Szene-Vernetzungen im Nordosten
Die Zahl der Rechtsextremisten in Mecklenburg-Vorpommern ist leicht angestiegen, knapp die Hälfte davon gilt als gewaltorientiert – zu beobachten ist zunehmend der Aufbau eigener Wirtschaftsstrukturen insbesondere aus NPD-Kreisen.
Zwar ist die viele Jahre von den Aktivitäten der NPD geprägte rechtsextreme Szene in Mecklenburg-Vorpommern wie die Partei selbst unsichtbarer geworden, die Präsenz im Land ist jedoch weiterhin auszumachen. Das unterstreicht der aktuelle Verfassungsschutzbericht des Bundeslandes. Zunehmend im Nordosten zu beobachten: Eine sektorale Konzentration auf eigene Wirtschaftsstrukturen und eine damit eigene Wertschöpfungskette ist auf dem Vormarsch.
So wurde beispielsweise für offenbar genau diese Zwecke bereits im Sommer 2016 die Mecklenburg-Vorpommersche Strukturentwicklungs-Genossenschaft eG (MVSE) gegründet, die im „Thinghaus“ in Grevesmühlen ihren Sitz hat, das dem umtriebigen Neonazi und Abrissunternehmer Sven Krüger gehört. Laut Verfassungsschutz handelt es sich bei der MVSE um einen bundesweit bis dato einmaligen Vorgang. Aufsichtsratsvorsitzender ist der NPD-Aktivist Torgai Klingebiel, seinerzeit Mitarbeiter des früheren NPD-Fraktionschefs Udo Pastörs. Ebenfalls im Aufsichtsrat vertreten ist der Ex-NPD-Landtagsabgeordnete David Petereit. Besonders in der Baubranche werden entsprechende Szene-Vernetzungen beobachtet. Aber auch Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe, Serviceangebote aus der Landwirtschaft und Versandhändler sind den Vernetzungsbestrebungen zuzuordnen.
NPD verfügt noch über eigene Immobilien
Insgesamt ist die Zahl der Rechtsextremisten für das Berichtsjahr 2017 von 1450 auf 1500 angewachsen. Der Zuwachs ist auch damit zu erklären, dass sich offenbar viele Einzelpersonen unter dem behördlichen Radar befanden, durch eine erfolgreiche Strafverfolgung aber als Anhänger mit entsprechender Gesinnung geoutet wurden. Die NPD hat 310 Mitglieder, „Die Rechte“ und „Der III. Weg“ verfügen lediglich über wenige Einzelaktivisten.
Die NPD tritt öffentlich weniger in Erscheinung, verfügt nach ihrem Ausscheiden 2016 aus dem Schweriner Landtag aber auch über weniger finanzielle Ressourcen. Die Partei unter ihrem Landesvorsitzenden Stefan Köster hat fünf Kreisverbände und einige kommunale Mandate inne. Szene-beeinflussend verfügt man landesweit noch über eigene Immobilien beziehungsweise jederzeit zugängliche Treffpunkte. Dort gibt es dann Musik-, Vortrags- und Schulungsveranstaltungen, aber auch Bücherbörsen und Partys. Bei den Bundestagswahlen im vergangenen Jahr war Udo Pastörs als NPD-Spitzenkandidat für sein Bundesland angetreten. Es gab keine Wahlkampf-Infostände. Man verließ sich ganz auf Plakatwerbung im Straßenbild, Flyer-Steckaktionen und die Internetpräsenz. Die rechtsextreme Partei bekam schlussendlich 10 418 Stimmen, was 1,1 Prozent bedeutete, ein Rückgang von 1,6 Prozent gegenüber der Bundestagswahl 2013, als noch 23 728 Wähler/innen ihr Kreuz bei der NPD machten.
Eine stärker ins Blickfeld rückende Organisation ist die „Identitäre Bewegung“. Ihre 20 Mitglieder verteilen sich im Land auf Ortsvereine in Rostock, Stralsund und Greifswald. In der bundesweiten Führungsebene der „Identitären“ mischen einige Kräfte aus dem Nordosten mit. Besonders im Bereich Infrastruktur und Kommunikation wird auf Know-how und Manpower aus Mecklenburg-Vorpommern zurückgegriffen. Dazu ist auch der ins Leben gerufene Verein „Heimwärts e.V.“ zu zählen.
Kampfsport und Mischszene-Aktivisten
Zum subkulturellen Milieu zählt weiterhin die gesamte rechte Musikszene. Für das Jahr 2017 wurden acht Rechtsrock-Konzerte und zwei Liederabende gezählt. Die Besucherzahlen waren leicht ansteigend. Im gesamten Bundesland sind aktive 13 Bands bekannt, dazu ein Liedermacher. Kontakte reichen bis ins Ausland und dort zur hierzulande seit dem Jahr 2000 verbotenen „Blood&Honour“-Bewegung. Auch „Hammerskins“ mischen im Konzertumfeld mit. Diese gelten genau wie die Angehörigen der „Brigade 8“ als öffentlichkeitsscheu.
Neben der Musik erobert zunehmend auch das Thema Kampfsport die rechte Szene, und das bis hinein in die NPD, die mit ihrer Jugendorganisation eine Schulungsveranstaltung mit Denis Nikitin vom russischen Label „White Rex“ im Portfolio hatte. Im Fokus der Verfassungsschützer befinden sich auch Mischszene-Aktivisten. So sind Schnittmengen mit der Rocker-Gruppierung „Huskarlar MC Stralsund“ bekannt. Noch unter vorbehaltlicher Beobachtung ist ein Ableger genau dieser Rockergruppe in Anklam.
Bei 700 Rechtsextremisten attestieren die Behörden Gewaltbereitschaft. Die Zahl der aus dem rechtsextremen Bereich verübten Gewalttaten ist von 79 auf 84 angestiegen. Ein fremdenfeindliches Motiv steckte in 74 Fällen dahinter, 21 mehr als im vorhergehenden Berichtsjahr. Auch drei antisemitisch motivierte Gewalttaten von rechts wurden gelistet.