Trotz NPD-"Star-Anwalt" Richter: Rechte Lehrerin bleibt vorläufig suspendiert

Kürzlich war eine Lehrerin aus Westmecklenburg aufgrund ihrer Teilnahme an einer rechtsextremen Kundgebung suspendiert worden. Heute verhandelte das Arbeitsgericht Schwerin über deren Klage gegen den Ausschluss vom Dienst. Anwaltlich vertreten ließ sich Lehrerin ausgerechnet durch den bekannten NPD-Anwalt Peter Richter.

Donnerstag, 01. Juni 2017
Redaktion
Die suspendierte Lehrerin auf einer Neonazi-Demonstration in Boizenburg, Foto: Fabian Schumann
Die suspendierte Lehrerin auf einer Neonazi-Demonstration in Boizenburg, Foto: Fabian Schumann
Zuletzt Anfang Mai hatte die Lehrerin an einer von Neonazis angemeldeten Kundgebung „Zukunft sichern und Zusammenhalt stärken - wir zeigen Gesicht gegen diese BRD!“ in Boizenburg, im Westen Mecklenburg-Vorpommerns, teilgenommen und selber eine längere Rede gehalten. Fotos belegen diesen Auftritt und ihren dortigen direkten Kontakt zu NPD-Mitgliedern. In der Folge war sie „bis auf Weiteres“ vom Dienst suspendiert worden und gegen diese Entscheidung vor das Arbeitsgericht gezogen.

„Volksgemeinschaft supergeil“: Vorbildfunktion zerstört

Die Kanzlei "Weissleder.Ewer" aus Kiel vertraten das Bildungsministerium und stellten laut Beobachtern des Regionalzentrums für demokratische Kultur Westmecklenburgs klar heraus, dass die Betätigung der Lehrerin in rechtsextremen Kreisen Beschwerden aus den Reihen der Schulkonferenz, von Eltern und Kollegen zur Folge gehabt habe. Das Vertrauensverhältnis zwischen Lehrerin und Schulumfeld sei irreparabel beschädigt. Eine weitere Zusammenarbeit mit J. könne man sich aufgrund der Ereignisse nicht vorstellen. Schließlich wiege die demokratische Vorbildfunktion im Schulbetrieb für eine Lehrerin extrem schwer. Diese sei durch die Teilnahme an und Agitation auf einer Neonazi-Kundgebung nicht mehr gegeben. Auf der Kundgebung war J. im Kontext eines verschwörungstheoretischen Spruchbanners "Volksgemeinschaft supergeil - Für ein Volk ohne Zinsen!" zu sehen. In ihrem Redebeitrag über die Bedrohung des deutschen Volkes durch Einwanderung habe die Lehrerin – so einer der Vorwürfe – später rassistische und antisemitische Webseiten hervorgehoben. Laut NDR wird ihr in diesem Zusammenhang vorgeworfen, in der Vergangenheit an weiteren Kundgebungen, bspw. einer der AfD in Rostock und von Mvgida, teilgenommen zu haben.

NPD-Anwalt Richter: Keine Störung des Schulfriedens

Peter Richter war zuletzt durch die Verteidigung der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht prominent in Erscheinung getreten. Nun führte er als Anwalt der suspendierten Lehrerin aus, dass es entgegen der Behauptung des Dienstherren keine relevanten Beschwerden von Eltern oder Kollegen gegeben habe. Diese Form der Betätigung der Lehrerin stelle keine Störung des Schulfriedens dar, wird Anwalt Richter zitiert. Vielmehr seien die Kinder an der Grundschule aufgrund der aktuell erforderlichen Vertretungsregelungen möglicherweise gefährdet. Die Sachverhaltsermittlung zu den Gründen der Suspendierung durch den Dienstherrn sei letztlich gegenstandslos, da kein arbeitsrechtlicher Anfangsverdacht ausgemacht werden könne. Insgesamt habe sich Anwalt Richter ideologisch zurückhaltend aufgeführt und mit engem Bezug zum Arbeitsrecht argumentiert, so der Prozessbeobachter.

Suspendierung bleibt bestehen – zunächst bis zu den Sommerferien

Der Arbeitsrichter und seine Schöffinnen und Schöffen kamen nach der Verhandlung zu einer geteilten Entscheidung: J. und NPD-Anwalt Richter konnten keine sofortige Aufhebung der Suspendierung und vollständige Rehabilitation erreichen. Vielmehr legte das Gericht fest, dass der Dienstausschluss bis zu den Sommerferien Bestand haben könne. Bis dahin müsse das Bildungsministerium als Dienstherr aber im Rahmen der „Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung“ die Gründe für die Suspendierung abschließend beschreiben und die daraus resultierenden Konsequenzen klar benennen. Zur Verfügung stehen als arbeitsrechtliche Folge eine fortgesetzte Suspendierung, eine Versetzung oder eine Kündigung. Ein Verzicht auf solcherlei begründete Maßnahmen durch das Bildungsministerium hingegen dürfte nach Verstreichen der Frist zu einer automatischen Aufhebung der Suspendierung führen.
Darüber hinaus wurde zu Gunsten der Pädagogin eine teilweise Aufhebung des dienstlichen Kontaktverbotes verfügt, was J. nun einen Austausch mit ausgewählten Lehrern „ihrer“ Klassen ermöglichen könnte. Zudem dürfe sie an der Notenkonferenz der Schule persönlich teilnehmen. Drei Viertel der Gerichtskosten habe das Land zu bezahlen, so der Richter.

Musterfall im Interesse der NPD?

Während der Ausgang der heutigen Verhandlung bzw. die bis zu den Sommerferien getroffene Entscheidung womöglich durch eine Berufung angegriffen oder ohnehin erneut ein Arbeitsgericht beschäftigen wird, fragen Vertreter des Regionalzentrums für demokratische Kultur Westmecklenburg nach dem Interesse der NPD an dem Fall der Lehrerin. In der Tat könnte eine der ersten arbeitsrechtlichen Verhandlungen dieser Art nach dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens in Karlsruhe einen Präzedenzfall auch im Interesse der NPD darstellen. So könnte das Ziel sein, herauszufinden, was das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und das Nicht-Verbot der rechtsextremen Partei arbeitsrechtlich für Angestellte und Beamte bedeutet, die im Neonazi-Milieu aktiv sind.
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