"Strategiezentrum"
Der Heisenhof könnte im "Zusammenspiel" von NPD und Kameradschaften eine Rolle spielen.
Inzwischen spricht in Dörverden niemand mehr von Jürgen Riegers „Heisenhof“ als bloßes Investitionsgeschäft. Dafür geschieht zuviel auf dem weitläufigen Gelände. Mindestens acht Personen halten sich dort nach Polizeiangaben regelmäßig auf, drei haben ihren Wohnsitz bereits dort eingerichtet. Rieger soll sich vor Ort bereits nach den Kosten für eine Kläranlage für „8 bis 200 Personen“ erkundigt haben. Im ehemaligen von der Bundeswehr genutzten Kasino-Bereich sind die Fenster hell erleuchtet, alles deutet auf emsige Renovierungsarbeiten hin. Am 8. und 9. November lieferten LKWs einer Magdeburger Umzugsspedition Möbel an. Das Unternehmen ist laut Eigenwerbung offizieller Vertragspartner der Bundeswehr. Nach Angaben der „Verdener Nachrichten“ habe Rieger zuvor in einem örtlichen Geschäft vergeblich nach Feldbetten gefragt. Nun wird gemutmaßt, er könnte diese Liegestätten aus ehemaligen Bundeswehrbeständen ersteigert haben. Mannschaftsräume sind auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände ausreichend vorhanden. Mitarbeiter des Landkreises, die bei ihrer Begehung Ende September die Gebäude kontrollierten, hätten als Ruhelager für eine „Wachmannschaft“ lediglich Luftmatrazen vorgefunden.
Tatsächlich treffen sich immer wieder überregionale Kader aus dem gesamten niedersächsischen Umfeld mit den örtlichen NPD- und JN-Aktivisten um Sascha Schüler und Florian Cordes auf dem Heisenhof, unter ihnen vorbestrafte Gewalttäter. Zu einer Informationsveranstaltung über die rechten Umtriebe in Dörverden erschienen neben 400 interessierten Bürgern auch 30 Neonazis. Die älteren Verdener Rechtsextremisten Rigolf Hennig und Johann Huß provozierten während der Veranstaltung. Hennig scheint inzwischen eine wichtige Position zwischen der örtlichen Neonazi-Szene und Rieger in Hamburg zu spielen. Insgesamt zeichnet sich eine zunehmende Vernetzung der Szene im Umfeld des Heisenhofes ab. Das beobachtet auch der niedersächsische Verfassungsschutz. Fachbereichsleiter Freter äußerte bei einer weiteren Veranstaltung am 10. November im Dörverdener Schulzentrum die Befürchtung, dass auf dem Heisenhof so eine „Art strategische Planung“ erfolgen könnte. Im „Zusammenspiel“ zwischen NPD und freien Kameradschaften könne Riegers Heisenhof durchaus eine Rolle spielen, meinte er. „Wir wissen, dass Jürgen Rieger zum Beispiel in Hamburg vor der dortigen NPD aufgetreten ist, dort eine Rede gehalten hat, die auch von den freien Kameradschaften sehr positiv aufgegriffen wurde“, so Freter.
Ein Hintergrund dieser Tendenzen könnte der anhaltende Richtungsstreit im niedersächsischen NPD-Landesverband sein. Einige lehnen die Voigt-Politik und eine Zusammenarbeit mit den freien Nationalisten ab. Insider mutmaßen, dass Ulrich Eigenfeld als Landesvorsitzender demnächst zurücktreten könne, sein Gefolgsmann Friedrich Preuß kritisiert die Voigt-Schiene und habe sich bereits zurückgezogen. Dabei pflegen die jungen niedersächsischen Parteiaktivisten unter der Obhut von Landesvize Adolf Dammann seit langem die Kooperation mit den Kameradschaften. Wenn eine neonazistische Galionsfigur wie Jürgen Rieger nun, wie der Verfassungsschutz befürchtet, „dort eine Rolle beanspruchen dürfte“, dann wird auch seine Großimmobilie in Dörverden zum zentralen Anlaufpunkt. Freter betont allerdings: „Rieger ist keiner, der sich anderen unterordnet. Er wird eine gestaltende Rolle für sich beanspruchen“.
Der Verdener Polizeichef Axel Rott befürchtet auch politische Schulungen auf dem Gelände, verspricht sich davon allerdings auch einen Erfolg: „Rieger ist ein Überzeugungstäter und wenn er sich politisch äußert, so wie er wirklich denkt, dann begeht er automatisch strafbare Handlungen“. Dass die Neonazis vom Heisenhof aus Jugendliche politisch ködern könnten, darin sind sich Freter und Rott einig. Der eine jedoch spricht vom „Strategiezentrum“, während der andere von einem „norddeutschen Neonazi-Treffpunkt a’ la Wunsiedel“ redet. Über den Begräbnisort im bayerischen Fichtelgebirge wird der Heß-Mythos propagiert, in Verden könnten Neonazis demnächst eine vergessene NS-Kultstätte zu neuem Leben erwecken. Der von den Nazis erbaute, heidnische „Sachsenhain“ gilt schon lange als Steckenpferd Riegers und liegt nur wenige Minuten vom Heisenhof entfernt.