„Sturm auf Themar“
Militante Neonazi-Netzwerke verbergen sich hinter dem bisher größten Rechtsrock-Konzert in Thüringen. Die martialische Parole der Veranstalter signalisiert Selbstbewusstsein und Kampfeslust.
„Sieg Heil! Sieg Heil!“ grölen sie immer wieder und recken die Arme dabei zur Faust, viele auch zum Hitlergruß. Eine spät am Abend aufgenommene Videosequenz auf YouTube zeigt das ganze Ausmaß an Radikalität beim „Rock gegen Überfremdung“ an dem Samstag. 6000 Rechtsrock-Besucher präsentierten am 15. Juli im südthüringischen Themar eine offen nationalsozialistische Szene. „In uns lebe das Reich“, I love Hitler, Adolf war der Beste, NS-Zone, 12 Golden Years, Danke: 1933-1945, In Treue fest, lauteten nur einige der Parolen, die offen auf Kleidung zur Schau getragen wurden.
Anders als bei anderen Großevents der Szene schien es bei dem von Tommy Frenck organisierten Konzert kaum Zurückhaltung beim öffentlichen Auftritt zu geben. Auch waren offenbar weniger Oldschool-Skinheads als üblich vertreten. Die anwesenden Gruppen nannten sich „Division Sachsen“ oder „Division Erzgebirge“, „Wehrwolf Württemberg“, kamen auch aus Polen, Tschechien, Slowenien, Italien und Ungarn.
Rechtsrock-Netze aus „Blood&Honour“-Zeiten
Gleich am frühen Nachmittag zeigte ein Glatzkopf in weißer Jeans offen das Hakenkreuz auf seinem Pullover. Er wurde sofort von der Polizei aus dem Verkehr gezogen. Die Einsatzkräfte hatten Einlasskontrollen errichtet und Absperrgitter am Rand des Veranstaltungsgeländes aufgebaut. Sie handelten schnell gegen auffällige Nazi-Besucher und sicherten diesmal engagiert die Arbeit der Medienvertreter am Rande. Drei Neonazis wurden in Gewahrsam genommen, 43 Strafanzeigen für zahlreiche Delikte bis hin zur Körperverletzung gestellt.
Zum Teil waren die Besucher bereits ab Mittag stark alkoholisiert. Auf dem später rappelvollen Gelände durfte nur „Dünnbier“ ausgeschenkt werden, viele Teilnehmer versorgten sich aber in der benachbarten Tankstelle mit Härterem. Ein Besucher ließ vor der Kontrolle ein Tütchen mit Drogen auf den Boden fallen. Die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen war durch Einschränkungen der Besuchszeiten stark reglementiert, ein Pärchen mit vier Kleinkindern verließ das Gelände wieder.
Neonazi Tommy Frenck betreibt in der Nachbargemeinde von Themar, in Kloster Veßra, den Szene-Treffpunkt „Goldener Löwe“. Unterstützt wird er bei der Ausrichtung seiner Großevents vor allem von der Neonazi-Bruderschaft in Kutten „Turonen/Garde 20“, die sich auch aus militanten Neonazis zusammensetzt. Im Hintergrund der Aktivitäten tauchen alte Rechtsrock-Netzwerke auf, die bereits aus „Blood&Honour“-Zeiten in Thüringen zu stammen scheinen.
Gewaltbereite Neonazis als Security
Kartenbestellungen liefen über eine Mailadresse namens „Live im Reich“. Pro Karte sollten 35 Euro auf das Konto von Maximilian W. überwiesen werden, heißt es auf der Homepage von „threchtsaussen“. Dort ist eine interne Mail abgebildet. W. steht den „Turonen“ nahe, er soll zudem an gewalttätigen rechten Ausschreitungen in Leipzig-Connewitz und in Saalfeld beteiligt gewesen sein.
Anhänger dieser Nazirocker-Gang waren in Themar für die Security zuständig. Auffällig ist die Verbindung zwischen ihnen und dem Neonazi-Zentrum in Ballstädt bei Gotha. Einige der wegen des Überfalls auf eine Kirmesgesellschaft jüngst verurteilten Angeklagten traten in Themar in den gelben Security-Shirts mit der Aufschrift: „Grenzschutz jetzt“ auf. Sie kontrollierten den Eingang und erweiterten gegen 17.00 Uhr das Gelände, in dem sie die Bauzaun-Absperrungen umsteckten. Gewaltbereite Neonazis als Sicherheitsleute – auch in Themar.
Für den Escort der Rechtsrock-Bands war der berüchtigte Thüringer Neonazi und mutmaßliche „Turone“, Steffen Richter, zuständig. Richter gilt als engster Kontaktmann zum NSU-Angeklagten Ralf Wohlleben, aber auch als wichtiger Drahtzieher im Rechtsrock-Geschäft. Zwischen 125.000 und 190.000 Euro sollen allein die Eintrittsgelder bei diesem Event von Tommy Frenck eingebracht haben, hinzu kommen noch die Verkaufserlöse aus dem Verkauf von Merchandising. Tütenweise schleppten die weiblichen und männlichen Besucher ihre Einkäufe vom Gelände.
Alte Business-Connections ziehen die Fäden
Ähnlich verdienten die Thüringer Organisatoren beim Rechtsrock-Konzert Ende 2016 in Unterwasser in der Schweiz. Die Kontakte sollen unter anderem über Steffen Richter laufen. Schweizer Kameraden waren auch in Themar auffällig stark vertreten, Verbindungen bestehen über die Band „Amok“. Eine Gruppe von Besuchern hatte „Division Schweiz“ auf den Shirts stehen.
Es scheinen sehr alte Business-Connections, die um Tommy Frenck immer noch die Fäden ziehen. Bis 2006 organisierten Thüringer „Blood&Honour“-Aktivisten trotz Verbots Musikveranstaltungen. Damals lauteten die Namen der nahe stehenden Bands und Musikprojekte unter anderem „Stahlgewitter“, „Landser“ („Lunikoff“) oder „Uwocaust“. Diese Gruppen waren auch in Themar dabei. Einen Verkaufsstand betrieb auch „Das Zeughaus“. Bereits in Unterwasser in der Schweiz tauchte die Firma auf dem ersten Werbeflyer für das dortige Rechtsrock-Konzert auf. Als Betreiber galt Jens Hessler aus dem niedersächsischen Lingen, Intimus von „Stahlgewitter“-Sänger Daniel Giese (Gigi). Heute allerdings verweist das Zeughaus-Impressum auf einen angeblichen Firmensitz im spanischen Santa Ponsa.
Zur Band „Stahlgewitter“ gehören Daniel Giese, aber auch Jens Hessler. Er will nach eigenen Angaben zum Beispiel 2006 einen Song für die Gruppe geschrieben haben, von denen die Südtiroler Band „FreiWild“ ein Gitarrenriff geklaut haben soll. Schattenmann Hessler galt als Größe im Hintergrund. Er betrieb einen der ersten „Blood&Honour“-Vertriebe: den Nibelungen Versand. Der Ostfriese stand zudem in Verdacht, Songschreiber des Liedes „Dönerkiller“ von „Gigi & die Braunen Stadtmusikanten“ zu sein.
Einheitlich gekleidete Gruppen des „III. Wegs“
In Themar auf der Bühne sitzt auch der schwergewichtige Sänger Uwe Menzel alias „Uwocaust“. Der Neonazi aus Potsdam zählte in den 1990er Jahren zur Band „Proissenheads“ und verfügte über enge Kontakte ins Chemnitzer NSU-Unterstützermilieu. Wo „Stahlgewitter“ und „Uwocaust“ auftraten, waren auch meistens die Berliner Neonazi-Rockergang „Vandalen – Ariogermanische Kampfgemeinschaft“ sowie Mitglieder der inzwischen verbotenen Band „Landser“ nicht weit. So auch in Themar.
Der kleine Ort nahe Meiningen in Südthüringen hat es mit der militantesten Szene Deutschlands zu tun, das wurde am Samstag klar. Einheitlich gekleidet marschierten diverse Gruppen des „III. Wegs“ ein. In gelben Shirts rückte die Spitze der Dortmunder Sektion der Neonazi-Partei „Die Rechte“ an. Als Redner waren unter anderem Matthias Fischer von „Der III. Weg“, der Holocaust-Leugner Günter Deckert, der Kameradschaftsanführer Sven Skoda aus Düsseldorf, der polizeibekannte Dieter Riefling, Jan Jaeschke von der NPD und Axel Schlimper, Thüringer Sektionsleiter der „Europäischen Aktion“ angekündigt. Die „Europäische Aktion“ steht in Verdacht, Wehrsportübungen zu organisieren, bei einer Razzia im Juni in Niedersachsen und Thüringen wurden auch Waffen gefunden.
Kampfsportausbildung für Neonazis
Eine Gruppe trat in Shirts mit der Kennzeichnung „German Defence League“ auf. Die GDL ist eine radikal islamfeindliche Gruppierung, die hierzulande besonders über Pegida und deren Ableger Verbreitung fand. Als heimlicher Höhepunkt der Veranstaltung in Themar galt für viele Fans des Kampf- und Boxsports der Auftritt des russischen Redners Denis Nikitin von „White Rex“. Die Marke ist mehr als ein Kleidungslabel. Die Initiative „RuntervonderMatte“ warnt auf ihrem Blog: „White Rex“ ist mittlerweile ein Netzwerk international organisierter Neonazis, die sich durch Kraft- und Kampfsport, körperliche und geistige Ertüchtigung für den Nahkampf, beziehungsweise den von Neonazis oft beschworenen „Heiligen Rassenkrieg“ vorbereiten.
Nikitin und „White Rex“ bilden in der Bundesrepublik und der Schweiz Neonazis im Kampfsport aus. Der gefährliche russische Zusammenschluss steht mit ähnlichen deutschen Strukturen in Verbindung. In Themar warben Rechtsrock-Besucher für die als „Kampf der Nibelungen“ bezeichneten Fight Nights von Neonazis.