Udo Voigt: Putin-Fan im Europaparlament

Seit einem Dreivierteljahr sitzt Udo Voigt im Europaparlament – weithin isoliert. Mit „seiner“ NPD ist er immer noch nicht im Reinen. Stattdessen widmet er sich der internationalen Kontaktpflege.

Montag, 30. März 2015
Tomas Sager

Wer nicht wüsste, dass Udo Voigt für die NPD im Europaparlament sitzt, müsste beim Durchblättern seines neuen „Informationsbulletins“ schon ganz genau hinschauen. In dem zwölfseitigen Hochglanzheft mit dem Titel „Nation in Europa“ findet seine Partei gerade einmal an drei Stellen Erwähnung: zweimal eher beiläufig im Interview mit einer Politikerin der griechischen Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“ und ganz am Ende des Heftes in einer nur 20 Zeilen knappen Kurzmeldung über einen „Arbeitsbesuch“ von NPD-Chef Frank Franz bei Voigt in Straßburg.

Die Distanz zwischen dem früheren Parteivorsitzenden Voigt und denen, die seit seiner Abwahl den Ton in der NPD angeben, ist auch in den letzten Monaten nicht geringer geworden. Schon bei der Auswahl seines Personals achtete Voigt auf Abstand. In seinem Team beschäftigt er neben der Nachwuchskraft Florian Stein bevorzugt NPDler, die parteiintern aufs Abstellgleis geraten sind oder sich selbst freiwillig dorthin rangiert haben. Ex-Vorstandsmitglied Frank Rohleder gehört dazu, Voigts Berliner „Kamerad“ Uwe Meenen und der frühere NPD-Vize Karl Richter aus München. Auftritte von Voigt in Deutschland gibt es zudem vor allem bei jenem Teil der Partei, der nicht durch eine besondere Nähe zu Frank Franz aufgefallen ist – etwa wenn Voigt beim Landesparteitag der Hamburger NPD unter Thomas Wulff zu Gast ist, beim Neujahrsempfang der Saar-NPD unter Peter Marx oder demnächst am 1. Mai in Erfurt, wenn Voigt zusammen mit Thorsten Heise auf der Bühne stehen soll.

Vor allem aber: Von einer inhaltlichen oder strategischen Abstimmung zwischen Voigt und „seinen“ Parteivorsitzenden – zunächst Udo Pastörs, dann Frank Franz – ist so gut wie nichts zu spüren. Mitte Januar brach Franz zu seinem ersten „Arbeitsbesuch“ nach Straßburg auf. Der anschließend veröffentlichte parteioffizielle Bericht über das Treffen trug Züge eines diplomatischen Kommuniques: „Im Rahmen des mehrstündigen Meinungsaustausches wurde eine engere Abstimmung zwischen der Berliner Parteiführung und dem NPD-Europaabgeordneten Udo Voigt vereinbart, der sich künftig verstärkt mit eigenen Ideen in die Parteiarbeit einbringen will.“ Gehört hat man von einer stärkere Integration Voigts in die Parteiarbeit seither freilich nichts mehr.

Mit Splittergruppen vereint

Voigt pflegt stattdessen seine internationalen Aktivitäten. Fest steht er vor allem an der Seite der griechischen Neonazis von der „Goldenen Morgenröte“ - und an der Putins. Am vorletzten Wochenende etwa nahm Voigt an einem „Internationalen Russischen konservativen Forum“ der kremlnahen „Vaterland“-Partei („Rodina“) in St. Petersburg teil, angetrieben von einem tief verankerten antiwestlichen Affekt und einer unverhohlenen Sympathie für einen Autokraten mit reaktionärem Weltbild. Die rund zwei Dutzend an der Tagung beteiligten Organisationen seien sich „sowohl in der Unterstützung Rußlands im aktuellen Konflikt in der Ukraine als auch in den zentralen Werten eines konservativ-abendländischen Weltbildes einig“, erklärte hinterher Voigts Pressesprecher Richter. Seinen Chef Voigt zitierte er mit der Aussage, „daß Deutschland nach wie vor fremdbesetzes Gebiet und von jedweder Souveränität weit entfernt“ sei. Voigt habe zudem „insbesondere für die dezidiert familienfreundliche Politik des Kreml anerkennende Worte“ gefunden. Folgt man Richter, haben die in Russland versammelten Rechtsaußen erkannt, „daß die vorgeblichen ,westlichen Werte' – Lügen wie ,Toleranz', Multikulti und ,Demokratie' – in Wahrheit überhaupt keine Werte sind, sondern ein Programm zur schleichenden Vernichtung Europas und seiner Menschen“.

Aus Westeuropa waren vor allem die Parteien der „Allianz für Frieden und Freiheit“ („Alliance for Peace and Freedom“, APF) in St. Petersburg mit von der Partie. Die Gründung dieses europäischen Parteienbündnisses hatte Voigt entscheidend mit vorangetrieben. (bnr.de berichtete) Seine Zusammensetzung ist freilich ein Beispiel dafür, wie isoliert die NPD in Europa tatsächlich ist. Mit Ausnahme der „Goldenen Morgenröte“, daheim drittgrößte Partei, kommt keine der beteiligten Formationen über den Rang einer Splittergruppe hinaus. Ob „Forza Nuova“ aus Italien, „Svenskarnars Parti“ aus Schweden, „Democracia Nacional“ aus Spanien, „Danskernes Parti“ aus Dänemark oder „British Unity“ aus England: Man muss schon Kenner der Szene sein, um einen Überblick über alle beteiligten Kleinst-Organisationen zu behalten, die ein mehr oder weniger deutlicher neonazistischer Einschlag eint. Selbst die ungarische „Jobbik“-Partei, die diesem Milieu eigentlich nicht fern steht, mochte bei der APF nicht mittun. Die Ungarn fehlten auch beim Rechtsaußentreffen in St. Petersburg. Sie hätten „mit der üblichen Begründung“ abgesagt, konstatierte Richter: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern.“

„Idioten, Intriganten, Posträuber und Mutterschläger“

Fast scheint es, als habe Voigt trotz der doch nur sehr überschaubaren Erfolge um eine Einigung der extremen Rechten in Europa als Weltenbummler zwischen St. Petersburg, Mailand und Athen seine Bestimmung gefunden. Immerhin winken ihm Auftritte auf internationalem Parkett, bei denen sich der Europaabgeordnete im Kreis Gleichgesinnter feiern lassen kann. Unzufrieden dürfte man damit auch in der Berliner NPD-Zentrale unterm Strich nicht sein. Schließlich hat Voigt zuletzt auf öffentliche Sticheleien gegen die Führungsriege der Partei verzichtet. Das übernehmen andere aus Voigts Umfeld, insbesondere Richter. Erst vor ein paar Tagen teilte der Münchener wieder einmal gegen die „Idioten und Intriganten“ in der NPD aus, die „oft genug im Staatsauftrag handeln“, und gegen „Kriminelle, Posträuber, Mutterschläger und Maulhelden, die es in dieser Partei bekanntlich en masse zu höchsten Ehren und Ämtern bringen“.

Doch solche Rundumschläge lassen sich verschmerzen, so lange sie nicht von Voigt selbst stammen. Der schweigt derweil zum Zustand seiner Partei. Dafür wird er sich nach Lage der Dinge in nächster Zeit in eigener Sache äußern müssen. Dem Europaparlament liegen zwei Anträge zur Aufhebung seiner Immunität vor. Zum einen geht es – wieder einmal – um seine Verantwortung für einen rassistischen WM-Terminplaner aus dem Jahr 2006. Das Landgericht Berlin hatte Voigt im vorigen Jahr in dieser Sache wegen Beleidigung und Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt. Nun steht das Revisionsverfahren an. Zum anderen geht es um Äußerungen Voigts beim Neujahrsempfang der Saar-NPD: Die Staatsanwaltschaft in Saarbrücken wirft dem Abgeordneten vor, bei der Veranstaltung den Holocaust geleugnet zu haben.

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