Trotz Verbots weiter aktiv

Die radikale extreme Rechte in Frankreich marschiert alljährlich am zweiten Maisonntag durch Paris. Unter den Teilnehmern sind zahlreiche Neonazis aus verbotenen Organisationen.

Mittwoch, 17. Mai 2017
Bernhard Schmid

Am Sonntag war es wieder soweit: Rund 1000 Aktivisten aus diversen „stiefelfaschistischen“ oder offen gewalttätigen rechtsextremen Gruppierungen demonstrierten am 14. Mai durch Paris. Alljährlich findet dieser Aufmarsch am zweiten Sonntag im Mai „zu Ehren der Nationalheiligen Jeanne d’Arc“ statt – diese „Jungfrau von Orléans“ soll im Hundertjährigen Krieg zu Anfang des 15. Jahrhunderts gegen die Engländer gekämpft haben. Am Ende wurde sie auf in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Seit dem 19. Jahrhundert war sie zu einer von vielen Legenden und Geschichtslügen umwobenen, nationalen Heldenfigur aufgebaut worden.

Das Vichy-Regime erhob den zweiten Maisonntag zum offiziellen Feiertag zu ihren Ehren. Auch der Front National (FN) marschierte von Anfang der 1980er Jahre bis 2015 alljährlich „für Jeanne d’Arc“ durch Paris, ursprünglich am selben Datum. Ab 1988 verlegte die damals von Jean-Marie Le Pen angeführte rechtsextreme Partei ihren Aufmarsch jedoch auf den 1. Mai, unter anderem um den Gewerkschaften und Linken an diesem Feiertag Konkurrenz zu bereiten. Seit 2016 hat der FN „aus Sicherheitsgründen“, da er von Jihadisten bedroht worden sei, allerdings seinen Maiaufzug abgesagt und in eine reine Saalveranstaltung umgewandelt. Seitdem stapfen nur noch die Stiefelfaschisten und Neonazis, begleitet von einigen katholischen Fundamentalisten und Monarchisten, im Mai durch die französische Hauptstadt.

Unverhohlen gewaltaffines Spektrum

In Frankreich werden das unverhohlen gewaltaffine, neofaschistische oder neonazistische Spektrum sowie explizit antidemokratisch auftretende Gruppen meist als extrême droite radicale („radikale extreme Rechte“) bezeichnet. Ein Begriff, der zwar insofern fragwürdig erscheint, als es definitiv keine „moderate extreme Rechte“ gibt. Er wird hier jedoch zwecks Unterscheidung von der eher auf Wahlen orientierten, also institutionellen extremen Rechten verwendet. Zu letzterer zählt insbesondere der Front National – die inhaltlich falsche Bezeichnung als „populistisch“, die in deutschen Medien verbreitet ist, benutzt man in Frankreich nur selten für diese gewöhnlich als extrême droite qualifizierte Partei.

Es ist also die radikale extreme Rechte (extrême droite radicale), die stets an dem Maisonntag aufmarschiert. Zu ihr werden Gruppierungen wie die im Juni 2013 nach dem Tod des jungen Antifaschisten Clément Méric offiziell verbotenen Vereinigungen „Troisième Voie“ („Dritter Weg“) und „Jeunesses nationalistes révolutionnaires“ (JNR, „Revolutionäre nationalistische Jugend“) unter Serge Ayoub gerechnet. (bnr.de berichtete) Der Hauptverantwortliche für den Tod des 18-jährigen Méric, der frühere Nazi-Skin Esteban Morillo – er sitzt seither in Untersuchungshaft und wartet auf den ausstehenden Prozess – gehörte sowohl „Troisième Voie“ als auch den JNR an. Ayoub und ein harter Kern von Neonazis rund um ihn herum sind jedoch nach wie vor aktiv, wenngleich er vorsichtiger geworden ist.

Zu diesem Spektrum zählen auch die im Juli 2013, in der Folge der ersten Organisationsverbote aufgelösten Vereinigungen „L’Oeuvre française“ (ungefähr „Französisches Werk“) unter Yvan Benedetti und die „Jeunesses nationalistes“ (JN, „Nationalistische Jugend“) von Alexandre Gabriac.

Aus dem Front National ausgeschlossen

Die letztgenannten Gruppierungen unter Benedetti und Gabriac machen seit dem Organisationsverbot nahezu ungebrochen weiter. Ayoub und seine Anhänger halten sich in organisatorischer Hinsicht hingegen eher zurück, und ihr Anführer ist seit 2015 vor allem bei einem von ihm aufgebauten Motorradclub aktiv.

Sowohl Yvan Benedetti als auch Alexandre Gabriac wurden vom Front National ausgeschlossen. Gabriac im Mai 2010 wegen eines Fotos mit Hitlergruß bei Facebook und Benedetti im Juni 2011 wegen seines gar zu ungeschminkten Antisemitismus’. Sie sind aber nach wie vor aktiv. Als Medienorgan und Internetplattform benutzen sie den Titel „Jeune Nation“ („Junge Nation“), so hieß bereits eine 1958 verbotene rechtsextreme Vereinigung. Auf diese Vorgeschichte weisen die Anführer auch explizit hin. So wird in ihrem beinahe  täglich verschickten Newsletter am 15. Mai auf das genau 59 Jahre zuvor, am 15. Mai 1958, ausgesprochene Verbot der gleichnamigen neofaschistischen Gruppierung Bezug genommen.

Im März 2014 reichten Benedetti und Gabriac eine Kandidatenliste zu den damals stattfindenden Kommunalwahlen ein und traten in Vénissieux, einer Trabantenstadt von Lyon, unter dem Listennamen „Faire Front“ („Front machen“, aber auch „Die Stirn zeigen“) an. Vor Ort schaffte es der Front National damals nicht, eine eigene Liste aufzustellen. Dadurch wurde die Kandidatur der militanten Neonazis begünstigt, ihre Liste erhielt gut zehn Prozent der Stimmen. Der FN hatte (folgenlos) mit einer Klage wegen Etikettenschwindels gedroht, da der Listenname zu eine Verwechslung mit dem FN und dadurch zur Wählertäuschung führen könne. Heute benutzen Gabriac und Benedetti gemeinsam den Parteinamen PNF, für „Parti nationaliste français“.

„Europaforum“ mit internationalen Teilnehmern

Am Samstag, zur Einstimmung auf den Aufmarsch am folgenden Tag, veranstalteten die Anhänger Gabriacs und Benedettis in Paris ein „Europaforum“. Daran nahmen unter anderem Matthias Deyda von der Neonazi-Partei „Die Rechte“ aus Deutschland und Irene Pappa-Dimopoulou von der braunen „Goldenen Morgenröte“ aus Griechenland als Redner/in teil. Aus Spanien war Alberto Torresano von der, in ihrem Namen offen an eine faschistische Bewegung der 1930er Jahre anknüpfenden, Phalange angereist.

Aus Russland kam mit Stanislav Vorobyov der Anführer der rechtsextremen „Russischen imperialen Bewegung“ (RID, „Russkoe Imperskoe Dvizhenie“), die einen internationalen Zusammenhang unter dem Namen „World National-Conservative Movement“ (WNCM) aufzubauen versucht. Auch extrem rechte Vertreter aus Rumänien – dort von der „Stiftung Ogoranu“ ¬– und Bulgarien waren in Paris zugegen.

Mit Ständen präsentierten sich an dem Samstag unter anderem die altfaschistische und extrem antisemitische französische Wochenzeitung „Rivarol“ – gegründet 1951 – und der mehrfach verurteilte, 50-jährige Holocaust-Leugner Hervé Ryssen.

Das Zusammentreffen in Paris war keine Publikumsveranstaltung, sondern ein Kadertreffen. Die Teilnehmer mussten zehn Euro Eintritt zahlen. Geworben wurde für die Veranstaltung am 13. Mai mit einem  Aufruf, der inhaltlich kein Blatt vor den Mund nahm. Darin hieß es: „Angesichts des Versuchs, einen Völkermord an den Europäern unter dem gemeinsamen Einwirken von massiver Migranten-Invasion und verallgemeinerter Abtreibungspraxis durchzuführen, werden die ausländischen Delegationen von ihren Erfahrungen damit berichten, wie das nihilistische Projekt des politischen Judentums in ihren jeweiligen Ländern vorankommt.“ Anders hätte dies auch die NSDAP kaum formuliert.

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