Steilvorlage

Mit dem Thema Minarettverbot will auch die extreme Rechte in Deutschland punkten. Bei der NRW-Landtagswahl dürften sich die „pro“-Truppe, die NPD und die Republikaner einen antiislamischen Überbietungswettkampf liefern.

Mittwoch, 09. Dezember 2009
Tomas Sager

on der Schweiz lernen, heißt siegen lernen: Das könnte zum neuen Leitspruch der extremen Rechten in der Bundesrepublik werden. Ihre erfolgsentwöhnten Wortführer blicken neidisch zu den Nachbarn im Süden hinüber. Die hatten am letzten Novemberwochenende mit knapp 58 Prozent der Stimmen dem Bau von Minaretten eine Absage erteilten – aber mit ihrem Votum nicht nur das Minarett an sich und damit eine baurechtliche Frage gemeint, sondern, wie zu vermuten ist, ganz generell die Position der moslemischen Religion in einer mitteleuropäischen Gesellschaft.

Mit der bewussten Gleichsetzung von Islam und Islamisierung, einer Religion und ihrer fundamentalistischen Überspitzung operiert die Propaganda der sich als „Bürgerbewegung“ gerierenden Partei „pro NRW“. Von daher war ihr Jubel über die Entscheidung der Eidgenossen nur logisch und zu erwarten. Die Schweiz habe „der verhängnisvollen Islamisierung eine deutliche Absage erteilt“, heißt es in einer Erklärung des „pro NRW“- und „pro Köln“-Vorsitzenden Markus Beisicht. Dies sei ein „Dammbruch für ganz Europa“.

Vor allem aber hofft er auf einen „Dammbruch“, der dazu führen könnte, dass es seine Formation, die ihre Ursprünge bei den Republikanern und der Deutschen Liga für Volk und Heimat hat, bei der Landtagswahl im kommenden Mai ins Düsseldorfer Parlament spülen könnte. Die 5,4 Prozent, die „pro Köln“ bei der Kommunalwahl Ende August in Deutschlands viertgrößter Stadt erzielt hatte, stellen zwar das beste Ergebnis einer extrem rechten Formation in einer Großstadt dar – von den 58 Prozent, die die helvetischen Brüder im Geiste von der Schweizerischen Volkspartei und ihrer Unterstützer erreichten, sind die bisherigen Ergebnisse von „pro NRW“ in Köln und seinem Umland aber doch weit entfernt.

Die Schweizer Abstimmung habe gezeigt, „dass Kritik an Islamisierung und Überfremdung eben kein gesellschaftliches Randphänomen ist, sondern dass diese Kritik ganz im Gegenteil strukturell mehrheitsfähig in den Völkern Europas ist“, macht sich Beisicht, der seit Jahren das politische Projekt verfolgt, extrem rechten Politikinhalten verhaftet zu bleiben und zugleich als demokratisch „sauber“ erscheinen zu wollen, Mut. „Wir sind mit unseren Themen und Forderungen in der einheimischen Bevölkerung mehrheitsfähig“, meint er.

„Dammbruch für ganz Europa“

Ihren Wahlkampf für die NRW-Landtagswahl wollen Beisichts Rechtspopulisten nun erst recht „dezidiert islamkritisch gestalten“. Dabei soll auch „mit PR-Anleihen aus der Schweiz“ gearbeitet und vor „‘politisch unkorrekten’ Tabubrüchen“ nicht zurückgeschreckt werden. Jenes Plakat der Schweizer Islamgegner, das zwischen Genf und Graubünden vielfach für Empörung sorgte, hat „pro NRW“ schon einmal für deutsche Verhältnisse modifiziert. Es zeigt nun in der „pro“-Fassung links im Vordergrund eine schwarz verhüllte Frau, deren Augen aus einem schmalen Sehschlitz schauen, und im Hintergrund sieben Minarette in Raketenform, die aus der schwarz-rot-goldenen Bundesflagge wachsen. Auf den Internetseiten von „pro NRW“ und „pro Köln“ ist das Plakatmotiv bereits zu sehen – ergänzt um den Satz: „Wir alle sind Schweizer!“ Als Provokation aufgefasst werden darf auch die Ankündigung, zum Abschluss einer „internationalen Konferenz für die Einführung eines Minarettverbotes“ im kommenden Frühjahr einen „Protestzug“ beziehungsweise„Sternmarsch“ zur Moschee in Duisburg-Marxloh organisieren zu wollen.

Integriert in die geplante Kampagne sind die Stadtrats- und Kreistagsfraktionen von „pro NRW“. Sie sollen das Thema Minarettverbot in die Kommunalparlamente tragen. „Pro NRW“ will Resolutionen auf die Tagesordnungen bringen, mit denen die Düsseldorfer Landesregierung aufgefordert wird, in der Landesbauordnung den Bau von Minaretten zu verbieten. Zugleich sollen die Stadt- und Kreisverwaltungen aufgefordert werden, bis zu einer solchen Änderung der Bauordnung „alle diesbezüglichen Spielräume“ zu nutzen, „um aggressiv-islamistische Machtsymbole wie z.B. Minarette in Zukunft verhindern zu können“, erklärte die „pro Köln“-Fraktionschefin Judith Wolter.

„Pro NRW“ ist nicht die einzigen Partei rechtsaußen, die sich von dem Schweizer Votum Rückenwind verspricht. Auf der Homepage der DVU meldet sich beispielsweise Autor „AM“ – dabei dürfte es sich um Andreas Molau handeln – zu Wort. Zunächst gibt er den Biedermann: „Als freiheitliche Partei hat die DVU nichts gegen den Islam oder Moslems.“ Doch er legt gleich nach: „Moscheeprunkbauten“ – und offenbar macht jedes Minarett in seinen Augen die Moschee zum „Prunkbau“ – seien „nichts anderes als ein Stein gewordener Machtanspruch“, dem „wir endlich entgegentreten“ müssten. Die Imitation des Schweizer Vorbilds soll den Niedergang der maroden Partei, der das Geld, das Personal und die beim rechten Publikum zündenden Ideen ausgehen, stoppen.

Eine ähnliche Hoffnung dürfte auch Republikaner-Chef Rolf Schlierer hegen. „Das Schweizer Abstimmungsergebnis bekräftigt die Republikaner in der Forderung nach einem Verbot des Baus von Minaretten und Großmoscheen auch in Deutschland“, stimmt er denn in den allgemeinen Chor rechtsaußen ein. Gebete und die Ausübung religiöser Riten seien auch „in einfachen, der örtlichen Bautradition angepassten Gebäuden möglich“, heißt es in einer REP-Pressemitteilung, die offen lässt, ob damit Hinterhof-„Moscheen“ in Stadtquartieren gemeint sind oder leer stehende Fabrikhallen in Industriegebieten. Während „pro NRW“ auf kommunale Interventionen setzt, wählen die schwächelnden REP einen anderen Ansatz. Sie suchen „die Unterstützung von rechtsdemokratischen und freiheitlich-konservativen Parteien und Kräften in mehreren europäischen Ländern“, um ein „europaweites Bürgerbegehren für ein Verbot des Baus von Minaretten in der Europäischen Union“ in Gang zu bringen.

„Ein generelles Moscheebau-Verbot prüfen“

Und die NPD? Die tat sich bisher schwer in der Frage, ob sie eher auf die antiislamische oder die antisemitische Karte setzen sollte. Parteivize Jürgen Rieger setzte auf Antisemitismus und wollte potenzielle Bündnispartner, als die er Moslems betrachtete, nicht verprellen. Doch Rieger lebt nicht mehr. Ein anderer Vize, der Münchner Stadtrat Karl Richter, kündigte unmittelbar nach dem Schweizer Votum an, er werde in der bayerischen Landeshauptstadt nach dem „Menetekel“ der Volksabstimmung ab sofort noch intensiver für die „Islamisierungs- und Überfremdungs-Bedrohung“ sensibilisieren. Und aus Dresden war der Ex-Parteivize und NPD-Fraktionschef im sächsischen Landtag, Holger Apfel, zu vernehmen. Mit einem Minarettverbot, das er „eher als symbolpolitischen Akt“ wertet, sei es nicht getan. Geprüft werden solle ein „generelles Moscheebau-Verbot“. Und damit nicht genug: „Zusätzlich müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die sozialen Brennpunkte in deutschen Großstädten durch konsequente Ausländerrückführung zu entschärfen.“ Das Minarett-Verbot: In der Logik Apfels wäre es nur der Einstieg in eine Politik, die im „Ausländer raus“ gipfelt.

Es brauchte eine knappe Woche, bis sich auch der Bundesvorstand der NPD eine Meinung gebildet hatte. Doch nicht der Parteivorsitzende Udo Voigt wurde in einer Pressemitteilung zitiert, sondern der Parteivize Karl Richter: „Das Anliegen eines Minarettbau-Verbots auch in Deutschland ist zu wichtig, um es den etablierten Versagerparteien und pseudo-oppositionellen Trittbrettfahrern zu überlassen“, meint Richter und teilt damit Spitzen gegenüber der Konkurrenz rechtsaußen aus. „Danke, Schweiz – Minarettverbot auch hier!“ soll das Motto der „flächendeckenden Kampagne“ sein.

Äußerungen wie die von Apfel und Richter dürften Michael Schäfer, dem Vorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten (JN), wohl gefallen. Er setzt voll auf das Thema Anti-Islam. Ehe die späte Ankündigung der NPD veröffentlicht wurde, hatte er gewarnt: „Die deutsche Rechte“, womit er wohl vorrangig die eigene Partei meint, „verschläft ihr Kompetenzthema total und überlässt es auch weiterhin pseudonationalen Grüppchen, die nicht eine wirkliche Veränderung in unserem Land im Auge haben, sondern nur ihren Platz am Tisch der Etablierten einfordern.“ Die Themen „Überfremdung, Volkstod und Islamisierung“ müsse man „glaubhaft miteinander kombinieren“, forderte JN-Schäfer. Sein Motto: „WIR oder Scharia!“

Solche Parolen könnten im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf des Öfteren zu hören sein. Mit „pro NRW“, den Republikanern und der NPD treten gleich drei extrem rechte Parteien an, die mit antiislamischen Tönen Stimmen einsammeln wollen. Gut möglich, dass sie sich dabei einen islamophoben Überbietungswettkampf liefern werden.

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