Erfurt

„Unehrenhafter Rücktritt’’: „Neue Stärke’’ muss neuen Vorstand wählen

Vergangenen Samstag lud die rechtsextreme „Neue Stärke” zur konspirativ organisierten „Bundesparteitagsversammlung” nach Erfurt. Weder der improvisiert wirkende Rahmen der Veranstaltung noch deren Ergebnis waren ein Zeichen der Stärke: Nach dem „unehrenhaften Rücktritt’’ der Vorstandsvorsitzenden Michel Fischer und Bryan Kahnes straften die Anwesenden den kompletten Bundesvorstand ab und setzten stattdessen auf gänzlich unerfahrene Personen.

Freitag, 11. November 2022
Georg Andres
Auf diesem Firmengelände im Erfurter Industriegebiet fand der Parteitag der "Neuen Stärke" statt.
Auf diesem Firmengelände im Erfurter Industriegebiet fand der Parteitag der "Neuen Stärke" statt.

Die Grubenstraße im Norden der Erfurts verfügt neben Wohnanschriften, dem Sportplatz des „FC Erfurt Nord” und einem „Park & Ride” mit Anbindung an die Innenstadt vor allem über Industrie- und Gewerbeobjekte, die zumeist umfriedet und etwas zurückgesetzt liegen. In einem dieser schlichten Komplexe, errichtet im Winkel zwischen Bahnschienen und zwei sich kreuzenden Straßen, fand vergangenes Wochenende der klandestin organisierte Bundesparteitag der Neonazi-Partei „Neue Stärke“ (NSP) statt: keine öffentliche Einladung, keine äußere Ausschilderung und vorerst keine sichtbaren Teilnehmenden.
Lediglich ein paar auf dem Hof geparkte Autos weisen auf Anwesende hin, der Rest der Nachbarschaft ist bis auf einige Werktätige nahezu menschenleer. Im weiteren Umfeld finden sich neben Stickern der Partei auch Hakenkreuz-Schmierereien, die Immobilie selbst scheint jedoch nicht vorrangig als Neonazitreffpunkt genutzt zu werden.

Neue Gesichter an der Spitze

Ein Polizist spricht von einem Treffer, als er vor Ort nach dem Vernetzungstreffen gefragt wird. Man sei zur Gefahrenabwehr präsent, Teilnehmende müssten entsprechend mit An- und Abreisekontrollen rechnen. So zum Beispiel Dietmar Möller, einst Erfurter Ortsteilbeirat für die NPD und Die Rechte, der im Verlauf des Tages in die Rolle des Schatzmeisters der Partei gewählt wurde. Sara Storch aus Leipzig, frisch gewählte Vorsitzende, passiert die Polizei und verlässt den Parteitag vorzeitig.

Christoph Thews (links) ist neuer Bundesvorsitzender der "Neuen Stärke".
Christoph Thews (links) ist neuer Bundesvorsitzender der "Neuen Stärke".

An Storchs Seite wird Christoph Thews, Neonazi aus dem mecklenburgischen Waren an der Müritz, die Partei leiten. Beide sind parteipolitisch gänzlich unerfahren, die Wahl der Personalien überrascht. Thews fiel bereits kurz nach seiner Wahl als Störer bei einer Gedenkveranstaltung an die Reichspogromnacht in seinem Heimatort Waren auf. David Liermann, Florian Reibe und Benjamin Pötzsch fungieren zukünftig als stellvertretende Parteichefs, gleich ein ganzes Dutzend Personen sind zudem Beisitzer im Bundesvorstand geworden.

Klatsche für alte Leitung

Ihre Vorgänger hingegen wurden abgestraft, wie sich aus einem Bericht der „NSP’’ zum Parteitag herauslesen lässt: Die abgelegten Rechenschaftsberichte seien „erwartbar dünn” gewesen, das Verhalten des gesamten Bundesvorstandes „katastrophisch”. Enrico Biczysko, bis zum Parteitag stellvertretender Vorsitzender, soll sich bei allen Parteimitgliedern entschuldigt haben, anschließend wurde der gesamte Vorstand teils in Abwesenheit abgewählt.

Neben Thews ist Sara Storch neue Bundesvorsitzende, hier verlässt sie den eigenen Parteitag vorzeitig.
Neben Thews ist Sara Storch neue Bundesvorsitzende, hier verlässt sie den eigenen Parteitag vorzeitig.

So zum Beispiel Florian Grabowski, Teil der „Neuen Stärke Rheinhessen’’, welche nach mehreren gescheiterten Aufmarschversuchen im Raum Mainz nicht mehr an Demonstrationen in Thüringen oder Sachsen-Anhalt teilnahm. So verbleibt mit Sven Ermel nur eine Person aus der Region der Rheinhessen im Leitungsgremium der Partei. Auch Patrick Schmidt, ehemaliger Vorstandsvorsitzender aus Magdeburg, verlor seinen Posten.

Damit verschwinden innerhalb kurzer Zeit mit Michel Fischer, Enrico Biczysko und Bryan Kahnes drei Thüringer Kader aus der Chefetage, auch alte Bekannte aus Rheinland-Pfalz und Magdeburg müssen ihren Platz verlassen. Wie sich das auf den Zusammenhalt der Partei mit ihrem selbst formulierten bundesweiten Anspruch auf Wirksamkeit auswirkt, bleibt abzuwarten. Die neue Parteileitung wird sich auch am Erfolg angekündigter Termine wie einer 1. Mai-Demonstration in Leipzig-Connewitz messen lassen müssen, bereits jetzt wird dem Spitzenduo von Parteianhängern die Eignung abgesprochen.

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