Vergangenes Wochenende
Unterbundene Reichsbürger- und Rechtsrock-Veranstaltungen
Das Wochenende war geprägt von rechten und verschwörungsideologischen Kundgebungen. Einige mussten wegen starker Gegenproteste abgebrochen oder verkürzt werden. Die Polizei ging gegen ein Reichsbürger-Treffen und Rechtsrock-Konzerte vor.

Am Samstag versammelten sich mehrere hundert Verschwörungsgläubige und Rechte zu einem angeblichen „Herbsterwachen“ in Göttingen. Aufgrund starker Proteste und Straßenblockaden aus dem antifaschistischen und bürgerlichen Spektrum wurde die Demonstration zunächst umgeleitet. Da der Widerstand der rund 1.500 Menschen zu massiv war, kehrte die Demonstration um und wurde von der Polizei zurück zum Ausgangspunkt geleitet.
Das Spektrum der Teilnehmenden reichte von Querdenkern und Verschwörungsgläubigen bis hin zu Personen aus dem rechten bis rechtsextremen Spektrum. Mitverantwortlich war unter anderem der aus dem Ruhrgebiet stammende Michael Schele. Da bei den Blockadeaktionen zwischenzeitlich auch Mülltonnen und Paletten angezündet worden waren, erklärte Schele gegenüber dem NDR, dass hier Menschen Meinungsfreiheit nicht tolerieren würden. Dies würden sie mit „brennenden Holzpaletten“ als „Argumente“ unterstreichen.
Ein Unschuldslamm ist der Daueraktivist gleichwohl nicht. Als im Frühjahr 2021 in Kassel nur eine stationäre Querdenken-Kundgebung mit 6.000 Teilnehmern genehmigt worden war, initiierte Schele mit einer Handvoll Mitstreiter einen illegalen Aufmarsch mit mehreren tausend Personen. Schele schritt anfangs jener illegalen Demonstration voran. Per Megaphon gab er die Losung vor, einen hilflos wirkenden Blockadeversuch einiger Antifaschisten zu durchbrechen. Er selbst trat dabei rabiat ein Fahrrad um. Nachdem er dann mit Polizisten aneinander geraten war zogen diese ihn aus dem Verkehr.
Querdenken und AfD vollziehen Schulterschluss
Mit Gegenprotesten in kleinerem Umfang traf sich in Magdeburg das verschwörungsgläubige und extrem rechte Spektrum mit rund 2.000 Personen. Neben Vertretern der AfD nahmen auch solche von Die Basis, Rechtsradikale, Querdenker, Putin-Anhänger und Impfgegner teil. Die Versammlung stand unter dem Motto: „Deutschland steht auf!“ Die AfD erklärte sich am Samstag in Magdeburg ganz offen zum parlamentarischen Arm jenes verschwörungsideologischen Gepräges.
Moderiert wurde die Veranstaltung vom mehrfach vorbestraften Daueraktivisten Thomas Brauner. Über 20 Rednerinnen und Redner standen auf dem Programm, darunter das „Who is Who“ der Szene. Auch mehrere AfD-Politiker traten ans Mikrofon, darunter Christina Baum aus dem AfD-Bundesvorstand. Sie warb ebenso wie Parteifreunde offen für die Wahl ihrer Partei. „Wir als AfD [gehören] genauso zum Widerstand […] wie ihr. Wir sind der parlamentarische Widerstand“, rief Baum den Demonstrierenden zu.
„White Power“-Gruß
Ebenfalls am Samstag fand in Berlin und Köln der „Marsch für das Leben“ von zum Teil erzreaktionären Christen und „Lebensschützern“ statt. In beiden Städten wurden die Demonstrationen von starken Gegenprotesten begleitet. In Köln musste der „Marsch für das Leben“ deshalb nach wenigen hundert Metern abgebrochen und die etwa 1.000 bis 1.500 Teilnehmer zum Ausgangspunkt zurückgeführt werden. In Berlin, wo fast 2.000 Gegner von Abtreibungen und Sterbehilfe auf die Straße gingen, war der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer auf einem Foto neben einem Rassisten zu sehen.
Nach Angaben des Bayerischen Rundfunks distanzierte sich das Bistum Regensburg später von der rassistischen Geste, die der junge Mann neben dem Bischof gezeigt hatte. Er hatte einer Fotografin dabei provokativ mit seiner Hand den „White Power“-Gruß gezeigt. Das Bistum hatte zunächst angekündigt, juristisch gegen das auf X (vormals Twitter) veröffentlichte Foto und die Fotografin vorzugehen. Presserechtlich ist das Bild jedoch legitim. Darauf sind mehrere Teilnehmer der Versammlung zu sehen. Bischof Voderholzer ist überdies eine Person der Zeitgeschichte.
Sowohl in Berlin als auch in Köln beteiligten sich auch extreme Rechte sowie AfD-Anhänger und -Politiker an den Versammlungen der Abtreibungsgegner. Am „Marsch für das Leben“ in Köln nahmen am Samstag beispielsweise auch „Identitäre“ – deren regionale Nachfolgeorganisation sich „Revolte Rheinland“ nennt –, regionale AfD-Funktionäre, völkische Burschenschafter und christliche Fundamentalisten der „TFP Student Action“ teil.
Polizei unterbindet Veranstaltung des „Königreich Deutschland“
Die Polizeidirektion Görlitz verhinderte seit Freitag die Anreise zu einer mehrtägig geplanten, jedoch verbotenen Veranstaltung der Reichsbürger-Vereinigung „Königreich Deutschland“ im Boxberger Ortsteil Bärwalde. Mit Fahrzeugkontrollen und Platzverweisen setzte ein Großaufgebot das Veranstaltungsverbot auf dem alten Schlossgelände in Ostsachsen durch. Medienberichten zufolge wurden Freitag und Samstag insgesamt fast 300 Personen abgewiesen, die offenbar an der Veranstaltung teilnehmen wollten. Einige erhielten Platzverweise. An der Veranstaltung sollte auch der wegen Volksverhetzung verurteilte rechtsextreme Aktivist Nikolai Nerling teilnehmen.
Ein Teil der in der Oberlausitz Abgewiesenen soll sich anschließend nach Halsbrücke im Landkreis Mittelsachsen begeben haben. In dem rund 130 Kilometer von Boxberg entfernten Ort wurden laut einem Bericht der „Freien Presse“ (FP) mehr als 100 Personen in dem von Reichsbürgern gekauften Kanzleilehngut angetroffen. Für die Polizei habe es aber keinen Grund zum Eingreifen gegeben. Die FP bezeichnete das Treffen in Halsbrücke bei Freiberg als Ausweichveranstaltung des „Königreichs Deutschland“.
Rechtsrock-Konzert aufgelöst
Die Polizei hat am Samstag ein rechtsextremes Konzert in einer ehemaligen Bücherei in Dresden-Gittersee aufgelöst. Die Beamten stellten neun Strafanzeigen, unter anderem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung. Laut Pressemitteilung der Polizei waren rund 300 Polizisten im Einsatz. Bei den Konzertbesuchern handelte es sich um deutsche, polnische und tschechische Staatsangehörige.
Auch in Brandenburg verhinderte die Polizei ein Konzert. Bei der Veranstaltung in der Nähe der Stadt Forst in der Lausitz sollten Musiker der rechtsextremen Hooligan-Band „Kategorie C“ auftreten. Den Organisatoren – laut Behörden Mitglieder der rechtsextremistischen und ähnlich wie Rocker-Gruppen auftretenden „Bruderschaft Brigade 8“ – und Bandmitgliedern wurden Aufenthaltsverbote erteilt.
Nicht verhindern konnten die Sicherheitsbehörden ein Konzert am Sonntag in Eisenach. Dort trat Michael Regener alias „Lunikoff“ im „Flieder Volkshaus“ auf. In der Parteizentrale von „Die Heimat“ – vormals NPD – konnte der Ex-„Landser“-Sänger unter dem Schutzschild einer Partei auftreten.