Strategiewechsel bei „Thügida“

Die selbst ernannte „Volksbewegung Thügida“ hat eine Kurskorrektur angekündigt. Eingestanden hat damit der im Oktober 2016 gegründete Verein zugleich seine eigene Fehlentwicklung.

Montag, 28. August 2017
Horst Freires

Verbunden mit dem Umbruch sind auch personelle Konsequenzen. So hat das bisherige Vorstandsmitglied Uta Nürnberger aus Leipzig nicht nur ihren Posten niedergelegt, sondern zugleich ihren Austritt erklärt. Die AfD-Politikerin aus den Reihen der „Patriotischen Plattform“ stand seitens ihrer Partei bereits seit Monaten unter Erklärungsdruck, weshalb sie solch unmittelbare Nähe zum rechtsextremen „Thügida“-Verein pflege, in dem auch Kräfte von NPD und „Die Rechte“ federführend aktiv sind. Dass Nürnberger keine Berührungsängste zu Rechtsextremisten hat, zeigen Auftritte in der „Gedächtnisstätte e.V.“ in Guthmannshausen bei Sömmerda. Unter anderem nahm sie im Vorjahr am Sommerfest des „Freundeskreises Udo Voigt“. In ihrem Abschiedsschreiben stellt die AfD-Rechtsaußen nicht die „Thügida“-Aktivitäten in Frage, sondern betont, dass sie sich künftig auf ihre Parteiarbeit konzentrieren wolle.

Laut Mitteilung von „Thügida“ nach der Vorstandssitzung vom 26. August hat auch Robert Köcher „aus persönlichen Gründen“ dem Vorstand den Rücken gekehrt. Er ist seit über einem Jahr bei der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ aktiv. Ausgeschlossen wurde nach internen Streitigkeiten Frank Rohleder. „Thügida“ zufolge stimmten sechs Vorstandsmitglieder dafür, zwei enthielten sich. Von „bewusst geschürten Intrigen“ ist über das Zerwürfnis die Rede. Rohleder war einmal NPD-Bundesvorstandsmitglied und gilt als Vertrauter des NPD-Europaabgeordneten Udo Voigt.

Bisheriges Vorgehen ohne Erfolg geblieben

In einem Internet-Videoclip kommentiert „Thügida“-Vorsitzender David Köckert die personellen Verluste vorausblickend, dass man sich gesund schrumpfe. Sein Mitstreiter Jens Wilke nennt den aktuellen Prozess eine „Säuberung“. Und auch Köckert-Stellvertreter Alexander Kurth bleibt ein öffentliches Gesicht von „Thügida“, während der zweite Stellvertreter neben Kurth, der rechte Barde Frank Rennicke, zumindest „Thügida“ betreffend ein öffentliches Auftreten vermeidet.

Selbstkritisch gesteht die „Thügida“-Spitze ein, dass ihr bisheriges Vorgehen sie nicht voran gebracht habe. Das permanente Auftauchen des „Thügida“-Mobils auf Marktplätzen in Kleinstädten verbunden mit Agitation gegen Flüchtlinge, Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Altparteien und das System hat sich offenkundig tot gelaufen. Zulauf hat es den braunen Systemgegnern zuletzt jedenfalls nicht mehr beschert. Vielleicht steckt auch die gewonnene Erkenntnis dahinter, dass mit der AfD längst ein anderer Protagonist populistisch viel effizienter und geschickter Proteste bündeln und vereinnahmen kann?

Mehr Aufmerksamkeit durch die Kümmerer-Masche

„Thügida“ wolle keine Demonstrationen und Kundgebungen mehr anmelden und durchführen, ist in einer Erklärung zu lesen. „Dieser Protest ist in den letzten Monaten massiv eingebrochen“, heißt es weiter. Das Engagement solle verstärkt der sozialen Frage gewidmet werden. „Wir werden unser Projekt ‚Ein Volk hilft sich selbst‘ intensivieren“, kündigt „Thügida“ an. Auch neuen Themenfeldern wie alternative Heilmethoden oder Selbstversorgung werde man sich annehmen. Mit der Kümmerer-Masche erhofft man sich offenkundig mehr Aufmerksamkeit und eine bessere subtile Möglichkeit, die eigene neonazistische Gesinnung unter die Leute zu bringen.

All die vielen Internet-Auftritte mit unterschiedlichem Namen rund um „Thügida“ haben zuletzt wohl nicht nur die Öffentlichkeit im Großen, sondern auch intern die rechte Szene verwirrt. Nun wird mitgeteilt, dass mit der künftigen „Thügida“-Ausrichtung auch „unsere ganzen Facebook-Seiten zu einer Hauptseite zusammengeführt“ werden sollen. Die Öffentlichkeitsarbeit soll demnach auch über eigene Internetsendungen forciert werden. Ob das den bei Köckert und Kurth zu beobachtenden Hang zum Narzissmus dann befriedigt und eine Abkehr von der Straße kompensiert, bleibt abzuwarten. Für Oktober kündigt „Thügida“ eine Mitgliederversammlung mit Vorstandswahlen an.

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