Tristesse bei der NPD

Das überstandene Verbotsverfahren hat der NPD keinen neuen Schub gebracht – am Sonntag blüht ihr im Saarland trotz verbreiteter Durchhalteparolen eine weitere Wahlpleite.

Montag, 20. März 2017
Tomas Sager

Lange ist's her, da war die saarländische NPD so etwas wie die Hoffnungsträgerin der Partei im Westen der Republik. 4,0 Prozent holte sie 2004. Es war die Zeit, als der Lockruf des damaligen Parteichefs Udo Voigt mehr und mehr Neonazis aus dem Kameradschaftsspektrum in die Reihen der NPD zog. Zwei Wochen nach der Abstimmung an der Saar schaffte die Partei im September 2004 in Sachsen den Einzug ins Landesparlament. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Im Westen vollzog sich der Niedergang noch rascher als im Osten. Als die Saarländer 2009 erneut an die Wahlurnen gerufen wurden, blieben der NPD nur noch 1,5 Prozent, drei Jahre später sogar lediglich 1,2 Prozent. Eine Woche vor der Landtagswahl im Saarland spricht viel dafür, dass diesmal gar eine Null vor dem Komma stehen könnte.

Das wäre schlecht für die Kasse und ein schwaches Signal für die in diesem Jahr folgenden Wahlen. In Schleswig-Holstein verzichtete die NPD mangels Masse gleich ganz auf die Teilnahme an der Landtagswahl Anfang Mai. In Nordrhein-Westfalen hat sie eine Woche später die mageren 0,5 Prozent vom letzten Mal zu verteidigen. Bei der Bundestagswahl im September dürfte es vor allem darum gehen, nicht unter die Ein-Prozent-Marke zu rutschen.

„Einser-Jurist“ als Spitzenkandidat

Doch Tristesse hat die Partei gepackt. Das Verbotsverfahren hat sie zwar überstanden. Neuen Schub brachte das – zumindest bislang – aber nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat ihr attestiert, dass sie verfassungsfeindlich ist, antidemokratisch und wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus. Das Gericht sah jedoch keine „konkreten Anhaltspunkte von Gewicht“, die es möglich erscheinen lassen könnten, dass ihr Handeln zu einem Erfolg führe. Übersetzt: Nur dank ihrer Bedeutungslosigkeit entging die NPD einem Verbot. (bnr.de berichtete hier und hier) Parteichef Frank Franz rief die NPD zwar zum „zweifachen Verbotsverfahrenssieger“ aus und drohte: „Ab heute sind wir wieder voll da!“ – Sieger sehen freilich anders aus.

Von der höchstrichterlich attestierten Schwäche will die NPD auch in ihrem Wahlkampf an der Saar nichts wissen. „Richter räumt auf“, dröhnt es von den Plakaten und Transparenten. Gemeint ist Peter Richter, Landesvize und Spitzenkandidat im Saarland und Anwalt der Partei im Verbotsprozess. Das Karlsruher Verfahren hat ihn etwas bekannter gemacht. Als Spitzenkandidat wirkt der „Einser-Jurist“ in Diensten der NPD freilich eher wie ein Missverständnis. Wohl kaum jemand käme auf die Idee, dass dieser Richter etwas anderes aufräumen könnte als seine Kanzlei.

40 Prozent wollten radikalere Töne hören

Dabei steht er für jenen Teil der NPD, der den Eindruck von Solidität und Seriosität vermitteln will. Hinter einen solchen Kurs stellt sich zwar eine Mehrheit – er ist aber höchst umstritten, wie nicht zuletzt der Bundesparteitag am zweiten März-Wochenende in Saarbrücken zeigte. Knapp 60 Prozent der Delegierten folgten Frank Franz. 40 Prozent wollten aber radikalere Töne hören. Sie sammelten sich hinter Franz' Gegenkandidaten, dem aus dem Spektrum militanter Neonazis stammenden Thorsten Heise, der eine mangelnde Unterscheidbarkeit von NPD und AfD beklagte und seine „alten Kämpfer und alten Kameraden“ dazu aufrief, in der NPD wieder aktiv(er) zu werden. (bnr.de berichtete)

Als einer der Stellvertreter von Franz gehört auch Heise nun der neuen NPD-Spitze an. „Alle wichtigen Strömungen sind jetzt im Vorstand und im Präsidium wieder vereint“, freute sich Ex-Parteichef Udo Voigt nach dem Parteitag. Kritik an Franz dürfte in der bisherigen Führungsspitze eher selten gewesen sein. Das könnte sich künftig ändern.

Immerhin gelang es der NPD, ihren Parteitag ohne weitere öffentlich zelebrierte Brüche über die Bühne zu bringen und eine allzu negative Außenwirkung zu vermeiden – was auch der Tatsache geschuldet war, dass Journalisten rasch nach Beginn des Delegiertentreffens vor die Tür gesetzt wurden und daher manchen Frank-Franz-Verriss in der Diskussion über seinen Rechenschaftsbericht nicht mitbekommen konnten.

Angeblich „knapp vier Prozent“ bei Umfrage

Sie erlebten auch nicht live und direkt mit, dass die parteiinternen Lager zwar vieles trennt, dass es aber etwas gibt, was sie gemeinsam haben: die tiefe Verunsicherung angesichts der Erfolge der AfD. An der Saar dürfte sich wiederholen, was die NPD bereits in den letzten zweieinhalb Jahren erfahren musste. Die neue rechtspopulistische Konkurrenz sorgt nicht nur dafür, dass die NPD im Osten aus den Landtagen fliegt wie in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern oder früher erreichbar scheinende Erfolge ausbleiben wie in Thüringen und Sachsen-Anhalt – sie marginalisiert auch die West-NPDler, die eigentlich dachten, schlimmer könne es für sie nicht mehr kommen.

Saar-NPD-Chef Peter Marx, der diesmal wie schon 2004 als Landesvorsitzender den Wahlkampf verantwortet, verbreitet derweil Durchhalteparolen. Am vorigen Freitag, neun Tage vor der Wahl, ließ er wissen, seine Partei komme in einer Umfrage auf „knapp vier Prozent“. Marx: „Die Lügenpresse verschweigt dies logischerweise.“ Einen Beleg für seine steile Umfragethese konnte Marx nicht nennen. Aber immerhin hat er mit der „Lügenpresse“ schon einmal einen Schuldigen für eine weitere Wahlpleite der NPD gefunden.

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