"Knockout 51"
Thüringer Neonazis: Kumpel bei der Polizei?
Wegen Bildung bzw. Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und mehreren teils schweren Straftaten müssen sich seit Ende August vier Mitglieder der Neonazi-Gruppe „Knockout 51“ vor dem vor dem Thüringer Oberlandesgericht verantworten. Dabei stehen nun Verbindungen der Angeklagten in den Polizeiapparat im Raum.
Bis Anfang des vergangenen Jahres waren Leon R., Maximilian A., Eric K. und Bastian A. als prominente Gesichter der Gruppierung „Knockout 51“ in Eisenach und überregional aktiv. Nach einem Aufmarsch Anfang Februar 2022 setzten die jetzt Angeklagten zwar ihre Aktivitäten fort, aus der Öffentlichkeit aber zogen sie sich weitestgehend zurück.
Der Grund waren Informationen der Polizei, die ihnen durchgereicht worden waren. In der Anklageschrift, die ENDSTATION RECHTS. vorliegt, lässt sich nachlesen, dass die Angeklagten glaubten, die Polizei sei eher auf ihrer Seite. Diese Einschätzung beruht offenbar darauf, dass ein Beamter der Polizeiinspektion Eisenach die führenden Mitglieder von „Knockout 51“ laut deren Aussage vor Festnahmen bei den Aufmärschen gewarnt hatte.
„Knockout 51“-Mitglied als Polizeianwärter
Der Beamte, ein „Kumpel auf der Polizei" sei „einer von ihnen“ und „teile ihre Meinung“, sagte der heute 23-jährige Erik K. im Februar 2022 am Telefon. Die Befürchtung der Angeklagten, dass gegen die Gruppierung ermittelt werde, waren nicht unbegründet, denn schon im April 2022 klickten für sie die Handschellen. Die Thüringer Polizeibehörden allerdings waren in die Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen „Knockout 51“ nicht eingebunden. Im Thüringer Untersuchungsausschuss "Politische Gewalt“ ist gar die Rede von einem „faktischen Ausschluss der Thüringer Polizei aus diesem Verfahren“.
Für die Thüringer Landtagsabgeordnete der Linken, Katharina König-Preuß, Anlass für eine Anfrage an Innenminister Georg Maier. Sie fragt, ob Thüringer Polizeibeamt*innen Informationen an „Knockout 51“ weitergegeben haben und weist darauf hin, dass mindestens ein Mitglied der Gruppierung Polizeianwärter in der Thüringer Polizei gewesen sei. Antworten aber bleiben aus. Zur Begründung verweist Staatssekretärin Katharina Schenk im Plenum auf „Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige Interessen einzelner, insbesondere des Datenschutzes“, die der Erteilung von Auskünften entgegenstünden.
Ermittlungen gegen weitere Personen
Schenk zieht auch die Strafprozessordnung, nach der noch laufende Ermittlungsverfahren „Auskünften und Datenübermittlungen entgegenstehen“. Weil die Ermittlungsverfahren gegen die vier Beschuldigten aber spätestens im Mai 2023 mit der Anklageerhebung abgeschlossen wurden, muss es sich um Ermittlungen gegen andere Verdächtige handeln. Immerhin gibt es im Komplex „Knockout 51“ noch zehn andere Personen, deren Verfahren bei Anklageerhebung abgetrennt wurden.
Darunter befindet sich auch Patrick Wieschke, Bundesorganisationsleiter, Landesvorsitzender und Lokalpolitiker der in „Die Heimat“ umbenannten NPD. Er hatte wenige Stunden nach einem Überfall auf die von R. betriebene Neonazi-Gaststätte im Norden Eisenachs im November 2019 bei Facebook bereits die Vor- und Nachnamen von fünf vermeintlichen Tatverdächtigen verbreitet und vermeintliche Verbindungen zu Antfaschist*innen aus Eisenach konstruiert.
Bundeswehrsoldat mit Kontakten zur Gruppe
Auch der Angeklagte Bastian A. wusste frühzeitig die Namen der Tatverdächtigen für den Überfall: die sensiblen Daten hatte er während seiner Zeugenvernehmung bei der Polizei erfahren. Außerdem gelang es ihm in den Räumlichkeiten der Polizei, Aktenteile mit den Namen der Tatverdächtigen abzufotografieren und sie in der Neonazi-Szene zu verbreiten. Unter anderem gab er sie an Wieschke weiter. Die Weigerung, Auskünfte zu erteilen, trifft auch die Bundestagsabgeordnete der Linken, Martina Renner. Ihr Wahlkreisbüro in Eisenach befindet sich in einer Bürogemeinschaft, die schon häufig das Ziel von gewalttätigen Angriffen von Neonazis war.
Von der Bundesregierung wollte Renner wissen, ob und warum an den Durchsuchungsmaßnahmen der Generalbundesanwaltschaft in Eisenach und an den vorbereitenden Ermittlungen Polizeibehörden aus Thüringen bewusst nicht beteiligt waren. Doch die Bundesregierung verweist lediglich auf die Beteiligung des LKA Thüringen daran dessen Zuständigkeit für die Beteiligung „einzelner Dienststellen und Direktionen innerhalb des Landes Thüringen“. Zu der nachgefragten Beteiligung Thüringer Polizeibehörden an den vorangegangenen Ermittlungen jedoch schweigt die Bundesregierung.
Dafür erhält die Antwort der Bundesregierung auf eine weitere Frage Renners brisante Informationen, denn neben Kontakten in die Eisenacher Polizei war bei „Knockout 51“ offenbar auch ein Bundeswehrsoldat aktiv. „Nach gegenwärtigem Sachstand weist ein aktiver Bundeswehrsoldat Bezüge zur Gruppierung „Knockout 51“ auf“, heißt es in der Antwort. Renner fordert den dringenden Ausschluss des Soldaten aus der Armee und erklärt: „Die Gefahr, die durch eine Rechtsterror-Gruppe mit ausgebildeten Soldaten und direkten Kontakten in den Polizeiapparat besteht, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden“.
Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Thüringen ist bislang bis Ende März 2024 terminiert.