod des einstigen NA-Führers William Pierce am 23. Juli 2002 waren es noch 1400 Mitglieder.  Damals erzielte die NA einen wöchentlichen Umsatz von 18 000 Dollar durch den Verkauf von NS-Devotionalien wie Büchern und Musik. Heute tendiert der Umsatz gegen Null.

Den Niedergang der „National Alliance“ soll der Ex-Profi-Boxer Erich Gliebe (Jg. 1963) zu verantworten haben, der seit zehn Jahren an der Spitze der NA steht. SPLC attestiert Gliebe eine massive Führungsschwäche. Bei einer NA-Konferenz im Jahr 2010 hatte auch Willis Carto, Gründer des geschichtsrevisionistischen „Institute for Historical Review“ (IHR), die Talfahrt der NA an der Person Gliebe festgemacht.

„Jüdisches Establishment“ als Feindbild

Gliebe, Sohn eines Wehrmacht-Veterans, hatte in den 90er Jahren in Cleveland, Ohio, die größte NA-Sektion in den USA aufgebaut. Regelmäßig führte er dort White Power-Musikveranstaltungen durch. 1999 übertrug Pierce ihm die Leitung des rechtsextremen Labels „Resistance Records“ sowie des „Resistance Magazine“. Feindbilder Gliebe’s sind das „jüdische Establishment“ und „weiße Verräter an ihrer Rasse“.

Der Hitler-Verehrer William Pierce gründete 1974 die aus der „National Youth Alliance“ hervorgegangene „National Alliance“. Im Jahr 1978 publizierte Pierce unter dem Pseudonym Andrew Mac Donald die berüchtigten „Turner Diaries“. Das Machwerk  inspirierte die White Power Bewegung weltweit und soll als Vorlage für den Bombenanschlag des Rechtsterroristen Timothy McVeigh in Oklahoma City im April 1995 gedient haben, bei dem 168 Menschen getötet wurden. Die rechtsterroristische Truppe „The Order“ nahm sich die „Turner Diaries“ in den 80er Jahren zum Vorbild für ihre Raubzüge durch den US-amerikanischen Westen.

Bombenanschläge auf Einwanderer geplant

„Hunter“, der zweite Roman Pierce’s, von dem mehr als 500 000 Exemplare verkauft wurden, erzählt die Geschichte eines Mannes, der gemischte Paare ermordet, um einen Rassenkrieg anzuzetteln. Der 2002 verstorbene Pierce pflegte auch enge Kontakte zur deutschen NPD. So war er Ehrengast beim „1. Tag des Nationalen Widerstandes“ der NPD am 7. Februar 1998 im bayerischen Passau.

Zwar ist die NA heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Trotzdem lieferten Neonazis, die zumindest zeitweilig dieser rassistischen Truppe angehörten, immer wieder Schlagzeilen. So wurde im vergangenen Jahr Kevin Harpham in Washington verhaftet, der ein Attentat auf Martin Luther King jr. geplant hatte. Harpham wurde zu einer 32-jährigen Haftstrafe verurteilt. Ebenfalls festgenommen wurde Jeffrey Harbin, der Bombenanschläge auf lateinamerikanische Einwanderer verüben wollte. 2010 gingen William Dathan Holbert und seine Lebensgefährtin der Polizei in Nicaragua ins Netz. Das Paar hatte zuvor mehrere Menschen in Panama getötet und ausgeraubt. Michael David Carothers (alias Michael Weaver) war von Gliebe zum NA-Aktivisten des Jahres 2008 gekürt worden. Kurze Zeit nach dieser Ehrung griff Carothers einen dunkelhäutigen Mann an.

 

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