Prozess
Unterstützerin von Umsturzplänen?
Die mutmaßliche Terrorgruppe „Vereinte Patrioten“ war gut vernetzt in der verschwörungsideologischen Szene. Isabell B. soll von den Geheimplänen gewusst haben und muss sich nun vor Gericht verantworten – ihr wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe vorgeworfen.

Die Frau aus dem Landkreis Hildesheim muss sich ab Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Celle wegen der Mitgliedschaft in der sogenannten „Kaiserreichsgruppe“ („Vereinte Patrioten“) verantworten. Isabell B. soll an Plänen zum Sturz von Regierung und Demokratie beteiligt gewesen sein. Der Vorwurf der Generalstaatsanwaltschaft Celle gegen die Angeklagte lautet auf mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Die 38-Jährige soll im Besitz eines Schlagrings gewesen sein und sich laut Pressemitteilung des OLG Celle zu den Themen Technik und Nahkampfausbildung in die Umsturz-Planungen eingebracht haben.
Die „Vereinten Patrioten“ unter der Führung von Elisabeth R., Sven B. und Thomas O. planten einen Putsch, Sprengstoffanschläge auf das Stromnetz und die Entführung von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Eine neue autoritäre Regierungsform nach dem Vorbild des Deutschen Reiches von 1871 sollte ihren Vorstellungen nach entstehen. Die Gruppe verdeutlicht einen Vernetzungs- und Radikalisierungstrend in der Reichsbürger-Szene. Seit Mai 2023 haben sich fünf Angeklagte wegen des Terrorvorwurfes vor dem Oberlandesgericht in Koblenz zu verantworten. Der jetzt in Celle startende Prozess gegen die niedersächsische Unterstützerin ist eines von vielen abgezweigten Verfahren des Koblenz-Komplexes u.a. in Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main und München. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe fordert für vier der fünf Hauptangeklagten hohe Haftstrafen.
Die Technikerin der Truppe
In Koblenz trat Isabell B. als Belastungszeugin auf, will die Umsturzplanungen zunächst als „Schnapsidee“ wahrgenommen haben und ging dann zur Polizei, als sie bemerkt haben will, dass es ernst war. Sie stellte sich als bedrohte Verräterin dar. Doch wer ist die Frau, die sich jetzt in Celle vor Gericht verantworten muss? Der Hauptanklagte Sven B. aus Falkensee habe Isabell B. 2020 kennengelernt, sie seien beide als Administratoren der Telegram-Gruppe „Veteranenpool“ tätig gewesen, erinnert Prozessberichterstatter Joachim Tornau. Der Drahtzieher aus Brandenburg habe einen guten Kontakt zu ihr aufgebaut. Im Januar 2022 nahm sie noch an einer Umsturzdiskussion der Reichsbürger-Fans beteiligt.
Sven B. setzte sich nicht nur im Netz, sondern auch bei Demonstrationen wie „Querdenken“ in Kassel für die russische „Nationalistische Befreiungsbewegung in Deutschland“ (DEU-NOD) ein. Im März 2021 drohte er in Kassel vor laufender Kamera auf die Frage der Autorin: "Wir wollen dieses System weghaben!"
Gemeinsam mit dem Putin-Fanatiker administrierte Isabell B. eigenen Angaben zufolge bereits die pro-russische DEU-NOD-Telegramgruppe. Im Juli 2021 fand bei Sven B. zuhause eine Zusammenkunft mit allen Veteranenpool-Administratoren statt. Von Tobias S. aus Thüringen sei damals die Idee aufgekommen, etwas Größeres als den „Veteranenpool“ aufzubauen. Am 18. September 2021 veranstaltete der Thüringer Tobias S. ein militärisches Biwak zwischen Wechmar und Wandersleben, an dem auch Sven B. teilgenommen hatte.
Eigene Rolle heruntergespielt
Isabell B. sei dann auch Administratorin der internen Kanals „Vereinte Patrioten“ geworden, erklärt der Mainzer Journalist Ronny Junghans, der damals direkt dazu recherchierte. B. versuche heute allerdings ihre Rolle herunter zu spielen, so Junghans.
Sie gab in Koblenz an, als „Hausfrau und Mutter“ tätig zu sein. Sie habe als Leiterin eines Frisörbedarfsgeschäftes gearbeitet. Sven B. sagte im Koblenz-Verfahren aus, ihm habe imponiert, dass die jüngere Frau „Hinz und Kunz“ im verschwörungsideologischen Spektrum gekannt habe. Sie empfahl seiner Gruppe demnach nicht registrierte SIM-Karten und setzte sich für mehr Deutschtum ein, dass Deutsche müsse wieder in den Vordergrund rücken, soll sie gesagt haben. Isabells B.s Ehemann wurde 2003 in einer Liste des Landeskriminalamtes mit rechtsextremen „Szene-Kontakten“ geführt. Sein Name stand gleich unter dem von Holger Apfel aus Hildesheim, dem späteren Parteivorsitzenden der NPD.
Treffen in Schlotheim und Verden
Der Angeklagten wird vorgeworfen, sich an konspirativen Treffen der „Vereinten Patrioten“ am 15. Januar 2022 im thüringischen Schlotheim und am 20. Februar 2022 in Verden beteiligt zu haben. Letzteres fand mit rund einem Dutzend Leuten im Haus des inzwischen verstorbenen Neonazis und Holocaustleugners Rigolf Hennig statt. Auch „Landwirte“ seien dabei gewesen, die den Zeitpunkt für einen herbeizuführenden Blackout für Mai forderten, denn das sei günstig nach der Aussaat. In Verden sei es dann noch um ein Treffen mit einem Finanzier aus Hannover gegangen. David W. übergab eine Anzahlung für einen Waffenkauf.
Beim Schlotheim-Treffen wurde die Entführung Lauterbachs genauer diskutiert und welche Waffen man dafür benötige. Es sollen laut Gericht in Koblenz auch Nahkampftechniken geübt worden sein. Nach der Zusammenkunft will die Beschuldigte bemerkt haben, dass es sich nicht um eine „Schnapsidee“ handelte, sondern die Gruppe die Pläne ernst meinte. Sie ging zur Polizei und berichtete von Schlotheim. Ihre Aktivitäten endeten dann jedoch nicht: Die Frau traf sich mit den anderen Verschwörern wenig später in Verden.