Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus

Extrem rechte Inhalte in de Black Metal-Musikszene.

Donnerstag, 16. Februar 2006
Michael Pechel

Black Metal: Kreischende Gitarren, Bühnenarrangements mit umgedrehten Kreuzen und Satansfratzen, durchgehend schwarze Kleidung. Aber auch: Aufdrucke „Töten für Wotan“, Frakturschrift und Runen, CD-Titel „Inhale Zyklon B“. – Bereits vor einem halben Jahrzehnt beschrieb Christian Dornbusch in einem Aufsatz die „Unheilige Allianz“ zwischen Heidentum und Neonazismus. Nun wirft er zusammen mit seinem Ko-Autor Hans-Peter Killguss einen neuen Blick auf diese Musikszene. Beide stellen fest: Die Allianzen haben sich gefestigt, der rechte Rand des Black Metal (BM) ufert aus. Im Gesamtrahmen einer sich ausdifferenzierenden rechten Jugend- und Musikkultur hat sich ein Teil des BM fest in den Rechtsrock integriert – und wirkt in den Mainstream der eigenen Szene zurück. Es liegt an den Metal-Fans, sich mit rassistischen und NS-verherrlichenden Inhalten in den eigenen Reihen auseinander zu setzen.
Im Eingangsabschnitt zeichnen die Autoren die Geschichte des BM als Unterform des Heavy Metal seit den frühen achtziger Jahren nach. Während das Genre in seiner Anfangszeit auf der Bühne so unpolitisch wie blutrünstig Kriegsszenarien, Verbrechen und Luzifer feierte, schritten skandinavische Musiker zu Beginn der neunziger Jahre zur Tat: Christliche Kirchen brannten, Morde wurden verübt. Der zu lebenslanger Haft verurteilte Norweger Varg Vikernes („Burzum“) genießt heute Kultstatus in der schwarzen Szene und dient nicht zuletzt als Vorbild für das umtriebige Thüringer Brüderpaar Roland und Hendrik Möbus („Absurd“).

Die zwei folgenden Hauptabschnitte nennen allgemeine Themenfelder und befassen sich danach mit dem rechten bis neonazistischen Flügel des BM-Underground. Als thematische Hauptstränge unterscheiden sie Satanismus und Okkultismus sowie Neuheidentum. Eine gemeinsame Klammer bieten die Faszination durch Gewalt und eine grundlegende Feindschaft gegenüber dem Christentum, oft ergänzt durch Antisemitismus oder generelle Ablehnung aller Schöpfungsreligionen, denen „Naturreligionen“ entgegengestellt werden. Besonders gelungen sind die Kapitel zur Entwicklung satanistischer Richtungen, zu Vordenkern des neogermanischen Heidentums und der Ästhetisierung des Kriegserlebnisses. In den Liedtexten nicht nur des braunen Randes im BM spukt es von Wikingerfahrten, heldenhaften Ahnen, „arteigener“ Religion und kollektiven Schicksalsmächten. Strittig ist der Umgang mit Satan: Der Großteil des neonazistisch geprägten BM lehnt satanistische Ideen ab, weil sie lediglich eine elitäre Überlegenheit des Einzelnen statt der Rasse postulieren.

In Deutschland stellen Thüringen und Sachsen seit über zehn Jahren regionale Schwerpunkte des Black Metal; zusätzlich gehen die Autoren auf Bands, Konzerte, Label und Versandhandel in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen ein. Ausführlich wird die internationale Szene beschrieben: Der rechte Rand des BM ist global vernetzt und boomt weltweit, nicht zuletzt in osteuropäischen Staaten wie Polen, das mit der Band „Graveland“ ein Urgestein der Szene liefert. „Der deutsche Kriegsgeist muss erwachen! Das arische Europa wird sterben, wenn wir nicht erwachen!“, so der Bandgründer im Wortlaut.

Die Autoren sind Experten auf ihrem Gebiet und liefern mit dem vorliegenden Band die aktuellste und genaueste Untersuchung dieser Musikrichtung. Der Leser merkt, dass dahinter ein in Jahrzehnten gesammeltes Musikarchiv steht. Damit ist die vielleicht einzige Schwäche des Buches benannt: In seinen Angaben zu Bandgründungen und -auflösungen, einzelnen Produktionen und Musikverlegern ist es oft zu detailverliebt, hier wären Straffungen angebracht gewesen. – Der Band enthält zahlreiche Schwarz/weiß-Abbildungen sowie zusätzlich ein Personenregister und ein Band-, Sach- und Organisationsregister.

Kategorien
Tags