Anschläge

Übergriffe in Thüringen: „Das ist noch mal eine andere Dimension“

Im Februar wurde das Fenster des Büros von Diana Lehmann in Suhl mit einem Stein eingeworfen. Im Interview sagt die SPD-Landtagsabgeordnete, wie sich das politische Klima in Thüringen verändert hat und warum sie trotzdem keine Angst hat.

Mittwoch, 06. März 2024
Unbekannte haben kürzlich die Scheiben ihres Büros mit Steinen eingeworfen, einschüchtern lassen will sich die Landtagsabgeordnete davon jedoch nicht, Foto: SPD Thüringen
Unbekannte haben kürzlich die Scheiben ihres Büros mit Steinen eingeworfen, einschüchtern lassen will sich die Landtagsabgeordnete davon jedoch nicht, Foto: SPD Thüringen

Zwischen den Büros des SPD-Bundestagsabgeordneten Frank Ullrich und der Landtagsabgeordneten Diana Lehmann im thüringischen Suhl liegen gerade einmal 100 Meter. Mitte Februar warfen Unbekannte an einem Sonntagabend die Fenster der Büros mit Steinen ein. Nur wenige Stunden später gab es einen Brandanschlag auf das Wohnhaus des SPD-Kommunalpolitikers Michael Müller in Waltershausen im Kreis Gotha. Müller hatte zuvor mit anderen eine Demonstration gegen Rechtsextremismus organisiert.

Fühlen Sie sich bedroht?

Natürlich war dieser Anschlag auf mein Büro eine Bedrohung. Anfeindungen im Internet hat es vorher schon öfter gegeben. Während der Bauernproteste hatte jemand Mist vor meinem Büro abgeladen. Dass nun etwas zerstört wurde, ist eine neue Erfahrung für mich. Ich habe aber keine Angst.

Die Zerstörung Ihrer Bürofenster fällt in eine Reihe von Ereignissen innerhalb kürzester Zeit. Das Haus der thüringischen Landtagspräsidentin wurde mit Hakenkreuzen beschmiert. Auf das Haus des SPD-Kommunalpolitikers Michael Müller gab es einen Brandanschlag. Können Sie sich erklären, warum sich die Übergriffe gerade jetzt häufen?

Die Zahl der Übergriffe in Thüringen nimmt seit Jahren zu. Bisher hat es vor allem Büros von Linkspartei und Grünen getroffen. Auch Büros der AfD waren betroffen. Insofern beschäftigt auch uns als SPD das Thema schon länger. Wenn die Privathäuser von Politikern angegriffen werden und der Tod von Menschen in Kauf genommen wird wie jetzt in Waltershausen, ist das noch mal eine andere Dimension. Insgesamt wird der Umgang in der Gesellschaft seit Jahren rauer. Das bekommen nicht nur Politikerinnen und Politiker zu spüren.

Sie sehen die Angriffe also nicht in einer Verbindung zu den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus?

Eine sichere Verbindung lässt sich da nicht herstellen und ich möchte auch nicht mutmaßen. Die Polizei geht aber sowohl bei den Angriffen auf das Büro von Frank Ullrich und mir von einem politischen Motiv aus. Wir müssen aber ein bisschen aufpassen, nicht die Maßstäbe zu verlieren. Auf die Unterkünfte von Geflüchteten werden seit Jahren Anschläge verübt, ohne dass das medial derart wahrgenommen wird. Damit möchte ich nicht die Übergriffe auf uns Politiker relativieren. Es ist wichtig, dass darüber berichtet wird. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass jeden Tag Menschen bedroht werden und um ihr Leben fürchten müssen. Sie brauchen die Öffentlichkeit mindestens genauso wie wir.

Wie haben die anderen Parteien auf die Übergriffe gegen Sie und Ihre Kolleg*innen reagiert?

Zum Glück sehr geschlossen. Es haben sich Vertreterinnen und Vertreter aller demokratischen Parteien geäußert und ihre Solidarität bekundet. Viele haben sich auch persönlich gemeldet. Es tut gut, zu wissen, dass es über Parteigrenzen hinweg viele Menschen gibt, die an unserer Seite stehen. Auch das ist Demokratie.

Im Herbst steht in Thüringen die Landtagswahl an, vorher schon die Kommunalwahlen. Haben Sie Sorge, dass die Wahlkämpfer*innen Opfer von Übergriffen werden könnten?

Nicht konkret. Wenn wir sagen: Wir lassen uns nicht einschüchtern, dann meinen wir das auch ernst. Das Ziel der Menschen, die Steine in Scheiben werfen oder Häuser anzünden, ist ja, dass wir uns aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Wenn wir das machen, haben sie gewonnen. Und wenn wir eines aus den Correctiv-Recherchen und den massenhaften Demonstrationen danach gelernt haben, dann, dass wir die Präsenz von Menschen auf der Straße, die für die Demokratie einstehen, brauchen. Auch ein Infostand im Wahlkampf macht Werbung für die Demokratie.

Sie werden Ihr Verhalten also nicht ändern?

Nein. Hier in Suhl ist die Stimmung aber auch entspannter als in den größeren Städten. Da kann man am Infostand schon mal angepöbelt werden. Solche Erfahrungen habe ich glücklicherweise bisher kaum gemacht. Mich jetzt ängstlich zurückzuziehen würde auch mein Leben oder das meiner Familie nicht besser machen.

Wünschen Sie sich – unabhängig von möglichen Bedrohungen – Unterstützung von Landesverbänden oder Ortsvereinen aus dem Westen in den Wahlkämpfen?

Ja, das würde sehr helfen. Im Wahlkampf 2019 gab es auch deutliche Unterstützung von anderen Landesverbänden, was uns als eher mitgliederschwachem Verband sehr geholfen hat. Ähnlich war es im Bundestagswahlkampf, wo wir mit vereinten Kräften Frank Ullrich in den Bundestag gebracht und Hans-Georg Maaßen als Abgeordneten verhindert haben. Neben der ganz praktischen Unterstützung beim Plakate aufhängen oder Flyer verteilen ist es einfach schön, wenn wir im Wahlkampf mal richtig viele sind. 15 oder 20 Leute, die gemeinsam Wahlkampf machen, fallen in einer kleinen Stadt wie Suhl auch ziemlich auf. Erste Anfragen für Unterstützung gibt es bereits. Das freut mich sehr.

zuerst erschienen beim "vorwärts"

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